BANKINGCLUB: Herr Wibbe, Banken stehen derzeit vor zahlreichen Herausforderungen. Welche Probleme drängen aus Ihrer Sicht besonders?
Oliver Wibbe: Der größte Druck liegt bei der Digitalisierung von Prozessen. Viele Banken hinken hier noch hinterher, was besonders im Bereich des Kundenservices spürbar ist. Unsere aktuelle Studie, die wir zusammen mit dem Handelsblatt Research Institute durchgeführt haben, bestätigt das. Über die Hälfte der befragten Fach- und Führungskräfte schätzt den Handlungsdruck hier als besonders hoch ein. Dazu kommen der Fachkräftemangel und steigende Kosten. Die drei Themen hängen auch eng zusammen. Denn ohne ausreichend Fachkräfte und moderne digitale Lösungen sind Effizienzsteigerungen und damit auch Kostensenkungen schwer zu realisieren. Geldinstitute müssen deshalb an mehreren Stellschrauben gleichzeitig drehen. Sie müssen effizienter arbeiten und Kosten senken, ohne dabei an Qualität einzubüßen.
Die Herausforderungen sind also vielfältig. Welche Rolle spielt das Business Process Outsourcing (BPO) in diesem Kontext?
BPO, also das strategische Auslagern von Prozessen, bietet Banken die Chance, sich von administrativen, repetitiven Aufgaben zu befreien und sich auf ihre Kernkompetenzen, zum Beispiel eine gute Beratung, zu konzentrieren. Unsere Erfahrungen zeigen, dass Finanzinstitute durch Outsourcing-Maßnahmen ihre Kosten um bis zu 40 Prozent reduzieren können. BPO hat sich in den letzten Jahren von einer rein taktischen Maßnahme zur Kostensenkung zu einem strategischen Instrument entwickelt, bei dem mögliche Kostenersparnisse nicht an erster Stelle stehen. Denn Banken in Deutschland suchen Strategien, wie sie mit dem Fachkräftemangel umgehen, wie sie die Digitalisierung ihrer Institute beschleunigen und ihre IT modernisieren. Unsere Befragung zeigt, dass mehr als 60 Prozent der deutschen Banken BPO für geeignet halten, um genau diese Herausforderungen zu bewältigen. Ein Drittel plant, in Zukunft mehr Prozesse auszulagern, und zwei Drittel der Geldinstitute rechnen damit, dass dieser Trend in den nächsten fünf Jahren noch zunehmen wird.
Welche Prozesse eignen sich besonders für das Outsourcing und wie profitieren Banken davon?
Besonders geeignet sind klassische Backoffice-Prozesse, die sich gut standardisieren und automatisieren lassen und weniger direkt das Kerngeschäft betreffen. Dazu zählen zum Beispiel das Dokumentenmanagement, die Stammdatenpflege und die Zahlungsabwicklung. Diese Prozesse sind in Banken zwar notwendig, binden jedoch Ressourcen, die anderswo strategisch besser eingesetzt werden könnten. Externe Dienstleister können bessere Kundenerlebnisse schaffen, die gleichzeitig durch Skaleneffekte auch oft effizienter und günstiger sind. Zudem bleibt die Bank technisch immer auf dem neuesten Stand, da der Dienstleister in moderne IT-Lösungen investiert, die für eine einzelne Bank zu aufwändig oder teuer wären. So profitieren beide Seiten: Die Bank bietet seinen Kunden ein gutes Erlebnis, senkt ihre operativen Kosten und Risiken, während sie ihre Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit steigert, indem sie ihre internen Ressourcen auf strategisch wichtige Aufgaben fokussiert. Ein weiteres Argument für BPO ist die Flexibilität. In Zeiten des Fachkräftemangels können Institute auf qualifiziertes Personal zugreifen, ohne selbst in die Ausbildung oder Rekrutierung investieren zu müssen.
Gibt es auch Risiken bei der Auslagerung von Prozessen?
Natürlich bringt jede strategische Entscheidung Risiken mit sich. Beim BPO sind es vor allem die Themen Datenschutz und Compliance, die sehr sorgfältig behandelt werden müssen. Banken müssen sicherstellen, dass ihre Dienstleister über die nötigen Kompetenzen und Ressourcen verfügen, um diese Anforderungen zu erfüllen. Ein weiterer Punkt ist das Risiko, von externen Partnern abhängig zu werden. Viele Institute haben Bedenken, weil sie den Verlust der Kontrolle über wichtige Prozesse fürchten. Wenn der Dienstleister nicht die erwartete Qualität liefert oder seine eigenen Herausforderungen hat, kann dies die Bank direkt beeinträchtigen. Hier gilt es, klare Verträge und passende Vereinbarungen zu treffen, um die gewünschte Qualität und Flexibilität sicherzustellen.
Welche Empfehlungen würden Sie Banken geben, die BPO in Erwägung ziehen?
Banken sollten BPO nicht als kurzfristige Lösung, sondern als festen Bestandteil ihrer langfristigen Strategie betrachten. Es ist wichtig, mit einem Partner zusammenzuarbeiten, der nicht nur die technischen Anforderungen erfüllt, sondern auch ein breites Serviceportfolio bietet. Nur so kann die gewonnene Flexibilität tatsächlich genutzt werden, ohne dass die Komplexität im Management unnötig ansteigt. Wenn Banken diese Aspekte berücksichtigen, steht einem erfolgreichen Einsatz von BPO nichts im Wege.
Wie schätzen Sie die Zukunft von BPO in der Finanzbranche ein?
Die Bedeutung von BPO wird in den nächsten Jahren weiter steigen. Besonders mittlere und große Institute erkennen in BPO eine Chance, ihre Flexibilität zu erhöhen und auf internationale Fachkräfte zurückzugreifen, um den wachsenden Anforderungen gerecht zu werden. Langfristig wird BPO ein integraler Bestandteil der Geschäftsstrategie von Banken sein, um im zunehmend digitalen und wettbewerbsintensiven Markt erfolgreich zu bestehen.
Oliver Wibbe
SPS Germany GmbH
Oliver Wibbe ist als Geschäftsführer der SPS Germany GmbH für die Vertriebs- und Business Development-Aktivitäten in Deutschland verantwortlich. Seine Position beinhaltet zudem die Verantwortung für Marketing, Kommunikation und für strategische Projekte. Er ist Experte für die digitale Transformation von Unternehmen und verfügt über umfangreiche Erfahrung in den Bereichen Outsourcing und Shoring sowie in IT-Lösungen und -Dienstleistungen für verschiedene Branchen.
Tipp: Sie sind an weiteren Interviews interessiert? Dann lesen Sie hier das Interview mit dem Leiter Personal Banking Dominik Hennen der Deutschen Bank und Postbank. Unsere Vorstandsinterviews finden Sie hier.