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Der Computer analysiert, der Mensch entscheidet

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz hat das Potenzial, im Recruitingprozess objektivere Ergebnisse zu liefern. Erfahrene Führungskräfte bei Talanx haben ein Tool getestet, welches anhand von Sprachproben psychologisch valide Aussagen zur Persönlichkeit des Probanden trifft. Ein Praxisbericht.


Robotics und KI können Recruitingprozesse unterstützen und beschleunigen. Die letzte Entscheidung trifft allerdings der Mensch. Bildnachweis: iStock.com/AndreyPopov

Wie die gesamte Versicherungsbranche begegnet auch die Talanx den veränderten Kundenbedürfnissen mit Investitionen in Digitalisierung. Doch Digitalisierung hört nicht beim Produkt oder beim Vertriebsweg auf, auch interne Prozesse bieten sich dafür an. Am Anfang einer Prozessrevolution bei Talanx stand die reine Neugierde, ob ein kurzer Monolog mit einem Computer zu einer validen Messung von Persönlichkeitsmerkmalen und Fähigkeiten einer Führungskraft führen könnte. Am Ende stand die Antwort, dass es funktioniert, und sich mit dem digitalisierten Prozess eine neue Welt der Analyse eröffnet.

Führungskräfte testen Diagnose-Tool

PRECIRE Technologies hat ein Programm entwickelt, mit dem sich anhand einer 10- bis 15-minütigen Sprachprobe ein Führungsprofil des Teilnehmers erstellen lässt. Das Programm zerlegt Sprachproben in kleine Informationsbausteine und analysiert mit einem System von 500.000 Messpunkten linguistische und prosodische (akustische) Daten. Diese Werte werden dann zu psychologisch validen Aussagen über die Persönlichkeit, Stärken und Schwächen zusammengesetzt. Erfahrene Führungskräfte bei Talanx, die das Vorgehen getestet haben, fanden ihre persönlichen Ergebnisse aus anderen eignungsdiagnostischen Verfahren bestätigt.

Der Objektivität so nah wie noch nie

Die vom neuen Tool gelieferten Ergebnisse sind dem Assessment-Center, bei dem der Bewerber physisch präsent ist, in mehrfacher Hinsicht überlegen. Bewusste oder unbewusste Wertungen im Hinblick auf Geschlecht, Alter, Aussehen oder Herkunft sind bei diesem Schritt ausgeschlossen. Dies führt zu einer bislang nicht vorhandenen Objektivität. Darüber hinaus kann der Zeitaufwand gegenüber Einzel- oder Gruppen-Assessment-Centern um mehr als 90 Prozent reduziert werden. Die Kostenersparnis liegt bei bis zu 70 Prozent. Weitere Vorteile zu bisherigen Instrumenten sind neben der Objektivität und dem Preis-/Leistungsverhältnis die Schnelligkeit des Prozesses und die Möglichkeit der mobilen Teilnahme von jedem Ort auf der Welt.

Worin liegen die inhaltlichen Vorteile des neuen Verfahrens?

Das Programm misst zunächst die stabilen Persönlichkeitsmerkmale psychologischer Diagnostik, ähnlich wie bei den bekannten eignungsdiagnostischen Analysen. Ergänzend wurden für Talanx zwei weitere Perspektiven entwickelt: die Beurteilung der Veränderungsbereitschaft (die Schlüsselkompetenz für erfolgreiche Veränderungsprozesse), der sogenannte „Change Fit“, sowie eine Aussage zur Kommunikationskultur des Einzelnen, die mit den im Kulturmodell der Talanx verankerten Unternehmenswerten verglichen wird, der sogenannte „Cultural Fit“. So entsteht eine dreidimensionale Persönlichkeitsbetrachtung, die für die Auswahl und die Entwicklung von Führungskräften sowie für die Analyse von Teams eine neue Qualität und Tiefe erzielt.

Die Grenzen Künstlicher Intelligenz

Dennoch lässt sich die Persönlichkeit und Eignung einer Führungskraft nicht an einzelnen Werten festmachen. Es gibt kein per se gutes oder schlechtes Analyseergebnis, dafür allerdings eine konkrete Aussage zu Ausprägungen von Persönlichkeitsmerkmalen, Veränderungsbereitschaft und Wertebasis. Soweit sich Regeln für kausale Verknüpfungen in Algorithmen abbilden lassen, ist die Künstliche Intelligenz dem Menschen überlegen. Komplexe Aufgaben oder Netzwerkeffekte zum Beispiel, die sich gegenseitig beeinflussen, kann der Computer aber nicht verarbeiten. Der Wert des Programms besteht also hauptsächlich in der Verkürzung der Zeit für den Erkenntnisgewinn. Auch kann das Tool keine Bewertung von Fachkompetenz oder Erfahrung vornehmen. Am Ende gilt wie bisher: Die Entscheidung verbleibt beim Menschen. Denn der beste Fit hilft nicht, wenn der Kandidat nicht umziehen möchte oder die Gehaltsvorstellungen auseinander liegen.

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