Klimaneutralität bis 2050 – das ist das große Ziel Europas, welches den Kontinent als globalen Vorreiter markieren soll. Allerorts hört man, dass besonders der Finanzbranche dabei eine Schlüsselfunktion zukommt. Der CO2-Ausstoß, den Banken selbst verursachen, ist vergleichsweise gering. Bekanntlich liegt der Hebel in der Kreditvergabe an Unternehmen, die sehr wohl hohe Emissionen aufweisen. Über gezielte Vergaben und klare Richtlinien bei der Finanzierung können Finanzunternehmen daher zu einer nachhaltigeren Wirtschaft beitragen. Der Wille von Seiten der Kreditinstitute ist da. An Selbstverpflichtungen und institutsübergreifenden Abkommen zum Klimaschutz mangelt es nicht.
Klimarisiken spüren Banken vor allem in ihrem Kreditgeschäft. Besonders bei Firmenkunden besteht die Gefahr, physisch oder transitorisch betroffen zu sein. Extremwetterereignisse, wie die Zerstörung von Produktionsstandorten durch Überflutungen, Waldbrände oder starke Erdbeben, sind bereits jetzt Realität. Die Folgen können von Kreditausfällen über operationelle Risiken bis hin zu versicherungstechnischen Verlusten reichen. Demgegenüber birgt die Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft transitorische Risiken und kann mit steigenden Energiepreisen oder Re- und Ersatzinvestitionen ebenso Verluste in den Finanzmärkten auslösen.
Kundenpräferenzen werden grüner
„Die Banken werden von der Aufsicht intensiv angehalten, über die Nachhaltigkeitsrisiken in ihrem Kreditportfolio zu berichten, um die mittel- und langfristigen Auswirkungen auf die Stabilität des Finanzsystems zu überwachen“, sagt Karsten Löffler, Leiter des UNEP Collaborating Centre for Climate & Sustainable Energy Finance an der Frankfurt School of Finance and Management. Doch in manchen Transformationsrisiken schlummern auch ungeahnte Potenziale – und zwar nicht nur für die Umwelt, sondern auch für den Markt selbst.
Um „Stranded Assets“ und Wettbewerbsnachteile zu vermeiden, gilt es Produktions- und Produktanpassungen vorzunehmen. Die Europäische Kommission erklärt die Umpolung der Kapitalströme auf nachhaltige Investitionen als eines der Kernziele ihrer Strategie. Auch auf der Wunschliste von Privatkunden finden sich grüne Geldanlagen immer häufiger. Einer Untersuchung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG zufolge bieten bereits 19 der 25 weltweit tätigen Großbanken grüne Anleihen an, dicht gefolgt von grünen Krediten oder nachhaltigen Anlagefonds. Auch in Deutschland wurden im Jahr 2020 erstmalig Grüne Bundeswertpapiere mit einem Emissionsvolumen von 11,5 Milliarden Euro eingeführt. 2022 sollen diese weiter ausgebaut werden. Obwohl Sozial- und Nachhaltigkeitsanleihen ein stetiges Wachstum prognostiziert wird, trüben einige ungeklärte Fragen den sonst so positiven Ausblick. An vielen Stellen mangelt es noch an klaren Richtlinien, etwa in Bezug auf die Verwendung der erzielten Erlöse. Wer sich intern allerdings bemüht und die ESG-Zielvorgaben (Environmental Social Governance) schließlich erreicht, wird laut der KMPG-Untersuchung belohnt. Denn 36 Prozent der Banken fördern den Einsatz in ihren Häusern. Demnach kann sich das Top-Management immer öfter eines gesteigerten Honorars erfreuen.
Investition in ESG-Konformität zahlt sich aus
Wirklich authentisch wird die grüne Produktpalette jedoch erst durch eine ebenso grüne Unternehmensidentität. Es reicht nicht, dass die ESG-Ziele bankintern ankommen. Sie müssen auch akzeptiert und vom gesamten Unternehmen gelebt werden.
Ein ESG-konformes Strategie- und Managementkonzept durchzusetzen, bedeutet aber auch zu investieren. Dabei sollte der Fokus nicht ausschließlich auf Geschäftsbereichen wie Vertrieb, Kreditprozess, Strategie oder Meldewesen liegen, sondern jede einzelne Faser des Unternehmens umfassen. Der Aufwand, ESG-Themen verstärkt in der Geschäftsstruktur zu verwurzeln, wird sich mittel- und langfristig bezahlt machen.
Dies lediglich als Pflichtaufgabe abzustempeln, verfehlt das Potenzial, das von einer ESG-Ausrichtung ausgeht. Eine Studie des NYU Stern Center of Sustainable Business und Rockefeller Asset Management belegt, dass 58 Prozent aller auf Unternehmensebene bezogenen Studien einen positiven Zusammenhang zwischen ESG-Kriterien und Unternehmenskennzahlen aufweisen. Die Kreditinstitute sind angeraten, der Kategorisierung und Bewertung ihres Portfolios erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken – um Risiken zu vermeiden und gleichzeitig Geschäftsvorteile zu generieren.
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