Amazon kommt

Mit der Ankündigung, Bankkonten ins Angebot aufzunehmen, hat Amazon jüngst für reichlich Furore gesorgt. Aber ist der Hype berechtigt?


Kommt bald die EC-Karte per Overnight-Express? Amazon will in Zukunft auch Girokonten anbieten. Bildnachweis: iStock.com/RobertoDavid

Irgendwie passend: Jeff Bezos, der aktuell reichste Mann der Welt (geschätztes Privatvermögen: 112 Milliarden US-Dollar), plant, Bankkonten ins Angebot von Amazon aufzunehmen. Dafür könnte man ihn auslachen, doch das ist er gewohnt. Denn schon in der Gründungszeit von Amazon, und dem damalig hohen Börsenwert, haben viele sogenannte Experten ausgerechnet, dass Bezos niemals mit der Verkaufsspanne von Büchern diese Bewertung rechtfertigen kann. Den Rest der Geschichte kennen Sie.

Nach Technik, Kleidung und zuletzt Lebensmitteln könnte Amazon nun also auch noch einen signifikanten Fußabdruck in der Bankbranche hinterlassen. Auch wenn Michael Mandel, Mitglied im Vorstand der Commerzbank (Interview auf S. 2/3), eher Chancen auf Kooperation mit Amazon sieht, passiert jetzt genau das, wovor Experten gewarnt haben: Große Technologieunternehmen, die ein erfolgreiches Geschäftsmodell auf dem Wissen über ihre Nutzer aufgebaut haben, holen sich auch noch Zahlungsdaten hinzu. Diese Daten könnte Amazon sicherlich auch im Fahrwasser von PSD2 gewinnen, mit dem eigenen Konto ist das jedoch viel einfacher. Und am Ende sogar lukrativ, wenn der Konzern sein Konto als Start für den Aufbau einer Finanzplattform nutzt. Dann können Kunden in Zukunft auch die Absicherung, den Ratenkredit oder eine robotergesteuerte Anlage hinzuwählen. Sie wissen schon: „Kunden, die bei uns ein Girokonto eröffnet haben, haben auch …“

Es gilt jetzt, keine Zeit zu verlieren und den Kunden nach 30 Jahren Dornröschenschlaf endlich wirklich ernst zu nehmen. Banken müssen in Kundenbindung investieren, aus der Worthülse Omnikanal ein echtes Bankerlebnis schaffen und Produkte entwickeln, die Mehrwert und Nutzen liefern.

Denn Amazon bietet seinen Kunden bereits jetzt das allseits beschworene „Beste aus der On- und Offlinewelt“. Neben Romanen, Käse und den neuen Boxershorts gibt es dann bald auch Finanzdienstleistungen per Overnight-Express. Das Kundenkonto wird zum Bankkonto. Und als nächstes kommt die Amazon-Finance-Lounge…

Ihr Thorsten Hahn