Steigende Kreditausfallrisiken proaktiv angehen

Die Pandemie ist vorbei, die Inflation nimmt ab. Doch für Banken ist die Gefahr durch steigende Kreditausfälle noch nicht gebannt. Was sie jetzt besonders beachten müssen, erklärt Karlheinz Walch, Leiter des Zentralbereichs Banken und Finanzaufsicht bei der Deutschen Bundesbank.


Ein Bankmitarbeiter surft auf zwei Graphen, die nach oben führen

Während Zinsänderungsrisiken angesichts der Zinswende und den Bankturbulenzen im Frühjahr in aller Munde sind, erhalten Kreditrisiken in der öffentlichen Diskussion derzeit weniger Aufmerksamkeit – zu Unrecht! Denn auch wenn bis Ende 2022 in Deutschland die Zahl der beantragten Unternehmensinsolvenzverfahren nicht deutlich gestiegen ist, dürfen sich Institute nicht in falscher Sicherheit wiegen. 2022 lag die Zahl der Anträge gemäß Statistischem Bundesamt bei weniger als 15.000 und damit deutlich unter dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre.

Ausfallrisiken nicht zu unterschätzen

Die geringen Ausfallraten der vergangenen Jahre haben dazu beigetragen, dass sich die Risikovorsorgebestände der Institute sowie der Anteil notleidender Kredite am Kreditbestand im Bankensystem auf einem historisch niedrigen Niveau befinden. Ursächlich für die niedrigen Ausfallquoten waren zum Teil die staatlichen Hilfszahlungen und wirtschaftspolitischen Stützungsmaßnahmen, zunächst während der Corona-Pandemie und später im Kontext des Ukraine-Kriegs. Sie sind ein Grund dafür, dass sich der Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Kreditrisiken gelockert hat. Denn mit den staatlichen Hilfen konnten viele Unternehmen und Haushalte die wirtschaftlich schwierigen Zeiten überbrücken. Diese Maßnahmen waren zwar richtig, können aber nicht von Dauer sein. Hinzu kommen das hohe Maß an makroökonomischer Unsicherheit und die stockende Konjunktur – für das laufende Jahr prognostiziert die Bundesbank einen Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts in Deutschland um 0,3 Prozent.

Zusätzlich wird es für Unternehmen und Haushalte schwieriger, ihre Schulden zurückzuzahlen, weil die Finanzierungskosten gestiegen und das verfügbare Einkommen gesunken sind. Auch der Markt für Gewerbeimmobilien hat sich beispielsweise durch Preisrückgänge und Leerstände negativ entwickelt. Gerade dies birgt das Risiko, dass Kreditnehmer vermehrt in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Banken dürfen daher nicht die Möglichkeit unterschätzen, dass die niedrigen Ausfallquoten der vergangenen Jahre ansteigen. Dementsprechend müssen die Institute bei ihren Kreditrisikomodellen kritisch prüfen, wo die Daten der Vergangenheit nicht mehr angemessen sind, um aktuelle und künftige Risiken abzuschätzen. Denn die Risikomodelle sind nicht dafür „trainiert“, in einem Szenario gestiegener Zinsen, sektoraler Anpassungen durch den Strukturwandel und hoher makroökonomischer Unsicherheit verlässliche Ergebnisse zu liefern. Umso wichtiger ist es, dass die Institute eine angemessene Risikovorsorge betreiben. Gewinnausschüttungen sollten anhand eines strengen Maßstabs für die künftige Widerstandsfähigkeit der Institute geprüft werden.

Kreditrisiken im Fokus der Aufsicht

Die Aufsicht legt ein besonderes Augenmerk auf das Thema Kreditrisiken. BaFin und Bundesbank haben ihre Erwartungen, wie Kreditinstitute mit Kreditrisiken umgehen sollten, in der kürzlich veröffentlichten 7. MaRisk-Novelle weiter konkretisiert. Beider laufenden Überwachung des Kreditrisikos sind die Institute beispielsweise aufgefordert, relevante Daten vorzuhalten, um das Risiko von Kreditausfällen angemessen überblicken und beurteilen zu können. Hierunter fallen beispielsweise Finanzdaten zum Kreditnehmer oder Daten zu Kreditsicherheiten. Aber auch bei der Kreditwürdigkeitsprüfung ihrer unterschiedlichen Kundengruppen sollen die Institute zukünftige ungünstige Ereignisse wie etwa Zinserhöhungen stärker berücksichtigen.

Angemessene Prozesse und Verfahren bei der Gewährung von Forbearance-Maßnahmen müssen die Kreditinstitute bereits seit der 6. MaRisk-Novelle sicherstellen. Forbearance bedeutet jede Art von Zugeständnissen, die Banken ihren Kreditnehmern aufgrund sich abzeichnender oder bereits eingetretener finanzieller Schwierigkeiten machen, etwa eine Tilgungsaussetzung oder -reduzierung. Letztendlich ist das Ziel, dass Banken durch gezielte Maßnahmen eine weitere Verschlechterung der Kreditqualität bis hin zu einem möglichen Kreditausfall abwehren. Die europäische und die deutsche Bankenaufsicht werden weiterhin genau beobachten, wie sich Kreditausfallrisiken entwickeln und wie die Kreditinstitute damit umgehen. Für die Institute gilt es, Kreditrisiken proaktiv anzugehen: mit geordneten Kreditprozessen, einem robusten Risikomanagement und einem funktionierenden internen Kontrollsystem.

Karlheinz Walch

ist Leiter des Zentralbereichs Banken und Finanzaufsicht bei der Deutschen Bundesbank


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