Doch wie genau kann man diese Differenzierung als Bank inhaltlich garantieren bzw. auch in Richtung der Kunden kommunizieren? Und fast noch wichtiger – wie überführt man die eigenen Qualitätsansprüche in die „neue Welt“ der Digitalisierung?
Zunächst muss man festhalten, dass der wichtigste Baustein einer fundierten Finanzberatung nach wie vor eine strukturierte Finanzanalyse darstellt. Diese ist bereits in nahezu jedem Institut etabliert und für den Kunden auch erlebbar. Eine weitere Differenzierung erlebt der Kunde bei Qualitätsanbietern auch dann, wenn anschließend durch eine standardisierte Empfehlungslogik – passend zu der Kundensituation – eine individuelle Lösung unterbreitet wird.
Standards sind notwendig – die DIN SPEC 77222 als Grundlage für gute Beratung
Die von Professoren und Verbraucherschützern erarbeitete DIN Spezifikation (SPEC) 77222 „Standardisierte Finanzanalyse für den Privathaushalt“ hat zum Ziel diese oftmals bestehende Lücke zwischen Datenaufnahme und notwendiger (Produkt-) Empfehlung zu schließen. Die Logik der DIN SPEC 77222 setzt auf das Standardisieren und Optimieren von Prozessen, wobei gleichzeitig die individuelle Situation des Kunden berücksichtigt wird. Im Idealfall soll die gemäß diesem Standard erfolgte Finanzanalyse eines Kunden zu einem einzigen, wertfreien und emotionslosen Ergebnis führen.
Das bedeutet nicht, dass am Ende des computergestützten Analyseprozesses ein konkretes Finanzprodukt steht, beispielsweise die Berufsunfähigkeitsversicherung des Anbieters A oder das Riester-Produkt des Anbieters B. Doch Produktklassen, aus denen der Kunde dann auswählen kann, sollen schon genannt werden. Handeln die Berater nach eindeutigen, anerkannten und nachvollziehbaren Regeln, besteht für die Banken die Chance, genau dieses gern zitierte Alleinstellungsmerkmal auch glaubhaft zu unterlegen bzw. nahezu sicher sein zu können, dass zehn Kunden mit der identischen Bedarfssituation die identische Lösung empfohlen bekommen.
Wenn die klassischen Filialbanken künftig noch als kompetente Ansprechpartner für Finanz- und Vorsorgethemen wahrgenommen werden wollen, sollten sie zügig attraktive Multi-Kanal-Strategien entwickeln, die es ihnen ermöglichen, flexibel auf die Kundenwünsche einzugehen. Das beginnt im einfachsten Fall bei der Fragestellung, ob ein Beratungsangebot über die Schalteröffnungszeiten hinaus ermöglicht werden kann. Im besten Fall sollte kein Arbeitnehmer gezwungen sein, Urlaub zu nehmen, um seinen Bankberater zu sprechen. Zumal gerade vielbeschäftigte Arbeitnehmer eine attraktive Kundengruppe darstellen, die man ungern an die Konkurrenz verlieren möchte. Klassische Banken tun also gut daran, neben der Filiale weitere Vertriebswege (innerhalb und außerhalb der bisherigen Öffnungszeiten) zu etablieren; beginnend beim „Telefonteam“. Bei Neukunden ist ein Telefonanruf oft der erste Kontakt zur Bank. Das macht es unerlässlich, im Telefonteam gut geschulte und eloquente Mitarbeiter einzusetzen, die den Erwartungen der Kunden entsprechen.
Die Herausforderung auch in der „digitalen Welt“ exzellent zu sein
Darüber hinaus stellt sich auch die Frage, wie man die telefonische bzw. Video-Beratung durch webbasierte Dokumente, Charts, Grafiken und Rechenprogramme, die der Kunde auf seinem Computer-Bildschirm sehen kann, umsetzt. Die moderne Technik birgt für traditionelle Finanzinstitute also keineswegs nur Risiken. Sie bietet auch Chancen für neue Wege in der Beratung sowie Möglichkeiten, die bereits vorhandenen Service- und Beratungsangebote zu verbessern und auszubauen – und auf diesem Weg neue Kundengruppen zu erschließen bzw. die bestehenden noch aktiver zu betreuen.
In dieser „digitalen Welt“ ist eine Prozesstreue, in der auch die Beratungshilfen und Gesprächsleitfäden im Detail definiert und eingehalten werden, von zentraler Bedeutung. Wenn das nicht der Fall ist, ist die „neue Welt“ nicht besser als die „alte Welt“, denn Technik kompensiert keine „schlechten Gespräche“, welche die investierte Zeit (für beide Seiten) nicht wert sind – egal über welchen Kanal!