Der erneute Wahlsieg Donald Trumps wirft an den Finanzmärkten seine Schatten voraus. Die Befürchtung, dass Trump versuchen könnte, die Unabhängigkeit der Federal Reserve (Fed) zu unterminieren, ist real. Fällt die Bastion der Fed, könnte auch in anderen Währungsräumen eine stärkere politische Einflussnahme auf die Geldpolitik nicht mehr ausgeschlossen werden. Bereits in seiner ersten Amtszeit kritisierte Trump den Fed-Vorsitzenden Jerome Powell scharf. Einige Marktteilnehmer befürchten nun, dass er auch diesmal Druck auf die Fed ausüben könnte, eine expansivere Geldpolitik zu verfolgen. Letztlich könnte dies zu höheren und volatileren Inflationsraten führen. Doch Druck auf die Fed auszuüben, klingt einfacher als es ist.
In der Makroökonomie herrscht Konsens darüber, dass unabhängige Zentralbanken besser in der Lage sind, stabile und niedrige Inflationsraten zu gewährleisten als solche, die von der Regierung abhängig sind und dem Finanzminister unterstehen. Der Federal Reserve Act von 1913 und der Banking Act von 1935 verleihen der Fed weitgehende Unabhängigkeit. Diese ist jedoch mit einer Rechenschaftspflicht gegenüber dem Kongress verbunden. So berichtet der Vorsitzende der Fed beispielsweise halbjährlich vor dem Kongress über die Wirtschaftslage und die Geldpolitik, was für Transparenz sorgt und eine Aufsicht der Fed ermöglicht. Dennoch gibt es immer wieder Stimmen, die eine stärkere Kontrolle der Fed fordern.
Die vier Dimensionen der Unabhängigkeit
Um die Unabhängigkeit von Zentralbanken zu verstehen, ist es hilfreich, ihre vier Dimensionen zu betrachten: Die Ziel-, Instrumenten-, Finanz- und Personalunabhängigkeit. Die Fed – wie auch die Europäische Zentralbank (EZB) – ist unabhängig bei der Wahl ihres Inflationsziels. Der Federal Reserve Reform Act von 1977 beauftragt die Fed lediglich, maximale Beschäftigung, stabile Preise und moderate langfristige Zinssätze anzustreben. Während dieses Mandat vom Kongress festgelegt wird, kann die Fed selbst bestimmen, wie sie es am besten ausfüllt. So hat sie beispielsweise 2020 ohne politischen Druck ein durchschnittliches Inflationsziel eingeführt, um die langfristigen Inflationserwartungen auf einem etwas höheren Niveau zu verankern.
Fed und EZB sind unabhängig bei der Wahl ihrer geldpolitischen Instrumente. Dazu zählen Offenmarktgeschäfte, die Festsetzung der Zinssätze, und die Anpassung der Mindestreserveanforderungen. Dies erlaubt es ihnen, ohne Zeitverzug die nötigen Maßnahmen zur Erfüllung ihrer Mandate ohne Zustimmung der Exekutive oder Legislative durchzuführen.
Die Fed und die EZB sind finanziell unabhängig. Sie finanzieren sich nicht über den Kongress oder aus dem EU-Haushalt, sondern durch die Zinsdifferenz ihrer Bilanzpositionen auf der Aktiv- und Passivseite. Auf der Aktivseite halten sie längerfristige Anleihen, auf der Passivseite befinden sich vor allem die in der Regel niedriger verzinsten Bankeinlagen und das unverzinsliche Bargeld. Bei einer steilen Zinsstruktur sind sie so strukturell rentabel, was sie vor finanziellem Druck durch die Regierungen schützt. Dank dieser langfristigen Rentabilität können sie selbst mit negativem Eigenkapital operieren und müssten nicht staatlich rekapitalisiert werden.
Fed und EZB genießen weitgehende Personalunabhängigkeit. In Europa garantiert die nationale Vielfalt der Währungsunion, dass kein einziger Landeschef übermäßigen Einfluss auf die personellen Berufungen bei der EZB ausüben kann. Im Fall der Fed sind die Amtszeiten der sieben Fed-Gouverneure auf vierzehn Jahre festgelegt und so gestaffelt, dass alle zwei Jahre ein neuer Gouverneur berufen wird. Daher kann ein US-Präsident pro Amtszeit nur zwei neue Fed-Gouverneure ernennen und nicht die Mehrheit der Gouverneure austauschen. Zudem werden sie zwar vom Präsidenten nominiert, müssen aber vom Senat bestätigt werden. In der Vergangenheit stießen einige von Trumps Nominierungen für die Fed auf erheblichen Widerstand und wurden schließlich nicht bestätigt.
Fed-Vorsitzender als politisches Druckmittel
Der Vorsitzende und die stellvertretenden Vorsitzenden der Fed spielen eine besondere Rolle. Während ihre Amtszeit als Mitglieder des Direktoriums ebenfalls vierzehn Jahre beträgt, wird ihr Vorsitz vom US-Präsidenten (wieder-)ernannt und vom Senat für eine vierjährige Amtszeit bestätigt. Die Ernennung des Fed-Vorsitzenden ist die offensichtlichste Möglichkeit politischen Druck auszuüben. Allerdings können Fed-Gouverneure nicht „nach Belieben“ entlassen werden, sondern nur „aus einem wichtigen Grund“, wie etwa durch Fehlverhalten, Vernachlässigung oder Unfähigkeit, die Pflichten des Amtes wahrzunehmen. Im Gesetz genau definiert sind diese Gründe nicht. Auch ist bisher noch kein Fed-Gouverneur oder -Vorsitzender abgesetzt worden. Während in der ersten Präsidentschaft von Trump viele Normen verletzt wurden, scheint die Hürde für die Absetzung von Fed-Gouverneuren besonders hoch zu sein. Es wäre wahrscheinlich, dass die Finanzmärkte auf eine solche Maßnahme mit einem Anstieg der Risikoprämien für US-Staatsanleihen reagieren würden.
Unter dem Strich garantiert der institutionelle Aufbau der Fed ein sehr hohes Maß an Unabhängigkeit. Allerdings agiert keine Zentralbank in einem politischen Vakuum. Bilanzverluste, negatives Eigenkapital, undurchsichtige oder als falsch angesehene geldpolitische Entscheidungen können das Ansehen einer Zentralbank beschädigen. Permanente Kritik von Politikern kann das öffentliche Vertrauen in den Wert einer unabhängigen Zentralbank weiter untergraben und spätere Gesetzesänderungen, neue Regulierungen oder Berichtspflichten vorbereiten.
Im Prinzip reicht eine Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses und die Zustimmung des Präsidenten aus, um die Gesetze zu ändern, die die Unabhängigkeit der Federal Reserve regeln. In der Praxis mag dies angesichts der Möglichkeit eines Filibusters im Senat und des oft gespaltenen Kongresses schwierig sein. Doch selbst wenn die Hürden für eine erfolgreiche politische Einmischung hoch sind, sind sie nicht unüberwindbar. Gesetze spiegeln letztlich meist die öffentliche Mehrheitsmeinung wider. Es bleibt daher wichtig, Zentralbanken im öffentlichen Diskurs vor populistischer Kritik zu schützen.
Dr. Karsten Junius
Dr. Karsten Junius ist seit April 2014 Chefvolkswirt und Leiter des Economic and Strategy Research der Bank J. Safra Sarasin in Zürich. Bis 2014 arbeitete er beim Internationalen Währungsfonds in Washington, D.C. Zuvor leitete er das Kapitalmarkt- und Immobilienresearch der DekaBank. Der CFA-Chartholder und Autor zahlreicher Publikationen promovierte an der Universität Kiel und sammelte Erfahrungen am Kieler Institut für Weltwirtschaft sowie bei Metzler Asset Management.