Technologischer Fortschritt, steigende regulatorische Anforderungen und sich verändernde Kundenbedürfnisse fordern die Finanzwelt heute mehr denn je. In diesem dynamischen Umfeld ist es für Banken entscheidend, innovative Entwicklungen voranzutreiben, um zukunftsfähig zu bleiben. Eine besonders wichtige Quelle für Innovationen sind Startups. Banken und Startups? Das hat in der Vergangenheit noch nicht wirklich gut funktioniert. Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) setzt jetzt auf das Venture-Client-Modell für eine strategische und effiziente Zusammenarbeit mit Startups.
Startups als innovative Partner auf Augenhöhe
Startups gehen neue Wege, um Probleme zu lösen – meist schneller, effizienter und profitabler. Sie bringen Know-how, Ressourcen und Risikobereitschaft mit, die technologische Innovationen erst ermöglichen. Denn das ist ihre Daseinsberechtigung: Gäbe es bessere Lösungen von etablierten Anbietern, würden Startups ziemlich schnell von der Bildfläche verschwinden. Das Bild vom kleinen Garagen-Business ist also längst überholt. Gute Startups sind professionell geführte Unternehmen, die zielgerichtet und mit hohem Budget in Forschung und Entwicklung investieren. Damit sind sie auch für Banken eine wertvolle Quelle innovativer Technologien.
Natürlich birgt die Partnerschaft dennoch Risiken. Gerade in Banken, wo Sicherheit einen besonders hohen Stellenwert hat, bekommen Startup-Kooperationen schnell den Ruf, eher zum Geldverbrennen gut zu sein. Dabei gibt es längst ein Modell, das eine kosten- und zeiteffiziente Partnerschaft mit Startups ermöglicht: Venture Clienting. In vielen großen Industrieunternehmen ist Venture Clienting gängige Praxis, in der Finanzwelt hingegen weniger. Die LBBW ist eine der ersten Banken, die strategisches Venture Clienting als Innovationsvehikel einführt.
Kaufen statt Investieren – die Vorteile von Venture Clienting
Das Konzept hinter Venture Clienting lautet „Kaufen statt Investieren“. Die Bank tritt nicht als Investor auf und beteiligt sich finanziell am Startup, wie es bei einem Venture Capital (VC) Investment der Fall ist. Stattdessen wird die Bank beim Venture Clienting (VCL) in einer frühen Phase zum Kunden des Startups. Damit bietet der VCL-Prozess drei entscheidende Vorteile:
1. Schnellere Integration innovativer Technologien: Der Investitionsprozess kann bis zu einem Jahr dauern. Der Einkauf verläuft in der Regel wesentlich schneller. Dadurch kann der Innovationszyklus verkürzt und schneller auf Marktveränderungen reagiert werden.
2. Reduzierung des finanziellen Risikos: Die Bank kann als Venture Client auf externe Expertise und Technologien zugreifen, ohne hohe Investitionen in eigene Forschungs- und Entwicklungsprojekte tätigen zu müssen.
3. Venture Clienting ist skalierbar: Während Corporate Venture Capital Units normalerweise ein bis drei Investments pro Jahr tätigen, kann man im Venture-Client-Modell jedes Jahr von dutzenden Startups profitieren.
Insgesamt ermöglicht das der Bank also, schneller auf innovative Technologien zuzugreifen, Risiken zu minimieren und langfristige Partnerschaften mit vielversprechenden Startups aufzubauen. Aber wenn es so einfach ist, warum machen es dann nicht längst alle?
Die Herausforderungen von Venture Clienting im Bankensektor
Die Umsetzung von Venture Clienting im Bankensektor findet in besonders herausfordernden Rahmenbedingungen statt. Denn traditionelle Banken müssen umfassenden regulatorischen Anforderungen gerecht werden und legen großen Wert auf Sicherheit. Wenn weitreichende organisatorische Veränderungen eingeführt werden sollen, gilt es zudem, eine große Anzahl Stakeholder zu überzeugen. Denn die Herausforderung besteht auch darin, dass Banken es traditionell weniger gewohnt sind als Industrieunternehmen, mit Zulieferern zu arbeiten. Einkaufsprozesse weisen zurecht hohe Hürden auf, um Risiken zu minimieren. Für ein erfolgreiches Venture Clienting muss eng mit IT und Fachabteilungen zusammengearbeitet und ein klarer Business Impact geschaffen werden.
Strategisches Venture Clienting in der LBBW
Erst das Problem, dann die Startup-Lösung: Beim Venture Clienting verfolgt die LBBW einen Pull-Ansatz. Gemeinsam mit den Fachabteilungen und Zentralbereichen der Bank identifiziert das Innovation Lab der Landesbank relevante Problemstellungen. Wenn diese die Kriterien erfüllen, die eine Lösung durch ein Startup sinnvoll machen, wird der Venture-Client-Prozess angestoßen. In mehreren ineinandergreifenden Phasen konkretisiert das Innovation Lab die Problemstellung, identifiziert das Startup mit der passendsten Lösung und testet diese ausführlich.
Dieser strategische Venture-Clienting-Prozess standardisiert die Lösungssuche und die Zusammenarbeit mit Startups, verkürzt die Projektdauer, ermöglicht eine Flexibilisierung der Lieferfähigkeit der LBBW und trägt zur Diversifizierung ihres Leistungsangebots bei. Durch den gezielten Einsatz von Venture Clienting im Rahmen ihrer Innovationsstrategie stärkt die Landesbank also nicht nur ihre Zukunftsfähigkeit, sondern schafft einen echten Mehrwert für ihre Kunden.
Dominik Schütz
Landesbank Baden-Württemberg (LBBW)
Dominik Schütz leitet das Innovation Lab der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Das Innovation Lab ist dem strategischen Entwicklungsbereich Digitalisierung & Innovation der Bank zugeordnet.