Es könnte alles so einfach sein: Ausweis hinter das Smartphone halten, PIN eingeben und schon hat man sich, zum Beispiel im Rahmen eines Kreditantrags oder einer Kontoeröffnung, identifiziert. Theoretisch. In der Praxis identifizieren sich Kunden branchenweit noch per VideoIdent, Signatur-basierten Verfahren oder sie gehen in eine Postfiliale. Der Erfolg dieser ID-Verfahren hat historische Gründe. Und er basiert vor allem darauf, dass die Nutzung der eID bei ihrer Einführung 2010 zunächst zu kompliziert war: Die wenigsten Kunden haben einen Sinn darin gesehen, die eID zu aktivieren oder sich ein Kartenlesegerät anzuschaffen.
Somit hat das Verfahren von Anfang an ein Schattendasein gefristet. Das hat auch mit den Rahmenbedingungen zu tun: 2010 gab es Smartphones erst seit wenigen Jahren und Mobile Banking steckte noch in den Kinderschuhen. Im Onboarding galt es damals als schnell, wenn sich Kunden innerhalb von 48 Stunden in einer Postfiliale identifiziert hatten.
Potenzial längst nicht ausgeschöpft
Mit dem Siegeszug von Smartphones hat sich das geändert. Bereits 2015 haben laut dem D21 Digital Index 54 Prozent der Befragten das Internet über mobile Endgeräte genutzt. Das war die Geburtsstunde neuer Identitätsverfahren. Den Anfang machte 2014 VideoIdent, heute stehen mit AutoIdent, KontoIdent und Digitalen Identitäten gleich mehrere Smartphone-fähige Verfahren zur Verfügung. Nur die eID hat ihr Potential längst nicht ausgeschöpft. Das ist bemerkenswert, da beim Identifikationsprozess in der Regel ohnehin Personalausweise mit aktivierter eID in die Kamera gehalten werden.
Überforderung könnte einer der Gründe sein. Damals reagierte der Bund inadäquat auf die rasante Entwicklung der Smartphones und die damit einhergehenden Veränderungen der Kundenbedürfnisse. Infolgedessen mussten Banken auf VideoIdent und andere Verfahren setzen. Die seit Jahren geführte Debatte rund um die Zulässigkeit von VideoIdent ist ein Spiegel dieser Entwicklung.
Es dauerte zwar, aber mittlerweile hat der Bund einen Teil seiner Hausaufgaben gemacht. Seit mehreren Jahren ist die eID automatisch aktiviert und Smartphones ersetzen das Kartenlesegerät. Auch für den Fall, dass die vorhandene PIN abhandengekommen ist, hat der Bund mit dem PIN-Rücksetzdienst eine kostenfreie Lösung gefunden. Der überwiegende Teil der Ausweisinhaber könnte also die eID nutzen. Die Krux: Es fehlt an Einsatzmöglichkeiten – auch im Finanzbereich. Das hatte einmal gute Gründe, allerdings gelten diese heute nicht mehr.
Seit November 2022 bietet die ING Deutschland die Identifikation mit der Online-Ausweisfunktion eID an. Mit Erfolg. Aus dem Stand und ohne Bewerbung liegt der Anteil von eID-Identifikationen im erfreulichen Bereich. In den nächsten Monaten wird die eID noch tiefer in die Prozesse und Kundenapplikationen integriert und die Nutzung somit erleichtert. Nicht nur Kunden profitieren von der eID. Auch für die Bank zahlt sich das Verfahren doppelt aus: eID-Legitimierungen sind günstiger und reduzieren den Aufwand im Outsourcing-Management.
Direkte Integration als Herausforderung
Banken tragen wie andere Wirtschaftspartner eine Mitverantwortung für den Erfolg der eID. Es ist Zeit, der eID als hoheitliches Identifikationsverfahren eine Chance zu geben, damit die Menschen sie auch einsetzen können. Damals wie heute ist aber die direkte Integration in zum Beispiel Banksysteme herausfordernd. Das ist dem Bund auch bekannt und das muss sich ändern. Aber auch hier haben fast alle Identitätsanbieter eine Lösung gefunden und bieten eine einfache und schnelle Integration an. Die Voraussetzungen sind da, die Zeit ist reif – dem Erfolg der eID steht nun nichts mehr im Wege.
Ronnie Schrumpf
ING Deutschland
Ronnie Schrumpf ist Referent Customer Identity Management bei der ING Deutschland.