In den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres wurden bereits 53 Fintech-Gründungen registriert. Dieser Wert scheint auf den ersten Blick niedrig – immerhin wurden 2018 noch 127 Firmengründungen verzeichnet. Um diese Zahl richtig einordnen zu können, muss man allerdings den sogenannten Tarnkappenmodus berücksichtigen. Hiermit wird die übliche Praxis vieler Start-ups bezeichnet, aus Sorge vor potenziellen Nachahmern erst unmittelbar vor der Produktreife an die Öffentlichkeit zu gehen. Zum Vergleich: Die comdirect Fintech-Studie 2016 wies für das laufende Jahr bis Ende September 49 Gründungen aus. Die nachträgliche Betrachtung ergab aber ein Wachstum von 151 neuen Fintechs. Dass 2019 ein Rekordjahr wird, was die Zahl der Fintech-Gründungen angeht, dafür spricht viel.
In jedem Fall aber ist 2019 ein Rekordjahr bei der Vergabe von Wagniskapital. Knapp 1,3 Milliarden Euro haben Investoren in den ersten neun Monaten in deutsche Fintechs investiert. Damit wurden die Investitionen des Gesamtjahres 2018 von etwas über 1,1 Milliarden Euro bereits überschritten. Die Fintech-Branche bleibt damit die treibende Kraft des deutschen Venture-Capital-Marktes. Mit 36 Prozent entfällt mehr als jeder dritte Euro, den Investoren in heimische Start-ups stecken, auf den Finanzbereich.
Es sind dabei vor allem wenige und sehr große Finanzierungsrunden, die den Markt dominieren. Von den insgesamt 4,7 Milliarden Euro, die Investoren seit 2012 an deutsche Fintechs vergeben haben, entfällt jeder zweite Euro auf gerade einmal 20 Start-ups. Bei immerhin 59 Prozent aller Fintechs konnten überhaupt keine Wagniskapital-Finanzierungen beobachtet werden. Insgesamt wächst die Bedeutung weniger großer Finanzierungsrunden für die Branche. Lag der Anteil der Top-3-Deals 2016 noch bei lediglich 15 Prozent, ist er 2019 auf 49 Prozent angestiegen.
Die gute Nachricht ist: Trotz der zunehmenden Konsolidierung nimmt die Zahl der Fintechs in Deutschland kontinuierlich zu. Auch kleineren Fintechs gelingt es offenbar, ohne große Finanzierungsrunden neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Das zeigt sich unter anderem bei der Betrachtung der Fintech-Szene in Frankfurt: Traditionell sammeln die Fintechs in der Bankenmetropole kaum Wagniskapital ein. Gerade einmal 40 Millionen Euro haben sie 2018 und 2019 von Investoren erhalten – im Ranking sind sie damit auf Platz fünf hinter Köln mit 42 Millionen Euro. Dennoch ist die Gründungsdynamik weiterhin hoch. Seit 2018 sind in Frankfurt 23 neue Finanz-Start-ups entstanden.
In einer anderen Liga spielt dagegen Berlin, zumindest in puncto Fintech. 295 Finanz-Start-ups sind dort ansässig – das sind mehr als in München, Frankfurt und Hamburg zusammen. Auch bei der Zahl der Gründungen und dem investierten Risikokapital ist die Hauptstadt die klare Nummer eins.
Während Berlin seine Vorreiterstellung weiter ausbauen konnte, herrscht auf den folgenden Plätzen ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Wie schon im Vorjahr kann sich München den zweiten Platz sichern, vor Frankfurt und Hamburg. Die Stadt mit der höchsten Wachstumsdynamik ist Stuttgart. Die Fintechs aus der baden-württembergischen Landeshauptstadt legten sowohl bei der Zahl der Gründungen als auch bei der Vergabe von Risikokapital deutlich zu und schlossen damit zu Düsseldorf auf. Mit der Landeshauptstadt von NRW liegen sie nun gleichauf auf Platz sechs. Auch Köln konnte seine Stellung als Fintech-Standort ausbauen und belegt Platz fünf im Fintech-Städteranking.
Trotz der überwältigenden Dominanz von Berlin ist die Fintech-Szene in Deutschland damit relativ breit aufgestellt und wächst in allen Bereichen kontinuierlich. Ein Ende des Fintech-Booms ist daher aktuell auf keinen Fall zu erkennen.