Die amerikanische Schriftstellerin Marilyn Loden sprach bei einer Paneldiskussion im Jahr 1978 über die Chancen von Frauen in der Arbeitswelt. Unter dem Titel „Spieglein, Spieglein an der Wand“ lag der Fokus der Diskussion auf dem Selbstbild von Frauen und wie dieses ihren beruflichen Aufstieg verhindern kann. Loden war es wichtig, eine andere Perspektive einzunehmen und unsichtbare Faktoren zu identifizieren, die Frauen das Erklimmen der Karriereleiter erschweren können. Und so schuf sie die Metapher der gläsernen Decke – ein Ausdruck, der seither im Kontext der eingeschränkten Repräsentation und Ungleichheit von Frauen in der Arbeitswelt verwendet wird.
Mehr als 40 Jahre später bleibt die Metapher der Glasdecke relevant, auch in der Finanz- und Bankbranche. Mit der Schlussfolgerung, dass die Branche weiterhin vor allem von Männern dominiert wird und in den letzten Jahren kaum Verbesserung aufweisen kann, veröffentlichte die Boston Consulting Group (BCG) Ende 2023 eine Studie zur Gleichstellung der Geschlechter in den Führungsetagen der europäischen Branche. Laut der Studie liegt der Anteil von Frauen in den Vorständen bei neun Prozent und damit deutlich unter dem EU-Durchschnitt (18 Prozent).
Der geringe Anteil von Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten hierzulande, aber auch europaweit, ist verblüffend. Studien nennen interne und externe Gründe, die Diversität und die Gleichstellung von Frauen und Männern immer bedeutender machen. So treibt ein diverses Team die Leistung und Resilienz durch Innovation und eine bewiesenermaßen bessere Entscheidungsfindung an. Innovationen werden um 19 Prozent gesteigert, die Gewinnsteigerung liegt zwischen zehn und 15 Prozent. Für 82 Prozent der Arbeitssuchenden ist Diversität außerdem ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung im Bewerbungsprozess. Als externe Gründe stechen soziale und regulatorische Anforderungen hervor, die den Handlungsbedarf in diesem Bereich erhöhen. In vielen Ländern werden nationale Frauenquoten eingeführt, während neue europäische ESG-Standards eine Berichterstattung über die Repräsentation der Geschlechter und die Gender-Pay-Gap voraussetzen.
Denn auch im Bereich der Bezahlung gibt es in der Bankbranche eine Kluft zu überbrücken. Die Gender-Pay-Gap liegt in der EU laut der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) bei etwa 16 Prozent in der Geschäftsleitung und bei etwa 23 Prozent im Verwaltungs- und Aufsichtsorgan. Um das zu ändern und die Gleichstellung zwischen Männern und Frauen voranzutreiben, führen einige Unternehmen eine Diversitätsrichtlinie ein. Laut dem Diversitätsreport der EBA verfügen EU-weit von 791 Institutionen circa 73 Prozent über eine solche Richtlinie – ein deutlicher Gewinn, denn 2015 waren es von 864 untersuchten Instituten noch etwas weniger als 36 Prozent.
Etwas mehr als ein Viertel der Institutionen in den untersuchten Ländern geben an, keine Diversitätsrichtlinie zu haben. Doch von 212 „bedeutenden Instituten“ verfolgen nach eigenen Angaben schon knapp 93 Prozent eine Politik der Geschlechtervielfalt. Das Gleichgewicht verbessert sich, allerdings nur langsam. Interessant ist hier sicherlich auch eine Betrachtung der nicht-geschlechterspezifischen Vielfalt. Ein Report von McKinsey & Company aus dem Jahr 2023 macht deutlich: Die Förderung von Chancengleichheit ist nicht nur in Bezug auf das Geschlecht wichtig, sondern spielt auch bei kulturellen Unterschieden und Hintergründen eine wichtige Rolle. Insbesondere da mehr als 30 Prozent der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands Stand 2022 einen Migrationshintergrund haben und oft von Nachteilen und Diskriminierung im beruflichen Alltag berichten – der Effekt der gläsernen Decke greift also auch in diesem Bereich.
Somit lässt sich der aktuelle Zustand in vielerlei Hinsicht kritisieren. Die BaFin etwa erwartet von den Kreditinstituten unter ihrer Aufsicht, dass diese eine Richtlinie zur Diversität aufstellen und umsetzen. Auch der EBA-Diversitätsreport fordert die Sicherstellung der Richtline und eine geschlechtsneutrale Vergütung. Nicht nur in Hinblick auf die vielen Gründe, die bei divers aufgestellten Führungsebenen von Unternehmen zu einer verbesserten Leistung der Institute führen. Sondern auch, um die tatsächliche Gesellschaft widerzuspiegeln, indem verschiedene Stimmen, Ansichten und Erfahrungen dargestellt werden. Denn so können Banken Kreativität, Innovation und Erfolg steigern.
Tipp: Sie sind an weiteren Beitragen aus der BANKINGNEWS 301 interessiert? Lesen Sie hier den Marktkommentar zum Rechtsruck an Europas Börsen oder schauen Sie sich hier die Infografik zur Geschlechter-Gleichstellung an.