BANKINGNEWS: Wo stehen aus ihrer Sicht die deutschen Banken im Digitalisierungsprozess?
Michael Kenfenheuer: Wir haben das Glück, dass wir von den 30 größten Banken 28 zu unseren Kunden zählen dürfen. Das gibt uns eine gute Übersicht. Das Bild, das wir sehen, ist sehr unterschiedlich. Bei einigen sehen wir, dass das Abwarten und das reine Beobachten der Entwicklungen auf dem Markt vorbei sind. Viele Institute sind bereits mitten im Transformationsprozess und investieren etwa in Modernisierungsmaßnahmen ihrer Backendsysteme.
Gibt es da eine Korrelation mit der Größe?
Unter den zehn größten Banken sind einige weit vorne und andere weit hinten. Einige der kleineren sind in Teilen in bestimmten Themen deutlich weiter als die Großen. Manche Themen werden auch etwas stiefmütterlich behandelt, je nachdem, welchen Ertrag sie versprechen. Digitalisierung kostet ja erst einmal Geld. Gerade bei den Großen sehen wir Interesse für Themen wie Open Banking, Robotic Process Automation und Künstliche Intelligenz.
Geht es noch um die Transformation von analog zu digital oder geht es eher um die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle und -prozesse?
Aus meiner Beobachtung heraus würde ich Ersteres bejahen. Themen, die bis heute analog behandelt werden, sollen jetzt digitalisiert werden. Viele Banken wollen so Kosteneinsparungen heben, was gar nicht so einfach ist. Größere Banken entwickeln neue Geschäftsmodelle, starten damit aber eher in einem kleineren Testfeld. So etwas findet zum Beispiel unter einer Zweitmarke statt, um damit eine andere Zielgruppe mit einer anderen Ansprache zu adressieren. Aber das traditionelle Banken unter ihrem Label völlig neue Geschäftsmodelle an den Start bringen, sehe ich im Moment nicht.
Welche Prozesse stehen dann derzeit im Fokus?
Es geht stark um die Durchgängigkeit der Prozesse ohne Medienbrüche. In diesem Bereich können Banken schnell Potenziale heben, um damit Kosten und Risiken zu senken – aber auch die Qualität zu verbessern. Hier sehen wir auch die Nutzung von Möglichkeiten aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz. Es stehen aber ebenso Prozesse im Fokus, die sich direkt an der Schnittstelle zum Kunden befinden. Hier gilt es vor allem, den Kontakt zum Kunden nicht zu verlieren, sondern eher weiter – und vor allem digital – auszubauen.
Was wird sich dadurch für die Kunden ändern?
Banken liefern oftmals wenig Transparenz für ihre Kunden. Hier geht es darum, sich über Schnittstellen zu öffnen oder Portale zu entwickeln, die Geldströme und Kundenbedürfnisse vollständig abbilden. Da sehen gerade Firmenkunden schon eine Veränderung. Im Privatkundengeschäft sehen wir vor allem Ansätze zur Verbesserung der Customer Experience. Gerade der Privatkunde erwartet einen einfachen, bequemen und möglichst personalisierten Kontakt zu seiner Bank.
Was erwarten Banken von Ihren IT-Dienstleistern?
Erster Punkt: Um ein guter IT-Dienstleister zu sein, braucht man in dieser Branche tiefes bankfachliches Wissen. Damit man überhaupt verstehen kann, was der Kunde denn will. Zweiter Punkt: Der IT-Dienstleister braucht einen breiten Marktüberblick über Methoden und Werkzeuge, die er mit seiner Erfahrung bei der Bank einsetzt. Sprich: Er darf nicht nur auf einen Hersteller spezialisiert sein, sondern muss breit und neutral aufgestellt sein. Banken erwarten eine neutrale Beratung bei der Auswahl der möglichen Instrumente und Anwendungen, auch was die Kosten betrifft. Außerdem benötigt der IT-Dienstleister profunde Kenntnisse über die Cloud-Carrier, auch da darf man sich auf keinen Fall auf nur einen Hyperscaler konzentrieren. Multi-Cloud ist der richtige Weg für Banken – aus meiner Sicht. Denn so bleiben Banken flexibel, was aber auch voraussetzt, dass Anwendungen so geschrieben sein müssen. Ich möchte gerne noch auf das BANKINGCLUB Webinar am 7. Juli 2021 hinweisen, in dem wir die Ergebnisse unserer gemeinsamen Umfrage zum Thema Kernbankensysteme berichten werden.
Event-Tipp: Sie möchten mehr über Digitalisierung und die Transformation von Kernbanksystemen wissen? Dann ist findet am 7. Juli 2021 das richtige Event für Sie statt!