Um zu ergründen, was in der eigenen Branche künftig passiert, müsse man gezielt jenseits deren Grenzen nach Trends suchen, die Einfluss auf seinen „home turf“ haben könnten, erklärte die Futurologin Amy Webb auf der South by Southwest (SXSW), wo sie ihren „Emerging Tech Trends Reports“ vorstellte. Sie gehört zu den Stammrednerinnen auf der weltweit wichtigsten Digitalkonferenz und bringt damit auf den Punkt, warum man als Banker zur SXSW geht, auch wenn hier Finanzthemen eher am Rande eine Rolle spielen.
Was Webb sonst noch in ihrem Trendreport prognostizierte: das Ende der Privatsphäre, weil immer mehr Daten über die persönliche Gen-Ausstattung, über physische Aktivitäten, über das Leben im Smart Home und andere persönliche Datenquellen zur Verfügung stehen; zum Standard werdende Sprachsteuerung für alle Geräte, mit denen wir umgehen; und weiter expandierende Tech-Giganten, die sich jedoch auf mehr Regulierung einstellen müssen, um ihre wachsende Macht wieder zu begrenzen.
Fintech Forward Basiscamp für Gründer
Eine der wenigen Finance-Veranstaltungen war das Fintech Forward Basiscamp für Finanzgründer, das dafür gleich an jedem Konferenzmorgen um 8:30 Uhr stattfand. Angelegt zwischen Talks und Workshops, richtete es sich an Start-ups, die sich auf finanziell benachteiligte Kundengruppen fokussieren. Ihnen wurden konkrete Handreichungen für Strategiefindung und -umsetzung von Experten verschiedener Disziplinen angeboten.
Viel beachtet, nicht nur aus Fintech-Perspektive, war der Auftritt der Winklevoss-Zwillinge, die als Gegenspieler von Mark Zuckerberg bei der Gründung von Facebook prominent wurden. Mit den Millionen, die sie von Zuckerberg für ihren Anteil an der Facebook-Entwicklung erhielten, haben sie ein Krypto-Universum inklusive einer der wenigen regulierten Krypto-Börsen aufgebaut. Sie bewarben Bitcoin als neue Anlageklasse, die Gold „disrupten“ wird.
Zukunftsthemen kritisch hinterfragt
Als Finanzmensch nimmt man am meisten von der SXSW mit, wenn man nicht nach den wenigen fachlich passenden Veranstaltungen jagt, sondern sich durch die verschiedenen Tracks treiben lässt oder sich einfach einen Tag in den Ballroom D setzt und verfolgt, mit welchen Themen die SXSW-Macher die Hauptbühne bespielen. Auch wenn dort die üblichen Themen wie technologische Entwicklungen, digitales Marketing und Markenaufbau, Design oder digitale Lebensführung eine wichtige Rolle spielten, war das Politische der beherrschende Faktor. Nicht nur, dass die Stars diesmal aus der Politik kamen: Die Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez rockte abends mit linken Ideen den Saal, in dem der CEO von Starbucks, Howard Schultz, morgens ein moderates Programm für seine Präsidentschaftskandidatur vorstellte (alter, reicher, weißer Mann vs. junge Working-Class- und Latino-Frau).
Auch durch die Talks mit den eingängigen SXSW-Themen zog sich das Politische wie ein roter Faden. Ging es vor Jahren noch um die „Moonshot-Projekte“, mit denen die Tech-Giganten eine gloriose Zukunft bauen wollten, diskutierte man jetzt darüber, wie ihre Macht zu beschränken, ihr Umgang mit Daten zu begrenzen sei. Auch die Mega-Zukunftsthemen wie Künstliche Intelligenz und Genmanipulation (und deren Kombination) wurde vorwiegend mit Blick auf ihre potenziellen Gefahren diskutiert: Verstärken sie die Ungleichheit und verlängern sie sie ins Physische? Wer hat künftig noch Arbeit und was passiert mit denen, die keine mehr haben? Was darf KI, was Biotechnologie und vor allem was nicht?
Regulierung wird breiter angelegt
Eine Erkenntnis für das Banking der Zukunft, die man von der SXSW mitnimmt, besteht etwa darin, dass Staaten Technologie und damit auch Finanztechnologie wesentlich stärker regulieren werden. Im Mittelpunkt werden dabei nicht mehr nur die klassischen Regulierungsthemen wie Finanzstabilität und Konsumentenschutz stehen, sondern Themen wie Ungleichheit, die für den Erfolg von autoritär-populistischen Politikmodellen verantwortlich gemacht wird, Nachhaltigkeit und Klima oder der Einsatz von neuen Technologien wie KI oder Gentechnik.