Fintechs bieten nicht nur Lösungen rund um Bezahlsysteme, wie PayPal oder Stripe, sondern auch für Geldanlagen, Kredite und Versicherungen. Die Überarbeitung der Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2) Ende 2015 zwingt das klassische Bankensystem bis 2017 zur Öffnung des Zugangs für Bankprozesse und Kundendaten. Damit erschließen sich Möglichkeiten für viele neue Formen der Fintechs, wie etwa White Label Banking, API-Banking oder Banking-as-a-Service. In vielen Fällen sind es gar nicht Kosten oder technische Leistungsfähigkeit, die die potentiell disruptive Kraft der Fintechs prägen. Mit PayPal kann man Geld transferieren oder im Online-Shop bezahlen. Das ist nichts, was nicht auch mit der klassischen Überweisung oder Lastschrift möglich wäre. Die eigentliche Innovation liegt in der gebotenen User Experience, also der Gesamterfahrung, die der Nutzer bei der Interaktion mit der Lösung eines Unternehmens hat. Fintechs machen die Finanzwelt einfacher, schneller und schöner. Und genau dadurch können sie den etablierten Playern gefährlich werden.
Der persönliche Kontakt nimmt immer weiter ab
Dazu kommt, dass der direkte persönliche Kontakt zwischen Kunde und Berater immer weiter abnimmt. Der überwiegende Teil der Interaktionen zwischen Kunde und Bank findet über elektronische Kanäle statt. Und das nicht nur im Bereich des Online-Bankings: Auch im Marketing und in der Produktberatung werden Websites, Newsletter und Konfiguratoren zu immer wichtigeren Kontaktpunkten zwischen den Marktteilnehmern. Der Großteil der Kunden hat kein Problem mit dieser Veränderung. Entgegen der landläufigen Meinung sind laut einer Erhebung von Ernst & Young 70 Prozent der Befragten sogar bereit, für eine bessere Servicequalität mehr Informationen preiszugeben. Sie wünschen sich auf sie zugeschnittene, relevante Inhalte statt der meist vorherrschenden aggressiven Werbung.
Wichtige Faktoren für die Zufriedenheit sind hierbei sowohl angepasste Beratung und Empfehlungen als auch Konsistenz der Darstellung über verschiedene Plattformen hinweg, eine positive User Experience und eine angemessene Personalisierung. Gerade der zuletzt genannte Punkt – also die individuelle Anpassung der Benutzerschnittstellen auf die Bedürfnisse des Nutzers – ist eine mögliche Antwort auf den fehlenden direkten Kontakt zum Kunden. Im besten Fall schaffen die neuen Möglichkeiten der Informationsgewinnung, -zusammenführung und -auswertung sogar Mehrwerte, die in der klassischen Beratersituation nur bedingt erreichbar sind. Bisher werden diese Möglichkeiten in der Bank- und Versicherungsbranche allerdings nicht ausreichend genutzt.
Durch stetige Analysen die User Experience überprüfen
Dabei ist aber in jedem Fall elementar, diese neuen Möglichkeiten nicht nur anzubieten, sondern auch durch eine stetige Analyse des Nutzerverhaltens die User Experience zu überprüfen und zu optimieren. Gerade in diesem Punkt verlassen sich noch zu viele Banken und Versicherungen allein auf ihre Dienstleister und technischen Abteilungen. Dabei ist es eher die Ausnahme, dass ein neues Angebot von Anfang an „sitzt“. Und genau hier liegt die wahre Stärke der Fintechs: die Bereitschaft, die Angebote des Marktes, aber auch die eigenen Entwicklungen jederzeit kritisch und mit hoher Kundenorientierung zu hinterfragen und sich auf dieser Basis immer wieder anzupassen.
Zwei sich bekämpfende Entscheidungskulturen
Nicht zwischen etablierten Anbietern und Fintechs, sondern zwischen dieser kundenorientierten Optimierungskultur und der noch viel zu häufig anzutreffenden politisch geprägten Entscheidungsstruktur wird sich der Markt in den nächsten Jahren entscheiden.