Digitalisierung im Wholesale-Banking: Big Bang oder Vertreibung aus dem Paradies?

Das Wholesale-Banking schien lange Zeit ein Stiefkind der Digitalisierung zu sein, doch dieser Eindruck täuscht. Um die Fortschritte in diesem Markt zu bewerten, lohnt ein Blick auf die bisherige Entwicklung im Retail-Segment.


Bedeutet die Digitalisierung im Wholesale-Bereich den großen Knall für Banken? Bildnachweis: iStock.com/pederk

Die Entwicklungsimpulse der Digitalisierung – von etablierten Banken lange belächelt – kamen vielfach von den Fintechs. Nachdem dort anfänglich mehr oder minder gelungene Apps und der inflationäre Gebrauch des Wortes „disruptiv“ an die Stelle valider Business-Modelle getreten zu sein schienen, wichen diese Fehlentwicklungen schnell einer Professionalisierung.
Wenig überraschend nahmen diese Entwicklungen ihren Anfang in Prozessausschnitten des Retailbankings, die leicht zu digitalisieren waren wie Zahlungsverkehr und Payment. Darüber hinaus war dieser Bereich leicht angreifbar, denn die letzte echte Innovation seitens der Banken in diesem Segment war die EC-Karte, die in den achtziger  Jahren eingeführt wurde. Die Anfänge der Digitalisierung im Wholesale-Segment sind ähnlich, der Verlauf wird mit einiger Sicherheit aber ein anderer sein. Gründe dafür sind:

• Eine höhere Komplexität der Produkte
• Eine höhere Komplexität bei Execution und Fulfilment
• Grenzüberschreitendes Geschäft unter verschiedenen Jurisdiktionen
• Deutlich höherer Regulierungsumfang

Das alles bedeutet nicht, dass die Digitalisierung deswegen im Wholesale-Segment nicht voranschreiten wird. Sie wird anders voranschreiten und sie wird auf Basis anderer Kooperationsmodelle stattfinden, als das im Retail-Segment der Fall war.
Bereits jetzt lässt sich eine Konvergenz der an sich grundverschiedenen Player beobachten. Banken haben Innovationszentren gegründet oder sich im Rahmen von Kooperationen erschlossen und Fintechs beginnen, sich über den Umfang der Regulierung des Bankgeschäfts zu beklagen.

Disruptiver Urknall

Der von manchen erwartete Ansturm auf Banklizenzen ist ausgeblieben. Kein Wunder, betrugen doch die Kosten für Umsetzung und operativen Betrieb von regulatorischen Anforderungen bei deutschen Banken seit 2010 ca. zwei Milliarden Euro jährlich.  Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2016 beliefen sich die Investitionen in deutsche Fintechs auf 293 Millionen Euro im Jahr.
Der disruptive Urknall durch die Fintechs wird daher wohl im deutschen Wholesale-Banking nicht stattfinden. Im Gegensatz zu den USA oder China existiert in Europa und speziell in Deutschland eine andere Risikokultur, ein weiterer limitierender Faktor ist die Verfügbarkeit von Risikokapital.
Die marktverändernden Entwicklungen im Wholesale-Bereich kommen oft in Gestalt von Plattformen daher, etwa  als Devisen- oder Kreditvergabeplattformen. Charakteristisch für diese Plattformen ist, dass sie ohne die klassische Funktion des Intermediärs auskommen und daraus oft ableiten, dass sie schneller, besser und kostengünstiger sind.

Abgesänge werden leiser

Wie gut es den neuen Plattformen gelingt, auch ohne Intermediär beispielsweise die Qualität von Kreditforderungen zu bewerten, wird sich zeigen. Spannend dürfte auch die Reaktion des Regulierers sein, wenn ein signifikantes Geschäftsvolumen abseits der umfassend regulierten klassischen Wege stattfindet. Die Abgesänge auf das Wholesale-Banking sind schon deutlich leiser geworden, joining forces entwickelt sich zur dominanten Strategie.