Geboren wurde Eugen Gutmann am 24. Juni 1840 in Dresden. Der Sohn des jüdischen Bankiers Bernhard Gutmann gilt als Gründer der Dresdner Bank. Denn auf seinen Impuls hin erfolgte am 12. November 1872 die Umwandlung des Privatbankhauses Michael Kaskel in die Aktiengesellschaft Dresdner Bank. In dieser Gründer-Funktion ist Eugen Gutmann vielen in der Branche bis heute in Erinnerung geblieben. Und auch die historische Gesellschaft der Commerzbank, in der die Dresdner Bank aufging, trägt seinen Namen.
Gegründet wurde die Eugen-Gutmann-Gesellschaft 2002 durch die Dresdner Bank und sie möchte „das Interesse an der Geschichte der Commerzbank und der Dresdner Bank sowie an der allgemeinen Bank- und Finanzgeschichte wecken und stärken“. Darüber hinaus fördert die Gesellschaft Forschungsprojekte zur Bank- und Finanzgeschichte und setzt sich durch die Vergabe von Stipendien für den akademischen Nachwuchs ein.
Das Motto der Gesellschaft ist „Zukunft braucht Erinnerung“. Erinnert man sich heute an ihren Namensgeber, ist es gar nicht so einfach, Fakt von Fiktion oder Mythos von Historie zu unterscheiden, wie PD Dr. Dieter Ziegler von der Ruhr-Universität Bochum in seiner Rede anlässlich der konstituierenden Mitgliederversammlung der Eugen-Gutmann-Gesellschaft am 3. April 2003 feststellt. Doch wieso ist das so? „Über Eugen Gutmann etwas zu sagen, ist schwierig, wenn man nicht dem Mythos der ‚großen Männer‘ aufsitzen will. Denn er hat erstaunlich wenig Spuren hinterlassen“, sagt Ziegler. Gründe seien fehlende Überlieferungen und eine gewissermaßen „unterentwickelte“ Unternehmenskommunikation.
Eugen Gutmann: Privatbankier in einer Großbank
Eugen Gutmann sei ein Allein-Entscheider gewesen. Obwohl er mit der Dresdner Bank eine Großbank geleitet habe, sei sein Führungsstil der eines Privatbankiers (immerhin ist er auch der Sohn eines Privatbankiers). Ziegler sagt dazu: „Für eine Aktienbank mit angestellten Vorstandsmitgliedern war der Führungsstil von Eugen Gutmann wohl einmalig“. Gutmann entschied oft spontan, jedoch nicht unüberlegt. Oft bewies er Geschick und Verstand. Ein wenig Glück gehörte natürlich mit dazu.
„So hat Kommerzienrat Gutmann der Dresdner Bank ihre Richtlinien nicht nur vorgezeichnet, sondern sie auch mit größtem Erfolg in die Wirklichkeit übertragen und damit ein Fundament aufgebaut, auf welchem eine gesunde Weiterentwicklung erfolgen kann und wird“, hieß es entsprechend 1912 in der Berliner „Täglichen Rundschau“ in einem Artikel zum 40. Jubiläum der Dresdner Bank, den Ziegler zitiert.
Auch wenn Eugen Gutmann im Lauf der Zeit nicht immer als „großer Mann“ gewürdigt wurde und auch einige Fehlentscheidungen getroffen hat, führte sein Krisenmanagement dazu, dass „seine“ Dresdner Bank die Gründerkrise 1873 beinahe schadenfrei überstand. Auch steuerte er das Geldhaus gut durch die Krise im Jahr 1901.
Eine wichtige Grundlage für den Erfolg der Dresdner Bank war die Eröffnung von Depositenkassen. Als besonders zukunftsträchtig erwies sich allerdings die Gründung der Berliner Filiale 1881. Sie entwickelte sich bald zur umsatzstärksten Geschäftsstelle und wurde 1884 zum Hauptsitz erklärt. Insgesamt schuf Gutmann ein enges Filialnetz, darunter Niederlassungen in Bremen, Hamburg, Leipzig, Mannheim, Frankfurt und schon seit 1895 in London. Das Ziel war es, möglichste viele Kundenschichten anzusprechen. Diese Strategie verfolgte der Bankier als einer der ersten in Deutschland.
Und sie ging auf: Unter der Leitung Gutmanns entwickelte sich die Dresdner Bank zu einem Weltkonzern. 1914 verfügte das Kreditinstitut über ein Aktienkapital von 200 Millionen Mark und rund 5.000 Angestellte. 1920 trat Gutmann, im Alter von 80 Jahren, als Leiter der Dresdner Bank zurück.
Der Bankier, der sich auch als Kunstmäzen und -sammler betätigte, starb am 21. August 1925. Er wurde 85 Jahre alt.
Die weitere Entwicklung der Dresdner Bank
Wie ging es mit der Dresdner Bank nach dem Tod des langjährigen Leiters weiter? In Folge einer schweren Bankenkrise wurden die Darmstädter und Nationalbank (Danatbank) und die Dresdner Bank am 11. März 1932 per Verfügung der Reichsregierung verschmolzen. Nach dem Zweiten Weltkrieg bestimmten die Besatzungsmächte die Schließung und Enteignung aller Niederlassungen in der sowjetischen Zone sowie die der Zentrale in Berlin.
In der amerikanischen Zone betrieben die Alliierten eine Dezentralisierungspolitik. Aus den westlichen Filialen der Dresdner Bank wurden insgesamt elf Teilinstitute, die 1952 zu den Nachfolgeinstituten Hamburger Kreditbank AG, Rhein-Ruhr Bank AG und Rhein-Main Bank AG zusammengeführt worden sind.
Die Hauptversammlungen dieser drei Nachfolgeinstitute bestimmten im Mai 1957 rückwirkend zum 1. Januar 1957 die Fusion zur Dresdner Bank AG mit Sitz in Frankfurt am Main. 1970/1971 wurde mit einer grundlegenden Neustrukturierung begonnen. Erst dann wurden die Aufgaben in Frankfurt zentralisiert und mit der Zusammenfassung der inländischen Geschäftsstellen zu 14 neuen Niederlassungsbereichen mit einheitlichem organisatorischem Aufbau begonnen. 1973 war die Transformation zum größten Teil abgeschlossen.
In den 1990ern arbeitete das Kreditinstitut vor allem an einer gesamtdeutschen Ausrichtung. Am 1. Oktober 1990 erfolgte die Fusion der 1949 als Bank für Industrie und Handel gegründeten Dresdner Bank Berlin AG mit der Dresdner Bank AG. Im Jahr 2000 scheiterten gleich zwei Fusionsvorhaben: eines mit der Deutschen Bank und eines mit der Commerzbank.
Tipp: Lesen Sie die Dailys zur Gründung der Deutschen Bank und der Commerzbank.
Im Juli 2001 wurde das Übernahmeangebot der Allianz an die Aktionäre der Dresdner Bank mit dem Erwerb der Mehrheit des Aktienkapitals erfolgreich abgeschlossen. Fortan arbeitete die Dresdner Bank als „Kompetenz-Zentrum Banking“ in der Allianz Group. Auch wenn hier die Bancassurance-Strategie nicht aufging und die Dresdner Bank 2009 mit der Commerzbank verschmolzen wurde, erlebt das Thema Bancassurance derzeit einen Aufschwung. Ein Trend, der sich in den kommenden Jahren wohl fortsetzen wird.
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