BANKINGNEWS: Ihre persönliche Prognose: Wann verschwindet das Bargeld aus den Taschen der Deutschen?
Thorsten Achtstein: In allen Gesprächen, die ich rund um meine Studie geführt habe, hatte ich zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass die Menschen grundsätzlich auf Bargeld verzichten möchten. Dafür hat es in unserer Gesellschaft einen zu hohen Stellenwert. Denken wir nur an ganz banale Dinge wie Geldgeschenke und Taschengeld. Oder daran, dass Bargeld allen Menschen den Zugang zum Zahlungsverkehr ermöglicht – zum Beispiel Kindern, die noch kein Konto besitzen. Bargeld wird auch in Zukunft nicht ganz verschwinden. Die Daten bestätigen das: Die Hälfte der befragten Digital Natives hat angegeben, dass sie auch in Zukunft Bargeld nutzen wird. Angesichts solcher Zahlen brauchen wir aktuell auch keine Diskussion über die Abschaffung von Bargeld zu führen.
Welche Faktoren sind maßgeblich, wenn es um die Entscheidung geht, bar zu zahlen oder eben nicht?
Kurz gesagt, Datenschutz auf der einen und Geschwindigkeit auf der anderen Seite. Der größte Treiber für Bargeldhaltung sind Datenschutzbedenken gegenüber Karten- und Mobile- Zahlungen. Die wichtigsten Gründe, kein Bargeld zu nutzen, sind die Zahlungsgeschwindigkeit und die Handhabung. Die Zahlung mit der Karte oder dem Smartphone wurde von vielen Befragten als schneller und komfortabler bewertet. Sie haben den Datenschutz angesprochen.
Gehen Digital Natives im Zahlungsverkehr sorgloser mit dem Thema um?
Nein. Es gibt deutliche Unterschiede zwischen Daten, die auf Social-Media-Plattformen preisgegeben werden, und sensiblen Finanzdaten. Eine Deloitte-Studie hat ergeben, dass Digital Natives auf Social-Media-Plattformen sorgloser mit ihren Daten umgehen, bei Finanzdaten ist ihnen aber das Vertrauen in den Dienstleister sehr wichtig. Hinsichtlich der Relevanz von Datenschutz und Datensicherheit im Bereich Finanzen bestehen also keine Unterschiede zwischen Digital Natives und Digital Immigrants.
Was waren für Sie überraschende Ergebnisse der Befragung?
Es wird häufig von der Generation der Digital Natives gesprochen. Doch meine Studie hat noch einmal deutlich gezeigt, dass vom Alter einer Person allein nicht abgeleitet werden kann, ob sie ein Digital Native ist. Ich habe mich am sogenannten Digital Native Assessment Scale orientiert, der vier Merkmale zurate zieht, die einen Digital Native ausmachen.
Welche sind das?
Die Nutzungspräferenz zeigt zum Beispiel an, ob die Person den Aufschwung von digitalen Technologien miterlebt hat und sie gegenwärtig sehr intensiv nutzt. Das zweite Merkmal ist die Fähigkeit zum Multitasking, also ob sie problemlos verschiedene Tätigkeiten parallel ausführen kann. Die Grafikpräferenz beschreibt den hohen Stellenwert von Grafiken für die Kommunikation. Die Geduldspräferenz beschreibt wiederum, dass die Person unmittelbaren Zugang zu Informationen haben möchte, da sie gelernt hat, dass Informationen immer und überall verfügbar sind. Ein 60-Jähriger kann nach dieser Definition genau wie ein 20-Jähriger ein Digital Native sein, solange er diese vier Präferenzen zu einem bestimmten Grad aufweist. Ich glaube, in diesem Punkt gibt es häufig Missverständnisse darüber, wer als Digital Native bezeichnet werden kann.
Noch eine persönliche Frage: Zahlen Sie selbst noch häufig mit Bargeld?
Ich nutze viel seltener Bargeld als noch vor ein paar Jahren und habe fast nie mehr als 20 Euro im Portemonnaie. Es gibt Tage, an denen ich gar kein Bargeld dabeihabe, dann aber in Situationen gerate, in denen ich nicht um eine Barzahlung herumkomme. Persönlich würde ich im Alltag theoretisch ganz auf Bargeld verzichten. Solange aber der Bäcker um die Ecke nur Bargeld annimmt, ist das nicht möglich. Gleichzeitig halte ich die Möglichkeit, anonym mit Bargeld zahlen zu können, weiterhin für wichtig – selbst wenn man davon nur selten Gebrauch machen sollte.
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