Im Zuge der Corona-Pandemie ging im März 2020 (fast) der 20. Jahrestag des Dotcom-Crashs im Jahr 2000 unter. Zur Erinnerung: Ende der 1990er-Jahre waren Aktien so populär wie selten zuvor. Verantwortlich für diesen Hype waren Internetaktien, deren Kurse in den Jahren 1997 bis 1999 in einem wahnwitzigen Tempo anstiegen. Jeder wollte an diesem Aufschwung teilhaben. Damals war das Internet zwar noch ziemlich neu, doch die alteingesessenen Unternehmen hatten schnell erkannt, dass sich ihre Aktienkurse ganz einfach steigern ließen: durch bloßes Anfügen eines Präfixes wie „e-“ (wie bei eBay) oder des Suffixes „.com“ (wie bei pets.com) an ihren Firmennamen.
Viele Anleger, die angelockt wurden, waren nicht vom Fach. Und häufig genug wurden sie auch getäuscht. So kam es, wie es kommen musste – zu einer Spekulationsblase. Genauer gesagt zu einer „Manie“, die im eigentlichen Sinne Raserei, Wut, Wahnsinn bedeutet. Meist verläuft eine solche in längeren Episoden. So auch während der Jahre 1997 und 1998, als der Nasdaq-100 – der weltweit bekannteste Index für Aktien aus der Branche Technologie, Internet und Biotech – um 120 Prozent anstieg.
Ein Jahr später feierten die Anleger schon die größte Aktienmarktparty aller Zeiten: Bis Ende 1999 hatte sich der Wert des Nasdaq-Index erneut verdoppelt, ohne dass es eine plausible fundamentale Begründung für diese Neubewertung gab.
Was folgte, war ein schwerer Kater: Ebenso schnell wie willkürlich verlief der Absturz der Internet-Werte. Zwischen März 2000 und März 2003 verloren die Nasdaq-Titel durchschnittlich 84 Prozent ihres Werts. Bis Ende des Jahres 2002 wurden an den Aktienmärkten gut 16 Billionen US-Dollar an (Schein-)Werten vernichtet.
Überrenditen zu Kapitalkosten in großen Unternehmen
Während sich heute ein Großteil unserer Welt in einem Zustand beispielloser Turbulenzen befindet, stehen die Technologieaktien, gemessen am Flaggschiff-Index Nasdaq 100, trotz der weltweiten Corona-Pandemie wieder auf Höchstständen. Unterjährig erlittene Kursverluste in diesem Index von rund 30 Prozent wurden fast wieder aufgeholt. Trotz Kursrallye kann die heutige Situation aber nicht mit der Hochstimmung während der Dotcom-Blase von 2000 verglichen werden.
Zwar stieg der Nasdaq-100-Index in jedem der vergangenen elf Jahre, und auch in diesem Jahr notiert er im Plus. Dennoch ist keine Euphorie ausgebrochen, die ganze Bevölkerungsschichten erfasst. Die Anleger treffen klare Unterscheidungen, ob ein Unternehmen auf Wachstum und Profitabilität ausgerichtet ist oder ob nur leere Versprechungen verkauft werden. Deutlich wurde dies Ende vergangenen Jahres anhand des geplatzten Börsengangs des Büroraumvermieters WeWork, der wegen fragwürdiger Unternehmensstruktur und -führung auf Ablehnung bei Investoren stieß.
Zudem präsentieren sich die großen Technologiekonzerne in blendender Verfassung. Im vergangenen Jahr summierten sich die Gewinne der im Nasdaq-100 vertretenen Unternehmen auf über 405 Milliarden US-Dollar – das Zehnfache dessen, was damals im Spitzenjahr 2000 verdient wurde.
In der Krise zeigt sich, welche Unternehmen tatsächlich ein hervorragendes Geschäftsmodell verfolgen. Messbar ist das an der Höhe der Betriebskapitalrendite ROCE (Return on Capital Employed), die die Effizienz der Mittelverwendung angibt. Bis auf wenige Ausnahmen erzielen die größten Konzerne Überrenditen zu den Kapitalkosten. Überrenditen sind begründet durch die Existenz von Wettbewerbsvorteilen wie Kundentreue, Netzwerkeffekte oder Distributionswege.
Auch Aufwendungen für Forschung und Entwicklung sind zur Standortbestimmung geeignet. So investierten die zehn größten Nasdaq-Unternehmen 2019 umgerechnet 15 Prozent der Umsatzerlöse in Forschung und Entwicklung, ein außergewöhnlich hoher Wert.
Investitionen in neue Technologien
Ohne Frage: Zwar erscheint auch die Bewertung der führenden US-Technologie- und Internetunternehmen wieder ambitioniert, aber die Gewinn- und Wachstumsaussichten bleiben vielversprechend. Investitionen in neue Technologien und Software dürften gegenüber der Old Economy in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. Neue Geschäftsbereiche florieren, wie etwa das hochpreisige Apple-AirPods-Geschäft mit über 100 Millionen verkauften Kopfhörern zeigt, genauso wie das Cloud-Geschäft von Amazon (AWS), Microsoft (Azure) und Google (GCP).
Die fünf nach Gewinn profitabelsten US-Technologiekonzerne (Apple, Microsoft, Alphabet/Google, Facebook und Intel) haben 2019 zusammen 170 Milliarden US-Dollar nach Steuern verdient. Zum Vergleich: Die 30 im DAX vertretenen Unternehmen erzielten zusammengerechnet nicht einmal die Hälfte, nämlich 80 Milliarden US-Dollar Gewinn. Und das obwohl die Gesellschaften im Durchschnitt deutlich länger existieren als die US-Technologieunternehmen.
Besonders Apple und Microsoft wird viel Zukunftsfantasie zugebilligt. Beide Konzerne werden an der Börse mit einer jeweils höheren Marktkapitalisierung bewertet als die 30 DAX-Unternehmen zusammen. Europäische oder deutsche Champions findet man nicht unter den weltweit führenden Tech-Werten. Sie stammen maßgeblich aus den USA und China.
Anzumerken ist, dass die Bewertung der US-Tech-Werte mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis um die 30 zwar hoch ist, geschützte Geschäftsmodelle aber eine hohe Sicherheit bieten, dass künftige Gewinnerwartungen realisiert werden. Die Erfolgsrallye dürfte erst ein Ende finden, wenn sich das Branchenwachstum abschwächt. Eine Änderung des Konsumentenverhaltens, Konkurrenz durch Wettbewerber oder eine Regulierung könnten Ursachen dafür sein. Es ist nicht abschätzbar, wann das passieren wird. Bis dahin dürfte sich die Rallye fortsetzen, wenn auch in einem geringeren Tempo. Dass sich jedoch die „Party“ von 1999 wiederholt, ist eher unwahrscheinlich.
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