Ein rundum funktionierender Quantencomputer ist noch Zukunftsmusik. Doch die Emulation der Quanteneffekte auf klassischen Computern hat zur Entwicklung neuer Arten von Quantenlösungen geführt, die bereits auf klassischer Hardware laufen. Diese Quantenlösungen werden auch als „quanteninspirierte Algorithmen“ bezeichnet.
Die Algorithmen ermöglichen es, Vorteile aus dem Quantum Computing auf klassischer Hardware heute schon zu nutzen. Dadurch erreicht man eine Beschleunigung gegenüber traditionellen Ansätzen. Unternehmen können sich so schon jetzt auf die Zukunft der Quantenoptimierung auf tatsächlicher Quanten-Hardware vorbereiten.
Quanten-Chancen für Banken
Quantum Computing verspricht schnellere und genauere Berechnungen von komplexeren Problemen als klassische Computertechnologie von heute. Damit sind Quantenmethoden für viele Anwendungsfälle im Finanzsektor gut geeignet. Dazu zählen etwa die Portfolio-Verwaltung, die Risikoanalyse, die Modellierung von Risiken oder die Verschlüsselung/Kryptographie.
Optimierungsszenarien sind der Kern vieler finanzieller Fragestellungen. Portfolio-Manager beispielsweise wollen meist alle Anlageoptionen simulieren, um die Risiken bei der Schätzung der erwarteten Erträge zu gewichten.
Wer mit Bewegungen im Markt Schritt halten will und dafür sein Investitionsportfolio neu ausrichtet, stößt jedoch schnell an die Grenzen von Rechenkraft und Transaktionskosten. Die Quanten-Technologie kann dabei helfen, die Komplexität der heutigen Handelsumgebungen zu durchbrechen.
Ihre kombinatorischen Optimierungsfähigkeiten ermöglichen es den Investmentmanagern, Portfolios besser zu diversifizieren und Investitionen neu auszubalancieren, um schneller auf Marktlagen reagieren zu können.
Früher mit „Monte-Carlo“
Finanzinstitutionen müssen in der Lage sein, Risiken für die Kapitalallokation, regulatorische Stresstests und Positions-Hedging genau zu verwalten und zu berechnen. Die Absicherung von Verlusten aufgrund unvorhergesehener Ereignisse ist tägliche Aufgabe von Banken und Versicherungen.
Die primäre Methode dafür ist die Monte-Carlo-Methode. Sie wird aber durch den zunehmenden Umfang und die steigende Komplexität der Modelle auf klassischen Computern erschwert – und das trotz Einbindung von Künstlicher Intelligenz und Maschinellem Lernen.
Für „Black Swan“-Ereignisse – also unvorhergesehene, erst im Nachhinein erklärbare Ereignisse, wie etwa den Crash einer Volkswirtschaft, erstellen Finanzinstitute regelmäßig Modelle. Doch mit den aktuellen Ereignissen der COVID-19-Pandemie mussten viele Organisationen ihre Modelle völlig neu gestalten.
Quantum Computing verspricht in kürzerer Zeit eine größere Auswahl an Optionen, die es Banken und Versicherungen ermöglichen, Risiken besser zu verstehen und sich auf unvorhergesehene Ereignisse vorzubereiten.
Risikomodellierungen sind ressourcenintensive Berechnungen, die Versicherer aufstellen, damit sie Risiken erkennen, Policen bewerten und angemessene Rücklagen sicherstellen können. Die Höhe der Rücklagen ist für die Branche natürlich besonders wichtig. Damit gewährleisten Versicherer, dass sie ihren Verpflichtungen nachkommen oder Verbindlichkeiten decken können.
Sie sind aber auch für Aufsichtsbehörden relevant: Diese geben regelmäßig die Höhe der Rücklagen vor und überwachen sie, damit die Unternehmen im Notfall über ausreichende Mittel verfügen.
Modellierung katastrophaler Risiken
Nach der Finanzkrise haben die Regulierer die Rückstellungs- oder Liquiditätsanforderungen verschärft. Mit Initiativen wie Solvency II und IFRS müssen Versicherer granulare und immer komplexere Modelle in immer kürzeren Abständen anwenden. Diese Kalkulationen müssen inzwischen nahezu in Echtzeit passieren.
Das Quantum Computing kann diese Berechnungen massiv beschleunigen und dabei wesentlich genauere Ergebnisse liefern.
Dieselbe Quantencomputerleistung, mit der Lösungen für komplexe Herausforderungen erschlossen werden können, wird aber auch einige der heute anspruchsvollsten Verschlüsselungsverfahren brechen. So könnte Shors Algorithmus mit Hilfe eines ausreichend leistungsfähigen Quantencomputers die Produkte zweier großer Primzahlen schnell verarbeiten und die RSA-Verschlüsselung überwinden.
Post-Quantum-Kryptographie
Ein Quantencomputer mit genügend stabilen Quantenbits, um mit Hilfe des Shor-Algorithmus die heutige Public-Key-Kryptographie zu knacken, ist noch nicht verfügbar – aber das Risiko zeichnet sich am Horizont bereits ab.
Unser Ziel ist es, neue kryptographische Algorithmen zu identifizieren, die gegen Angriffe von Quantencomputern resistent sind. So sollen kryptographische Algorithmen für die breite Anwendungen wie Online-Banking, sichere Kommunikation und mobile Bezahlsysteme standardisiert werden.
Quanten: Relevante Anwendungsfälle
Schon heute erfordert manche Fragestellung in der Finanzbranche eine solch große Rechenleistung, die die leistungsfähigsten Computer von heute übertrifft. Während klassisches Computing hunderte Jahre benötigen würde, um einige dieser anspruchsvollen Probleme zu lösen, kann Quantum Computing dies in Wochen, Tagen oder sogar Stunden. Unternehmen verschiedener Branchen sehen bereits das Potential von Quantenlösungen und können schon jetzt Schritte unternehmen, um sich für Quantum Computing zu wappnen.
Dafür sollten sie zunächst relevante Anwendungsfälle für das Unternehmen finden. Schauen Sie sich als Verantwortlicher also an, wie andere Organisationen Quantenlösungen nutzen. Es gibt zahlreiche Fallstudien, die zeigen, wie Unternehmen Quantentechnologie heute schon einsetzen.
Der nächste Schritt ist der Aufbau einer Quantenbelegschaft: Stellen Sie eine Quanten-Taskforce zusammen – aus Geschäftsleitung, Geschäftsfeldmanagern und Entwicklern. Verstärken Sie das Team mit Quantenspezialisten und Mathematikern, die mit den Anwendungen und Algorithmen vertraut sind, die für das Unternehmen am relevantesten sind. Dann kann die Zukunft kommen.
Tipp: Sie möchten mehr über Quantum Computing wissen? Dann lesen Sie den Leitartikel „Die Superposition für die Bank“ und schauen Sie sich die Infografik „Der nächste Quantensprung“ an.