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„Der ideale Zahlungszeitpunkt ist immer jetzt!“

Instant Payments bringen in der Finanzbranche nachhaltige Veränderungen mit sich. Was das für den Zahlungsverkehr im B2B-Sektor bedeutet und welche anderen Branchen von der Einführung profitieren, beschreibt Jan Bringezu, Managing Partner bei Gravning GmbH, im Interview.


Bildnachweis: gettyimages.com/Everyday better to do everything you love

BANKINGNEWS: Wie könnte die Umsetzung von Instant Payments den Zahlungsverkehr im B2B-Sektor verändern?

Jan Bringezu: Man hört häufig, dass Firmen Instant Payments gar nicht benötigen, weil sie ihren Cashflow und ihre Liquidität im Griff haben. Das ist sicherlich bei den meisten Unternehmen der Fall und durch smarte Treasury-Systeme unterstützt. Instant Payments bringt für Unternehmen aber auch einen Vorteil: Der ideale Zahlungszeitpunkt ist immer jetzt! Künftig können alle SEPA-Überweisungen an dem Tag ausgeführt werden, an dem die Zahlung auf dem Konto der Zahlungsempfänger eintreffen muss. Mietzahlungen, die am ersten Tag eines Monats beim Vermieter sein müssen, können auch am ersten Tag des Monats ausgeführt werden. Gehälter können an dem Tag gezahlt werden, an dem das Geld bei den Mitarbeitenden sein soll und nicht mehr zwei Tage vorher. Für Unternehmen bedeutet dies Liquiditäts- und auch Zinsvorteile. Zusätzlich kann Instant Payments zur Optimierung der Supply Chain beitragen, da Wartezeiten im Payment-Umfeld künftig entfallen und eine bestellte Ware umgehend nach Zahlung versandt oder ausgeliefert werden kann. Wenn es darüber hinaus gelänge, die ERP-Systeme umfassender in den Payment-Flow zu integrieren, dann kämen zu Instant Payments auch Instant Reconciliation and Instant Accounting hinzu.

Welche neuen Use Cases für Banken könnten mit der Einführung von Instant Payments entstehen?

Banken könnten durch Instant Payments in den Mittelpunkt von Payments rücken und nicht mehr nur, wie derzeit sehr häufig im E-Commerce oder am Point of Sale (POS), als Bereitsteller von Infrastruktur dienen, mit denen andere gutes Geld verdienen. Wer im Mittelpunkt steht, besitzt wertvolle Informationen, um den Kunden, sei es den Zahlenden oder den Zahlungsempfängern, zusätzliche Services oder Produkte anbieten zu können.

Welche anderen Branchen werden Ihrer Meinung nach am stärksten von Instant Payments profitieren?

Der Handel. Mit auf Instant Payments basierenden Zahlverfahren, sei es Request-to-Pay oder generell Account-to-Account, entsteht aus Sicht des Handels endlich eine Alternative, zumindest aber eine Ergänzung, zu dem bestehenden Oligopol aus Card Schemes, Apple Pay, PayPal und so weiter – im E-Commerce und auch am POS. Und dies kann sich in vielerlei Hinsicht positiv auswirken. Zum einen würde es ein ausgeweitetes Angebot an relevanten Zahlverfahren geben, was einen größeren Wettbewerb und damit die Aussicht auf eine Reduktion der Payment-Kosten mit sich bringen kann. Zum anderen könnte das sofortige Zahlen über das Bankkonto viele bislang zögerlich auf Zahlverfahren reagierende und Bar- oder Rechnungskauf bevorzugende Käufer und Käuferinnen überzeugen.

Wie könnte Request-to-Pay in Verbindung mit Instant Payments die Kundenerfahrung im E-Commerce verändern?

Request-to-Pay ist nicht neu, führt aber, trotz einiger vielversprechender Ideen und Pilotprojekten, noch ein Schattendasein.
Unseres Erachtens kann sich dies durch Instant Payments insbesondere im E-Commerce ändern, das Interesse der Händler ist grundsätzlich vorhanden. Von essenzieller Bedeutung ist es jedoch, dass Lösungen geschaffen werden müssen, die verhindern, dass Kunden im E-Commerce ihre IBAN eingeben müssen, wenn diese sich für Request-to-Pay entscheiden. Von einer einmaligen Hinterlegung im Kundenprofi l bis zu einer Kommunikation zwischen Händler-App und Bank-App ist hier einiges möglich. Ist dies gelungen, könnten Kunden im E-Commerce Shop die Zahlart Request-to-Pay auswählen, es wird vom Händler ein Request per Push in die Banking-App geschickt und die Kunden bestätigen den Request – fertig! Noch ist es Zukunftsmusik, aber Banken und Händler könnten hier etwas im Interesse ihrer gemeinsamen Kunden angehen.

Sehen Sie Risiken in der breiten Einführung von Instant Payments, beispielsweise in Bezug auf Sicherheit?

Zahlungen, die innerhalb von zehn Sekunden irreversibel auf dem Empfängerkonto angekommen sind, sind für Fraudster ein willkommenes, neues Spielzeug. Ein Blick über den Ärmelkanal zeigt eindeutig auf, dass seit Einführung von Faster Payments, dem Instant Scheme der britischen Banken, im Jahr 2008 das Gros der betrügerischen Transaktionen instant ablaufen. Der Betrug mit autorisierten Push-Payments (APP) ist im Vereinigten Königreich die größte Betrugsart im Zahlungsverkehr, sowohl was die Zahl der Betrugsfälle als auch den Wert der Verluste betrifft. Auf Faster Payments entfielen im Jahr 2021 wiederum 97 Prozent der Frauds dieser Kategorie. In den kommenden Monaten müssen sich die Banken und ihre Provider für die zu erwartende Zunahme von Instant Fraud wappnen. Meines Erachtens kann diese nur gelingen, wenn alle den Schulterschluss gegen die Betrüger wagen. Banken befinden sich in Fraud Prevention und Detection nicht im Wettbewerb miteinander, sondern sollten vielmehr die Kräfte bündeln – in Anlehnung an die NATO könnte ein Betrugsversuch bei einer Bank als Angriff auf alle Banken verstanden werden –, Informationen zu Payment Fraud untereinander teilen und so gemeinsam für die Sicherheit von und Vertrauen in Instant Payments sorgen.

Wie sieht der nächste Schritt aus? Welche technologischen Entwicklungen wären Ihrer Meinung nach die nächsten Schritte, um Instant Payments weiter zu verbessern?

Als erstes müssen wir sicherstellen, dass wirklich alle europäischen Banken zum 09. Oktober 2025 die Instant-Payments-Regulierung gemäß der Verordnung (EU) 2024/886 des Europäischen Parlaments und des Rates vollständig umgesetzt haben werden. Über eine weitere wichtige Weiterentwicklung sprach ich bereits früher: Wir müssen uns auf steigende Betrugszahlen gefasst machen und uns in der Community gemeinsam überlegen, wie wir diesen begegnen. Informationen zu Payment Fraud, wie Namen und Bankverbindungen, sollten allen Banken für ihre Betrugsabwehr zur Verfügung stehen; ein einzelnes Institut hat keinen Vorteil, spezifische Informationen über Fraudster nicht zu teilen. Damit sich Instant Payments, in welcher Form auch immer, auch im E-Commerce und am POS durchsetzen, müssen wir uns immer an den existierenden und kommenden „Gold Standards“ orientieren. Die „Payer Journey“ mit Instant Payments am POS wird sich mit Apple Pay messen müssen, der Check-Out im Webshop sollte nicht komplexer als bei der Verwendung von PayPal sein.

Jan Bringezu


Jan Bringezu ist ausgebildeter Bankkaufmann und Betriebswirt und startete seinen Weg in die Unternehmensberatung und in Payment Projekte im Jahr 2000 bei KPMG. Über Stationen bei einer Management Beratung und im Card Acquiring in London ist er seit 2008 als Unternehmer im Beratungsgeschäft tätig, zuerst als Freelancer und seit 2013 als Gründer und Gesellschafter von Beratungsunternehmen. 2019 startete er als Co-Founder gemeinsam mit seiner Frau Miriam Bringezu das Beratungsunternehmen Gravning, das sich ganzheitlich und in allen Facetten des Themas Payment annimmt.