Was ist Cloud Computing?

BANKINGNEWS sprach dazu mit Dr. Walter Kirchman, dem Vorsitzenden der Geschäftsleitung von Finanz Informatik Technologie Service (FI-TS). BC: Vielerorts hört man dieser Tage Begriffe wie ‚Cloud-Computing‘ oder ‚Cloud-Services‘. Was genau verbirgt sich dahinter? Dr. Kirchmann: Cloud-Computing ist die Auslagerung von Rechenleistung, Speicherkapazitäten und Anwendungen in eine ‚Wolke‘ – also einen öffentlichen oder privaten Bereich des…


BANKINGNEWS sprach dazu mit Dr. Walter Kirchman, dem Vorsitzenden der Geschäftsleitung von Finanz Informatik Technologie Service (FI-TS).

BC: Vielerorts hört man dieser Tage Begriffe wie ‚Cloud-Computing‘ oder ‚Cloud-Services‘. Was genau verbirgt sich dahinter?
Dr. Kirchmann: Cloud-Computing ist die Auslagerung von Rechenleistung, Speicherkapazitäten und Anwendungen in eine ‚Wolke‘ – also einen öffentlichen oder privaten Bereich des Internets. Der Anwender muss dann nicht mehr selbst in Hard- und Software investieren, sondern nutzt die in den Rechenzentren von Cloud-Anbietern betriebenen Anwendungen als Service. Grundsätzlich unterscheidet man beim Cloud-Computing zwischen einer ‚Private Cloud‘ und einer ‚Public Cloud‘ – je nachdem, wie die in Anspruch genommenen Kapazitäten bereitgestellt werden. Erfolgt der Zugriff auf flexibel skalierbare IT-Ressourcen, die nur dem eigenen Unternehmen bzw. Konzern zur Verfügung stehen, spricht man von der ‚Private Cloud‘. Nutzen viele Unternehmen die gleiche IT-Infrastruktur, spricht man von ‚Public Cloud‘. Bei dem Zugriff auf Applikationen in einer Cloud ist das Endgerät – ein PC, Laptop, Tablet-PC oder Smartphone – das ‚Fenster‘ zur Anwendung. Diese aber läuft nicht mehr direkt auf dem Endgerät sondern im Rechenzentrum des Unternehmens oder Service-Providers. Wer im privaten Umfeld zum Beispiel GMX oder Facebook nutzt, vertraut schon auf Cloud-Services.

BC: Welche konkreten Vorteile bieten sich Finanzinstituten und wie können sie diese effektiv und effizient nutzen?

Dr. Kirchmann: In erster Linie sind es direkte und nachhaltige Kosteneinsparungen. Banken können durch die Nutzung von Cloud-Services ihre Investitionen in Hard- und Software minimieren und die Kosten für die Wartung und den Betrieb ihrer IT senken. Ein weiterer Vorteil ist die Abrechnung der Cloud-Dienste: Sie erfolgt typischerweise sehr flexibel, indem nur der tatsächliche Verbrauch berechnet wird. Durch die Nutzung von Cloud-Computing können Banken schnell neue und innovative Technologien einsetzen, die dafür benötigten Rechen- und Speicherkapazitäten individuell hinzu buchen oder reduzieren und so die Zeit bis zur Produkteinführung für ihre eigenen Angebote verkürzen. Letztlich profitieren sie von geringeren IT-Kosten, einer höheren Innovationsgeschwindigkeit, einem hohen Maß an Flexibilität und einer besseren Energieeffizienz.

BC: Nehmen wir nur mal das aktuelle Beispiel Sony. Dort wurden aus einer virtuellen Datenbank unzählige hochbrisante Nutzerdaten gestohlen. Nun die kritische Gegenfrage: Hat die Cloud nicht auch einige Schattenseiten?
Dr. Kirchmann: Bisher gibt es vorwiegend Sicherheitsbedenken. Und gerade im Finanzsektor spielen sensible Daten und umfangreiche Regulierungsvorschriften natürlich eine große Rolle. Daher ist es wichtig, dass sich Finanzinstitute auf die richtlinienkonforme Umsetzung dieser Vorschriften durch den Cloud-Anbieter verlassen können. Dabei spielt auch Vertrauen eine wichtige Rolle. Bislang sind Cloud-Services im Finanzsektor eher Neuland. Aus diesem Grund werden viele der angebotenen Dienste auch noch in einer Private Cloud betrieben. Zudem muss bei den Instituten die Bereitschaft noch wachsen, sich von dem Konzept der ‚Individuallösung‘ zu trennen. Denn um die Vorteile der Cloud-Computing nutzen zu können, müssen sich Finanzinstitute auf die in der Wolke eingesetzten Standardtechnologien einlassen. So können sie bei uns z. B. SAP aus der Cloud beziehen. Bei anderen Anbietern sollten natürlich gerade Bankhäuser sicherstellen, dass ihre Daten – allen voran die personenbezogenen – wirklich in Deutschland liegen und der Cloud-Anbieter alle regulatorischen Anforderungen der Finanzbranche erfüllt.

BC: Wenn man sich für eine Cloud-Lösungen entscheidet, wie gestaltet sich der Umstieg und die Implementierung?

Dr. Kirchmann: Zunächst einmal gilt: Cloud-Computing ist eine Evolution und keine Revolution des klassischen Outsourcings. Das bedeutet, Finanzinstitute müssen zunächst intern die Bereiche identifizieren, die am meisten von einem Cloud-Angebot profitieren. Dabei gilt es zu eruieren, welche Anwendungen sich am ehesten für die Nutzung in der Cloud eignen und welche Anpassungen dazu notwendig sind. Dann müssen die Institute ihre eigene IT-Landschaft und ihre individuellen Anwendungen Cloud-fähig machen. Wir empfehlen hier eine Strategie der kleinen Schritte. So können die Institute zunächst intern die nötige Erfahrung sammeln, wie sie ihre Cloud-Projekte erfolgreich steuern. Und wir raten, den Prozess zusammen mit einem branchenerfahrenen Serviceanbieter anzugehen. So kann man gemeinsam eine Testumgebung für erste unkritische Anwendungen wie z. B. ein internes Zinsberechnungstool aufbauen und diese in der Cloud erproben. Das gibt Finanzinstituten die Chance, den Cloud-Anteil ihrer Anwendungslandschaft nach und nach auszubauen. Läuft dabei alles gut, können große geschäftskritische Anwendungen folgen. Für den Umstellungsprozess sollte man auf alle Fälle ein paar Jahre Zeit einplanen.

BC: Wo sehen Sie die Zukunft der Cloud und welche Herausforderungen für Banken ergeben sich daraus?

Dr. Kirchmann: Cloud-Computing wird Normalität. Durch die zunehmende Nutzung von Cloud-Anwendungen im privaten Bereich wie Google Docs werden die Hemmschwellen auch bei Unternehmen sinken. Grundsätzlich sollten Banken vor der Inanspruchnahme von Cloud-Services dieselben Punkte prüfen, die sie auch bei einem klassischen Outsourcing bedenken. Allen voran Aspekte der Rechtssicherheit (Compliance, Governance, Sicherheit) und der Vertragssicherheit (Datenschutz, Ort der Datenspeicherung, Zugriff auf Subunternehmer). In der Zukunft wird es viele weitere neuartige und unterschiedliche Endgeräte geben, mit denen die Anwender arbeiten. Daten und Applikationen werden dann immer öfter in der Cloud liegen und die Anwender greifen über entsprechende Schnittstellen darauf zu. Je standardisierter die Technologie für den Zugriff auf die Daten ist, desto mehr profitieren Finanzinstitute von den Synergieeffekten der Cloud.

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