BANKINGNEWS: Herr Jakoby, Sie haben bei der Volksbank Münsterland Nord bereits vor einem Jahr eine umfängliche Nachhaltigkeitsstrategie initiiert. Wo steht Ihre Bank bei der Erfüllung der selbst gesetzten Ziele?
Thomas Jakoby: Ein Unternehmen mit etwa 1.000 Mitarbeitern über alle Bereiche hinweg zu durchgängiger Nachhaltigkeit zu entwickeln, geht nicht von heute auf morgen, klar. Dieses strategische Ziel möchten wir aber unbedingt bis Ende 2023 erreichen und uns dann von unabhängiger Stelle prüfen lassen, etwa vom Deutschen Nachhaltigkeitskodex. Nach der Fusion war uns erstmal wichtig, dieses Ziel zu formulieren und die gesamte Bank dahinter zu versammeln.
Als nächstes haben wir uns einen Gesamtüberblick verschafft. Wo stehen die einzelnen Bereiche und wir als Volksbank Münsterland Nord insgesamt eigentlich auf einer Nachhaltigkeitsskala? Und wie bewerten unsere Mitarbeiter das auch qualitativ? Das haben wir bereits geschafft. Dann haben wir auf dieser Grundlage und vor dem Hintergrund unseres ambitionierten strategischen Ziels in einem gemeinsamen Auftaktworkshop in jedem Bereich Maßnahmen entwickelt, die auf die konsequente Umsetzung einzahlen. Diese Maßnahmen sind klar formuliert und Verantwortlichkeiten auf den dafür eigens gegründeten Nachhaltigkeitsrat verteilt.
Dabei sehen wir Nachhaltigkeit in den Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales. Das geht konkret von der energetischen Gebäudesanierung und strikten Vorgaben zur Begrenzung der CO2 -Emissionen über den Bezug von Ökostrom und Reduktion von Papierverbrauch bis hin zum Ausbau digitaler Meetings und der Schaffung attraktiver Mobilitätsangebote und mobiler Arbeitsplätze. Wichtig sind auch die Digitalisierung von Prozessen, der Ausbau unserer Angebotspalette für nachhaltige Anlage- und Kreditprodukte und Konzepte für Diversität und Chancengleichheit.
Sie sehen die enorme Bandbreite, die uns bei Nachhaltigkeit wichtig ist. Es gibt auch schon erste kleinere Maßnahmen in die künftige Richtung, wie etwa die sukzessive Umstellung des Fuhrparks auf E-Autos und Hybrids, Ladesäulen für E-Autos an unseren Hauptstandorten in Münster und Rheine. Weitere sollen folgen. Mein Eindruck ist, dass die Umsetzung mit höchster Priorität in den einzelnen Bereichen angegangen wird.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung bei der Umsetzung dieser Ziele?
Die Digitalisierung ist für uns natürlich ein ganz entscheidender Faktor, wenn wir über mehr Nachhaltigkeit nachdenken. Zum einen können wir dadurch effizienter arbeiten. Zum Beispiel finden Team- und bereichsübergreifende Meetings zunehmend digital statt. Das belastet die Umwelt weniger, erhöht die Nettoarbeitszeit durch weniger Fahrzeiten und steigert insgesamt die Flexibilität unserer Mitarbeiter. Und digitale Prozesse heißt nicht zuletzt auch Papier sparen. Alle wichtigen Bankunterlagen lassen sich bequem und jederzeit abrufbar im Online-Banking in den digitalen Postkorb einstellen, anstatt alles per Post zu verschicken. Bei unseren über 280.000 Kunden ist das ein enormer Faktor.
Insgesamt investieren wir bereits viel in das Thema digitale Post, auch beim Posteingang. Über automatisierte Prozesse werden schon heute etwa 20 Prozent der eingehenden Briefe automatisch digitalisiert an die zuständigen Bereiche und Kollegen verteilt. Jede Fahrt unserer Kuriere, die wir einsparen können, zahlt direkt auf Nachhaltigkeit und Kosteneffizienz ein. Als weitere Digitalisierungsstufe führen wir derzeit in all unseren Filialen digitale Penpads ein.
Wie passt das Thema Nachhaltigkeit aus Ihrer Sicht zum genossenschaftlichen Prinzip Ihrer Bank?
Die genossenschaftliche Idee „Was einer alleine nicht schafft, das schaffen viele“ ist auch die DNA der Volksbank Münsterland Nord. Sie verbindet seit ihrer Entstehung wirtschaftlichen Erfolg mit gesellschaftlich verantwortlichem Handeln. Unser Geschäftsmodell ist seit der Gründung vor 140 Jahren auf nachhaltige, langfristige Beziehungen ausgelegt. So verbleiben die Ergebnisse der Volksbank in der Region und fließen gezielt zurück in den heimischen Wirtschaftskreislauf. Allein in 2020 haben wir 17 Millionen Euro Steuern, 53 Millionen Euro an Kaufkraft für Gehälter zur Förderung der Region sowie über eine Millionen Euro für soziale Zwecke ausgeschüttet. Mit der Vision, „DIE Bank unserer Region“ zu sein, widmen wir uns also nachhaltig der Förderung und Unterstützung sozialer und kultureller Projekte. Das wird auch jährlich in unserer Förderbilanz transparent gemacht.
Wie tragen Sie den nachhaltigen Gedanken zu Ihren Kunden?
Zunächst durch unser Angebot an nachhaltigen Produkten, das wir stetig ausbauen. In Gesprächen mit unseren Kunden merken wir natürlich auch, dass Nachhaltigkeit längst kein Modetrend mehr ist, sondern in allen Lebensbereichen an Bedeutung gewonnen hat. Entsprechend auch beim Thema Geldanlage. Wir haben daher im Rahmen der Fusion zur Volksbank Münsterland Nord mit neuer Größe die Chance ergriffen und exklusiv für unsere Kunden und Mitglieder den Werte Fonds Münsterland Nachhaltig entwickelt. Gemeinsam mit der Union Investment haben wir einen innovativen, durch erfahrene Kapitalmarktexperten gemanagten Fonds, der den sogenannten Multi-Asset-Ansatz mit Nachhaltigkeit verbindet.
Die Anlagen werden nach sozialen, ethischen und ökologischen Kriterien ausgewählt. Aber nicht nur auf Anlageseite bieten wir nachhaltige Lösungen an. In unserem Kreditportfolio wird der Anteil an Krediten, die speziell darauf ausgelegt sind, das energetische Bauen zu fördern, immer größer. Und neben dem Produktangebot wollen wir für unsere Mitglieder und Kunden transparent machen, wie wir uns auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit entwickeln. Wir haben auf unserer Homepage gerade erst eine Nachhaltigkeitschronik erstellt mit allen wichtigen Schritten, die wir gehen, um unsere Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.
Sie haben gerade den Werte Fonds Münsterland Nachhaltig erwähnt. Wie kommen solche grünen Anlagen an? Und wird es noch weitere geben?
Ich möchte hier gerne eine Zahl nennen, die verdeutlicht, welchen Stellenwert unser Werte Fonds Münsterland Nachhaltig einnimmt: Knapp 67 Millionen Euro an Kundengeldern dürfen wir bereits nur etwa ein Jahr nach Auflage des Fonds betreuen. Das ist eine enorme Erfolgsgeschichte und zeigt, dass Nachhaltigkeit in der Breite angekommen ist. Derzeit arbeiten wir an weiteren Produkten mit konkretem Nachhaltigkeitsbezug. Mittelfristig wollen wir, wo möglich, die gesamte Produktpalette abdecken. Ganz wichtig ist uns in dem Zusammenhang, immer nah am Kunden zu bleiben. Wir etablieren derzeit Nachhaltigkeit in unseren regelmäßigen Kundenbefragungen, was dazu führt, dass wir tolle Impulse erhalten und gleichzeitig unsere Kunden wissen lassen, dass wir das Thema sehr ernst nehmen.
Wie sehen Sie die deutsche Finanzbranche aktuell beim Thema Nachhaltigkeit? Wo besteht noch Nachholbedarf?
Positiv ist, dass sich hier eine Bewegung in die notwendige Richtung entwickelt hat. Ich kenne keine Bank, die sich nicht mit dem Thema beschäftigt. Und das nicht nur, weil die Regulatorik dies erwartet, sondern aus zunehmender Überzeugung. Was ich dabei noch an der einen oder anderen Stelle merke, ist, dass dieser notwendige Wandel zu mehr und konsequenter Nachhaltigkeit eher als zusätzliche Last empfunden wird. Wir haben aber schnell erkannt, welche Chancen damit verbunden sind und möchten hier unserer Verantwortung gerecht werden.
Sowohl für unsere Kunden, die sich bewusster mit der Umwelt und der Klimaentwicklung auseinandersetzen, als auch für die nachfolgenden Generationen, die einen Anspruch darauf haben, nicht nur die Schäden der vorherigen Generationen zu beseitigen. Bei dem Stichwort Regulatorik ist mir aber in diesem Zusammenhang noch ein Aspekt besonders wichtig: Für uns Banken, und das gilt im Übrigen für die gesamte Wirtschaft, ist Planungssicherheit seitens der Politik und ein verlässlicher Rahmen wichtig. Wir müssen von kurzfristig durchgewunkenen Vorgaben wegkommen und eher in Jahren als in Monaten denken. Das erhöht dann auch insgesamt die Akzeptanz für die Umsetzung und Verankerung von Nachhaltigkeit.
Als wie wichtig schätzen Sie im Bereich Nachhaltigkeit „Abkommen“ wie die Klima-Selbstverpflichtung des deutschen Finanzsektors ein?
Damit kommt der deutsche Finanzplatz dem von der Bundesregierung gesetzten Ziel insgesamt einen Schritt näher, Deutschland zu einem der führenden Standorte für Sustainable Finance zu machen. Es gehören ja auch einige Banken aus der Genossenschaftlichen FinanzGruppe zu den Unterzeichnern, zum Beispiel die DZ Bank oder die GLS Bank. Die große Bandbreite der Erstunterzeichner in Bezug auf Unternehmensgröße und Bankengruppe zeigt, dass diese Herausforderung breit angenommen wird, und die Umsetzung durch Finanzakteure unabhängig von der Größe oder bestimmten Assetklassen möglich ist.
Tipps: Suchen Sie mehr Beiträge zum Thema Nachhaltigkeit? Erfahren Sie hier mehr über die drei Komponenten der Nachhaltigkeit.