BANKINGNEWS: Herr Schwarz, wie steht es aktuell um Instant Payments und wo liegt aus Ihrer Sicht die größte Herausforderung?
Oliver Schwarz: Der Zeitplan der EU ist äußerst eng, aber ich bin zuversichtlich, dass die Bankenbranche die Vorgaben einhalten wird. Nach aktueller Planung der EU haben Banken bis 2025 Zeit, um „instant-ready“ zu werden. Das klingt in der Theorie nicht besonders schwierig, ist in der Praxis aber aufwendiger als viele denken. Banken müssen schauen, ob ihre Infrastruktur das mitmacht, wenn immer mehr Instant Payments verarbeitet werden sollen. Nebensysteme anzubinden, wird ebenfalls knifflig.
Wie meinen Sie das?
Die Systeme, auf die Banken zurückgreifen, arbeiten nicht in Echtzeit. Obwohl Banken in einem Wimpernschlag prüfen müssten, ob die IBAN korrekt ist, ob jemand Betrug versucht oder Geld waschen will, ist das ad hoc für die meisten IT-Plattformen kaum zu bewältigen. Hinzu kommt, dass bei Instant Payments zudem die Liquidität transferiert wird. Es geht also um mehr als nur die Geschwindigkeit der Buchung. Banken können nur Geld anweisen, wenn sie über ausreichend Deckung verfügen. Von einer Sekunde auf die andere lässt sich das jedoch kaum planen.
Dabei könnte man doch meinen, dass es Banken an Liquidität kaum mangelt.
Jedes Institut unterhält bei der Zentralbank ein eigenes T2-Konto. Auf diesem Konto gehen die eigenen Zahlungsaufträge ab und die von anderen Banken ein. Dies geschieht über einen Tag verteilt in mehreren Zyklen. Eine Bank weiß aber nicht, wie viel Geld ihr während eines Zyklus gutgeschrieben wird. Geht mehr Liquidität ab als da ist oder weniger Liquidität ein als üblich, muss die Bank reagieren. Normalerweise ist das kein Problem. Bei Instant Payments allerdings fallen Clearing und Settlement zusammen. Das T2-Konto wird sofort belastet. Was passiert also, wenn ausgerechnet in diesem Augenblick kein Geld da ist?
Irgendwann wird sich jemand bei diesem Balanceakt verkalkulieren
Dann wird die Zahlung abgelehnt.
Genau. Das ist aber nicht alles. Eine fällige Zahlung nicht zu leisten, stellt technisch gesehen einen Zahlungsausfall dar. Selbst wenn wir es mit einem kerngesunden Institut zu tun haben, kann eine einfache Fehldisposition bereits zu einem solchen Credit Default führen. An einem Werktag mag sich noch absehen lassen, wann die Liquidität auszugehen droht. Die Systeme sollen aber 24 Stunden an sieben Tagen der Woche verfügbar sein, also auch nachts oder an Wochenenden und Feiertagen. Zu diesen Zeiten lässt sich keine Liquidität mehr beschaffen, weil es dafür weder Verfahren noch passende Handelspartner gibt.
Und wenn die Banken ihre Puffer einfach erhöhen?
Das werden sie müssen. Dabei stecken sie aber in einer Zwickmühle. Einerseits sollen diese Puffer groß genug sein, um jederzeit zahlungskräftig zu bleiben. Andererseits streben Banken möglichst kleine Puffer an, um die Kosten dafür, insbesondere wegen der Zinswende, gering zu halten. Diesen Spagat müssen die Banken zudem proaktiv vollführen. Angenommen, eine Bank rechnet für den nächsten Tag mit 50 Millionen Euro an Ein- und Abgängen. Im Extremfall heißt das, dass entweder erst alles ab- oder alles eingeht. Je nachdem müssen sie also 50 Millionen Euro vorhalten oder null. Irgendwann wird sich jemand bei diesem Balanceakt verkalkulieren, weil Menschen und Modelle fehlbar sind. Dann erleben wir vielleicht einen spektakulären Zahlungsausfall.
Was schlagen Sie demnach konkret vor?
Banken müssen besser verstehen, wie sich ihre Kunden verhalten. Das lässt sich an den Zahlungsströmen ablesen. Je besser eine Bank diese voraussagt, desto kleiner die Puffer, um die nötige Liquidität vorzuhalten. Wir brauchen aber auch neue Regeln, eben weil immer etwas schiefgehen kann. Die Zentralbanken könnten etwa kurzfristig überzogene T2-Konten dulden. Und die Ratingagenturen sollten Instant Payment Defaults anders bewerten. Sonst kann sich jeder leicht ausmalen, was passiert, wenn morgen auf Seite eins steht, dass eine Bank wegen eines Zahlungsausfalls herabgestuft wurde.
Interview: Redaktion
Oliver Schwarz
ist Senior Manager Consulting bei der PPI AG.
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