Vorsichtiger Optimismus am Immobilienmarkt

Die Korrektur am deutschen Immobilienmarkt ist bereits weit fortgeschritten. Der Abwärtstrend bei den Preisen für Wohnimmobilien scheint fast gestoppt, in den gewerblichen Segmenten hat er sich zumindest verlangsamt. Welche Argumente sprechen für eine Trendwende?


www.gettyimages.de / sturti

Seit etwa Mitte 2022 sinken die Immobilienpreise in Deutschland. Durch die kräftig gestiegenen Zinsen wurde der langjährige Boom beendet. Nach den Immobilienindizes des Verbands Deutscher Pfandbriefbanken betragen die Korrekturen von den jeweiligen Höchstständen bis zum ersten Quartal 2024 bisher fast neun Prozent bei Wohnimmobilien, etwa 17 Prozent bei Büroimmobilien sowie rund 24 Prozent bei Einzelhandelsimmobilien. Die jüngsten Daten deuten auf eine Stabilisierung am Wohnungsmarkt hin. In den gewerblichen Segmenten scheint es zumindest zu einer Verlangsamung des Abwärtstrends gekommen zu sein. So wurde bei Wohnimmobilien im Vorquartalsvergleich zuletzt nur noch ein geringer Rückgang ausgewiesen. 

Weniger eindeutig sind die Verläufe bei Einzelhandels- und Büroimmobilien. Allerdings weisen diese Datenreihen im Quartalsvergleich zuletzt große Schwankungen auf. Trotz dieser geringeren Markttransparenz ist für beide gewerblichen Segmente von einer Verlangsamung des Abwärtstrends auszugehen. Denn für eine Erholung – wenn auch zeitlich verzögert – sprechen eine Reihe von Gründen. 

Hauptursache für die aktuelle Korrektur am Immobilienmarkt war der schnelle und kräftige Anstieg der Zinsen, der die Finanzierung erheblich verteuerte. Dadurch verschlechterte sich auch die relative Attraktivität der Immobilie als Kapitalanlage insbesondere gegenüber festverzinslichen Wertpapieren. Zusammen mit den hohen Immobilienpreisen und sinkenden Reallöhnen verringerte sich die Erschwinglichkeit von Wohneigentum. Auch viele gewerbliche Immobilienprojekte rechneten sich nicht mehr. Mit der zehnten und letzten Leitzinserhöhung der EZB im September 2023 hatten die Hypothekenzinsen ihren Hochpunkt erreicht. Im Zuge von Zinssenkungserwartungen sind sie seitdem leicht gefallen. Der Rückgang der Inflationsraten – in Deutschland von in der Spitze fast neun Prozent auf 2,4 Prozent im Mai – verschaffte der Notenbank den Spielraum, die Leitzinsen am 6. Juni zum ersten Mal um 25 Basispunkte zu senken. Zusätzliche Zinsschritte bis Jahresende und im Jahr 2025 sind wahrscheinlich. Dies sollte bei den Hypothekenzinsen für einen weiteren Rückgang um einige Zehntelpunkte sorgen. Somit vergünstigt sich die Finanzierung beziehungsweise Refinanzierung von Immobilienvorhaben. Eine Rückkehr zur Niedrigzinsphase der vergangenen Jahre wird es aber nicht geben. 

Auch bei den anderen beiden wichtigen Faktoren gibt es inzwischen eine Entspannung: Die Hauspreise sind gefallen und die Reallöhne legen angesichts hoher Lohnsteigerungen und der deutlich niedrigeren Inflationsraten wieder zu. 

Während die Wohnimmobilienwerte deutlich gesunken sind, zeigt sich bei den Mieten ein ganz anderes Bild: die Neumieten nehmen unverändert kräftig zu. Da der Wohneigentumserwerb für viele private Haushalte erschwert ist, bleiben diese auf den Mietwohnungsmarkt angewiesen. Auch bei Büroimmobilien sorgen steigende Mieten noch für einen soliden Cash-Flow. Neben der Mietindexierung dürfte sich hier die – trotz Homeoffice – nach wie vor robuste Nachfrage nach hochwertigen Flächen in guten Lagen widerspiegeln. Bei Einzelhandelsimmobilien wurden die Mieten seit Jahren durch die Belastungen des Onlinehandels, Lockdowns und Kaufkraftverluste infolge der hohen Inflation gedrückt. Nun steigen die Mieten schon seit drei Quartalen wieder. 

Nachfrage nach Wohnraum nimmt zu

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen werden sich verbessern. Wichtige konjunkturelle Frühindikatoren wie der ifo Geschäftsklimaindex sind gestiegen. Impulse sollten durch einen wieder dynamischeren Welthandel, vor allem aber von der Erholung des privaten Konsums kommen. Denn die Verbraucher profitieren dank der gesunkenen Inflationsraten und höheren Gehältern von den in realer Rechnung zunehmenden verfügbaren Einkommen. 

Der deutsche Immobilienmarkt befindet sich in einer zyklischen Korrektur. Es handelt sich also nicht um das Platzen einer Blase, die üblicherweise im Vorfeld mit exzessiver Kreditvergabe oder starker Spekulation einhergeht. Auch gibt es im Gegensatz zu manchen historischen Immobilienkrisen keinen Angebotsüberschuss. Dies spricht für ein überschaubares Ausmaß der Preiskorrekturen und eine begrenzte Dauer der Korrekturphase, die selbst in den schwierigeren gewerblichen Segmenten spätestens 2025 beendet sein sollte. 

Den deutschen Wohnungsmarkt kennzeichnet nach wie vor eine hohe Nachfrage nach Wohnraum bei knappem Angebot. Daher dürfte ein Großteil der vorherigen Preisanstiege bei Wohnimmobilien – eine Verdoppelung seit 2010 – fundamental gerechtfertigt gewesen sein. Seit Jahren liegt die Zahl der Wohnungsfertigstellungen deutlich unter dem geschätzten Bedarf von rund 400.000 Einheiten jährlich. Schwache Frühindikatoren wie Auftragseingänge und Baugenehmigungen deuten darauf hin, dass die Neubauaktivität im laufenden Jahr kräftig zurückgehen wird. Dem steht eine deutlich zunehmende Bevölkerungszahl durch Zuwanderung gegenüber. 

Auch am deutschen Büromarkt kann angesichts einer durchschnittlichen Leerstandsquote in den Top-Standorten von aktuell etwa sechseinhalb Prozent nicht von einer krisenhaften Entwicklung und einem hohen Überangebot gesprochen werden. Der Anstieg der Leerstände seit 2019 erfolgte von einem sehr niedrigen Niveau. Auch leidet unter dem Trend zum verstärkten Arbeiten im Homeoffice nicht die gesamte Nachfrage nach Büroflächen. Wie die nach wie vor steigenden Büromieten in guten Lagen zeigen, sind attraktive Objekte in zentraler Lage, die den zunehmenden ESG-Anforderungen gerecht werden, weiterhin begehrt. Kurzfristig werden jedoch die Büroleerstände in Deutschland angesichts noch recht hoher Fertigstellungen weiter steigen, bevor in den folgenden Jahren die geringere Neubautätigkeit Entlastung verspricht. 

Insgesamt ist der Ausblick auf den deutschen Immobilienmarkt vorsichtig optimistisch. Am Investmentmarkt werden schon bald vor allem eigenkapitalstarke Anleger für mehr Transaktionen sorgen, da die Preiskorrekturen weit fortgeschritten sind und die Zinsen nochmals leicht nachgeben werden. Ein verstärktes Interesse von Investoren ist schon erkennbar. 

Trotz der positiven Aspekte sind die Herausforderungen vor allem für Projektentwickler und Bauunternehmen nicht auszublenden. Die Zahl der Insolvenzen wird erst einmal hoch bleiben. Auch die Probleme bei Refinanzierungen sind nicht überwunden. Denn die meisten Ausläufe von Immobilienkrediten, die zu besonders niedrigen Hypothekenzinsen abgeschlossen wurden, liegen noch in der Zukunft. 

Dr. Gertrud R. Traud

Tipp: Sie interessieren sich für weitere Fachartikel aus der 300. BANKINGNEWS? Lesen Sie hier ein Interview mit Minister der Finanzen von Nordrhein-Westfalen Dr. Marcus Optendrenk über das Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität oder werfen Sie einen Blick in unsere Rubrik Menschen in der Bank.