,

Kontantfri: Spinnen die, die Schweden?

„Die spinnen, die Schweden“, mag vielleicht so manch ein Deutscher denken. Denn hierzulande hängt man ja bekanntlich sehr am Bargeld. Im nordischen Land sieht man das ein wenig anders. 


Schafft Schweden wirklich bald das Bargeld ab? Und wie sieht es in Deutschland aus?

„Kontantfri“, das bedeutet „kein Bargeld“ oder „bargeldlos“ auf Schwedisch. Wenn man das vor Läden und Gastronomiebetrieben in Schweden lesen kann, weiß man: Hier ist nur Kartenzahlung akzeptiert.

Oft heißt es auch: „Vi hanterar ej kontanter“ = „Wir akzeptieren kein Bargeld“. Tatsächlich ist das in Schweden bei den meisten Anbietern so. Der Handel hat sich beinahe komplett auf Kartenzahlungen ausgerichtet. Das gilt auch für Kleinstbeträge. „Kartenzahlung erst ab einem Betrag von 50 Euro“ – Fehlanzeige. Entsprechend ist auch die Zahl der Geldautomaten in dem nordischen Land rapide gesunken. Sie sind beinahe nur noch an größeren Knotenpunkten zu finden. Auch in zahlreichen Bankfilialen bekommt man keine Scheine und Münzen mehr.

Und mehr noch: Bis 2030, an anderen Stellen hört man sogar 2023, soll das Bargeld gänzlich aus dem Staat verschwunden sein. Beinahe ironisch, wenn man bedenkt, dass Schweden 1661 als erstes europäisches Land überhaupt Bargeld druckte.

2010 gaben 39 Prozent der Schweden an, dass sie ihren letzten Kauf bar bezahlt haben. 2018 waren es nur noch 13 Prozent. Gleichzeitig gaben rund 40 Prozent an, dass sie im letzten Monat kein Bargeld verwendet haben. Das geht aus einer Umfrage der Schwedischen Zentralbank hervor.

Schweden „swisht“ – und Deutschland?

Das liegt auch daran, dass man im nordischen Land technisch auf dem neuesten Stand ist: Dort lassen sich selbst das Busticket oder die Parkgebühren oft nicht mehr bar bezahlen, von größeren Ausgaben wie Elektronik oder Wocheneinkäufen mal ganz abgesehen. Mobile Zahlungssysteme, wie die von sechs Großbanken entwickelte App „Swish“, sind überaus populär und werden nahezu überall akzeptiert.

Wie sieht es in Deutschland aus? Der Trend geht bekanntlich in Richtung Convenience – und kontaktloses Bezahlen ist convenient und wird daher auch hierzulande immer populärer. Besonders die Corona-Pandemie beschleunigt die „freiwillige Abschaffung“ des für manche als unhygienisch geltenden Bargelds. Auch unter dem Gesichtspunkt Nachhaltigkeit steht das Bargeld – im Vergleich zur Karte – nicht gut da.

So sagte etwa Hendrik Norbisrath, Bereichsleiter Transaction Banking bei der TARGO Dienstleistungs GmbH, im BANKINGNEWS-Interview: „Persönlich finde ich Nachhaltigkeit sehr wichtig. Deshalb sehe ich den ökologischen Fußabdruck von Papiergeld in seinem gesamten Lebenszyklus durchaus kritisch“ und erläutert: „Es beginnt bei der Gewinnung der Baumwollfaser und endet mit der Entsorgung der Geldscheine. Dazwischen liegen unzählige Versorgungsfahrten, alles zusammen sind das also riesige CO2-Äquivalente. Im Vergleich dazu ist bargeldloses Zahlen mittelbar sicherlich umweltfreundlicher und sollte auch deswegen weiter ausgerollt werden.“

In der BANKINGNEWS-Ausgabe 278 kommen weitere Payment-Experten zu Wort und widmen sich dem komplexen Bereich im Themenspecial Payment von verschiedenen Seiten. Die große Frage bleibt: „Wie zahlen wir in Zukunft?“ Darüber wird auch auf dem BANKINGCLUB-Kongress Next Generation Payment 2020 bei der Podiumsdiskussion debattiert werden.

Gut für Banken, schlecht für die Bürger?

Und die Banken? Kreditinstitute haben durchaus ein Interesse daran, dass weniger Bargeld im Umlauf ist. Schließlich müssen Geldautomaten gewartet und bestückt, Geld muss transportiert, gelagert und gezählt werden. Das heißt: hohe Kosten und keine hohen Erträge. Bei Mobile oder Digital Payments kehrt sich das um.

Man kann sie förmlich hören, die kritischen Stimmen und die Warnungen vor dem  „gläsernen Bürger“. Natürlich haben sie ihre Daseinsberechtigung. Denn nicht nur werden dann alle Transaktionen sichtbar und der Bankkunde wird in der Tat „durchschaubar“, sondern Bürgern wird auch die freie Wahl des Zahlungsmittels genommen. Die Entscheidung „bar oder Karte“ gibt es dann nicht mehr. Und so ist auch der Trend in Schweden mittlerweile rückläufig und die Bürger sprechen sich wieder häufiger für die Möglichkeit aus, mit Scheinen und Münzen zu bezahlen.

Daily-Highlights: Sie möchten mehr von unseren Dailys? Dann lesen Sie hier mehr über einen Mann, der Geld-Geschichte schrieb oder schauen Sie in unsere Glosse: Nach der Stiftung Preußischer Kulturbesitz soll nun auch die Deutsche Bank aufgelöst werden.