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Wirtschaft 2022: Ankommen in der neuen Normalität?

Ein neues Jahr und ein weiteres im Zeichen der Pandemie. Die (Wirtschafts)Welt hatte inzwischen genug Zeit, sich mit der neuen Lebenswirklichkeit auseinanderzusetzen. Wie sieht die geldpolitische Prognose für 2022 aus?


Wirtschaft 2022: Ankommen in der neuen Normalität?

Nach dem COVID-19-Krisenjahr 2020 und der Erholungsphase 2021 sollte das Jahr 2022 in unseren Augen von einem Ankommen in der neuen Normalität geprägt sein. Die Pandemie wird nicht verschwunden sein, aber wir werden noch besser gelernt haben, damit umzugehen. Die Wirtschaft sollte sich in diesem Umfeld weiter erholen können, und die vollen Auftragsbücher werden abgearbeitet.
Die Einkaufsmanagerindizes für die USA und Europa signalisieren ein anhaltend starkes Wachstum für 2022. Auch die Nachrichten vom Arbeitsmarkt und von den Einzelhändlern stimmen positiv: Die Arbeitslosigkeit ist deutlich rückläufig, und die Konsumfreude der Verbraucher ist ungebrochen. Die Lieferengpässe, die noch das Wirtschaftswachstum im dritten und vierten Quartal 2021 verlangsamten, sollten in den kommenden Monaten nachlassen und zu Aufholeffekten in vielen Volkswirtschaften führen.
Von China erwarten wir positive Impulse für das Wachstum der Weltwirtschaft. Es verdichteten sich zuletzt die Hinweise, dass von staatlicher Seite fiskal- und geldpolitische Maßnahmen in Erwägung gezogen werden, um die Konjunkturdynamik wieder zu erhöhen. Die Zeichen stehen also wieder auf Wachstumsbeschleunigung.

Inflationsanstieg verliert an Dynamik

Eine entscheidende Größe für die Entwicklung von Konjunktur und Kapitalmärkten bleibt die Inflation. Neben pandemiebedingten Ursachen sind es aktuell vor allem die Energiepreise, die zu den hartnäckig erhöhten Teuerungsraten beitragen. Auch in den kommenden Monaten sorgen Zweitrundeneffekte, weniger globalisierte Lieferketten und Kosten für den notwendigen Wandel zu einer klimafreundlichen Wirtschaft für ein erhöhtes Preisniveau. Gleichwohl erwarten wir im Jahresverlauf einen Rückgang. Die von den Notenbanken durchschnittlich angestrebte Inflationsrate von zwei Prozent werden wir wohl in diesem Jahr noch nicht erreichen.

Die geldpolitische Wende ist da

Nachdem in den letzten zwei Jahren die Geldschleusen weit geöffnet waren, deutete sich bereits zum Ende des letzten Jahres eine Kehrtwende an. Die US-Notenbank Fed hat die Verringerung ihrer Anleihekäufe angekündigt, nachdem bereits in den Vormonaten einige Zentralbanken in den Schwellenländern ihre Geldpolitik gestrafft hatten. Der Wendepunkt ist demnach erreicht. Die US-Notenbank plant, die Anleihekäufe bis Mitte März 2022 auf null herunterzufahren. Damit hätte die Fed die notwendige Flexibilität, bereits Mitte 2022 die Leitzinsen anzuheben. Wenn der Inflationsdruck anhält, könnte sogar mit der Bilanzreduzierung begonnen werden. Wir gehen bis Ende 2022 von insgesamt drei Zinsschritten der US-Notenbank aus.

Von China erwarten wir positive Impulse für das Wachstum der Weltwirtschaft.

Im Vergleich zu den USA erwarten wir für die Eurozone im Jahr 2022 ein geringeres Wirtschaftswachstum und auch einen geringeren Preisdruck. Das verschafft der Europäischen Zentralbank den Spielraum, ihre Geldpolitik behutsamer zu straffen als die US-Notenbank. Die aktuellen EZB-Beschlüsse bestätigen diese langsamere Vorgehensweise. Ein Herunterfahren der Anleihekäufe auf null sowie erste Leitzinsanhebungen sind 2022 nicht zu erwarten.

Anleihen bleiben belastet

Erhöhte Inflationsraten, verringerte Anleihekäufe der Zentralbanken, erste Leitzinsanhebungen – die Liste der Herausforderungen für die Rentenmärkte ist lang. Klassische Renten sollten es in diesem Umfeld weiter schwer haben. Für Staatsanleihen und Unternehmensanleihen guter Bonität erwarten wir aufgrund befürchteter Renditeanstiege ein leicht negatives Umfeld. Inflationsgeschützte Anleihen sollten hingegen weiterhin profitieren können, da der Preisdruck insbesondere durch Rohstoff- und Energiepreise noch etwas anhalten sollte.
Für die Aktienmärkte sind wir grundsätzlich weiter positiv gestimmt. Aktien bleiben in unseren Augen die wichtigste Ertragsquelle im Portfolio. Der Rückenwind für Risikoanlagen hat jedoch abgenommen und könnte im Jahresverlauf sogar in Gegenwind umschlagen. Die negativen Erinnerungen an das Jahr 2018, als die US-Notenbank zuletzt ihre Geldpolitik deutlich restriktiver ausgerichtet hatte, sind noch präsent. Jedoch hat die amerikanische Notenbank im aktuellen Straffungszyklus mit Bedacht gehandelt und klar kommuniziert. Eine Wiederholung von 2018 sollte somit vermieden werden.
Zusätzlich wird das überdurchschnittlich erwartete Wirtschaftswachstum vieles ausgleichen können. Die Gewinne der Unternehmen werden erneut ansteigen können, wenn auch langsamer als 2021. Das sollte weiter Gelder in den Aktienmarkt fließen lassen. In einem Marktumfeld negativer Realzinsen bleiben renditestarke Anlagen wie Aktien gut unterstützt.

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