Plug-and-Play-Lösungen im Payment

Payment-Experte Christian Schollmeyer zur Rolle von Partnerschaften im Payment, zu neuen Lösungen aus dem Bereich „Seamless Payment“ und zu Erfolgsfaktoren im Digital Payment.


Christian Schollmeyer vom DSGV über Seamless und Digital Payment.

Ihnen fehlt der Anfang? Bitte nicht wundern! Das ist der zweite Teil des Beitrags vom Payment-Experten Christian Schollmeyer. Hier geht es zum ersten Teil:„Wer alleine agiert, der verliert“.

Im Payment spielen Partnerschaften seit jeher eine wichtige Rolle und sie werden auch künftig entscheidend für Erfolg oder Misserfolg der Marktteilnehmer sein. Um nur einige Beispiele zu nennen: Es ist gut, dass Sparkassen eine eigene Mobile-Payment-App mit Girocard gemeinsam mit Banken, aber auch mit Mastercard und Visa kooperativ erarbeitet haben. Die App wurde mittlerweile mehr als eine Million Mal heruntergeladen. Auch der Start von Apple Pay Ende 2019 war für die Sparkassen ein Erfolg. Die Gutscheinplattform mit dem Start-up Atento hat großen Zuspruch und wird von der „S-Markt & Mehrwert“ weiter betrieben und mit anderen Lösungen vernetzt.

Partnerschaften binden Kunden, bieten Mehrwerte, stiften Nutzen und erleichtern den Alltag. Denn die partnerschaftlich entwickelten Lösungen wie auch eigene Angebote der Banken und Sparkassen machen es leichter – dann klappt es (fast) von alleine. Entwicklungen und Trends sind schon jetzt abzulesen.

Die vorher schleichende Entwicklung von Bargeld hin zu kontakt- und bargeldlosem Bezahlen am Point of Sale (PoS) wird beschleunigt. Der PoS wird hierbei zum Abbild des digitalen Raums. Wir zahlen bei Amazon mit „one click“ und an der Kasse mit „one swipe“. Viele Menschen haben erkannt: Das ist bequem, praktisch und spart Zeit. Corona hat eine Entwicklung, die auf Jahre hinweg angelegt war, auf wenige Monate verkürzt. Laut Deutscher Kreditwirtschaft (DK) liegt der Anstieg von Transaktionen der Girocard seit Beginn der Pandemie bei 50 Prozent. Mehr als die Hälfte aller Zahlungen wird bereits kontaktlos durchgeführt.

Corona stärkt E-Commerce und somit alle Online-Bezahlverfahren. Doch der Einkauf im Einzelhandel wird noch immer als sozial unersetzlicher Kontaktpunkt wahrgenommen. Gerade in Zeiten von Corona wird deutlich, wie wichtig das Einkaufserlebnis für viele Menschen ist – andernfalls gäbe es kaum Schlangen vor den Läden. Man nimmt das Risiko auf sich, einkaufen zu gehen, obwohl man das auch von Zuhause (ohne Infektionsrisiko) machen könnte.

Corona reduziert den Einsatz von Bargeld im Alltag, und damit auch das Verbundenheitsgefühl zu Bargeld. Laut Bundesbank hat mehr als ein Viertel der Bevölkerung ihr Bezahlverhalten seit Beginn der Pandemie aktiv von Bargeld auf elektronische Zahlvorgänge umgestellt. Neben dem geänderten Kundenverhalten wird der Rückgang durch erhöhte Händlerakzeptanz gestützt. Pandemiebedingt akzeptieren nun selbst viele Marktstände Kartenzahlungen. Vor Corona eigentlich eine Situation, die man nur aus im digitalen Zahlungsverkehr weit fortgeschrittenen Ländern in Skandinavien oder Asien kannte. Appelle von Einzelhändlern („Zahlt, wenn möglich, kontaktlos mit Karte“) tun ihr Übriges zum Rückgang von Bargeld.

Die Karte ersetzt das Gefühl des Geldscheins in der Hand, das Handy ersetzt die Karte in der Hand. Das Smartphone ist Dreh- und Angelpunkt der Online-Aktivitäten. Der Desktop kommt primär am Wochenende zum Einsatz.

Big-Techs treten in Payment-Markt

Dennoch gibt es nicht „den einen“ Kunden. Und die Vielfalt der unterschiedlichen Bedürfnisse und auch Angebote, die durch den Markteintritt der Big-Techs und weiterer Player im Payment-Markt zunehmen wird, zeigt, dass verschiedene Erfolgsfaktoren ausschlaggebend sein werden im Digital Payment.

Grundsätzlich gilt: Es gibt nicht „die eine“ Lösung und nicht „den einen“ Kunden. Vielmehr wird es erforderlich sein, eine ganze Reihe an Lösungen und Funktionen bereitzustellen, um viele Kunden bedienen zu können. Komplexität ist ohnehin vorhanden in einem zweiseitigen Markt aus Angebot an Zahlverfahren und Zahlungsakzeptanz-Lösungen, neben Drei- und Vier-Parteien-Modellen auch durch horizontale und vertikale Kooperationen und multiple Anbieter.

Die Vielfalt der Angebote muss vernetzt und für Kunden organisiert und gebündelt werden. Hier helfen Wallet-Angebote, Open-API und Kooperationen sowie Partnerschaften, um Lösungen aus einer Hand anzubieten. Dabei ist es wichtig, dass es Vielfalt im Wettbewerb der Angebote gibt, um Innovationen in Gang zu halten. Eine „App für alles“ darf nicht bedeuten, dass es nur noch einen Anbieter „für alles“ gibt. Diese Vielfalt wird so lange gebraucht, bis eine Konvergenz der Bedürfnisse beim Bezahlen erreicht wird.

Dabei helfen Biometrie und herausragendes Risikomanagement, damit es einfacher über alle Kanäle hinweg wird (egal ob am PoS oder online) und damit es sicher bleibt. Hier haben Banken und Sparkassen langjährige Erfahrung, dass Vertrauen hochzuhalten und die Sicherheit zu gewährleisten.

Das allein wird nicht ausreichen: Einfach nur Bezahlen möglich machen und Geld von A nach B transferieren, wird Menschen nicht motivieren, auf neue Bezahlwege zu wechseln. Als größte Stärke der Digitalisierung entstehen funktionale Mehrwerte, die aus dem Mobile Payment und aus Partnerschaften erwachsen. Das eröffnet völlig neue Geschäftsmodelle, etwa um den Kassenbon digital ins Handy zu bringen – automatisch in Verbindung mit der Zahlung.

Neue partnerschaftliche Ansätze

Durch PSD2 konnten technische Barrieren reduziert werden und neue partnerschaftliche Ansätze wurden möglich. Um jedoch Investitionen in wichtige Standardisierungsarbeiten und Innovationen „beyond PSD2“ zu fördern, müssen zwei Dinge gelingen. Erstens: Es braucht neben der Standardisierung natürlich ein tragbares Geschäftsmodell, kommerzielle Anreize und „Win-Win“-Anwendungsfälle für diejenigen, die Schnittstellen anbieten und diejenigen, die die Schnittstellen nutzen. Zweitens: Die Plattformökonomie und Open-API dürfen keine Einbahnstraße bleiben.  Jede Branche muss sich gemeinsam für Standardisierungen und Öffnungen einsetzen – nicht nur die Banken, sondern auch die „neuen Player“ im Payment-Umfeld sind hier gefordert.

In Summe braucht es also den Rahmen, um Partnerschaften auf Augenhöhe zu ermöglichen. Persönlich hoffe ich, dass dies auch ohne Regulatorik und Aufsicht gelingt. Gleichwohl bin ich guter Dinge, dass dies in den vielen guten (und von gutem Austausch geprägten) Initiativen wie dem „Fintech-Rat“ mit allen Beteiligten, auch dem Gesetzgeber, gelingt.

Das bedeutet aber nicht, dass hinsichtlich des gesetzgeberischen Rahmens nichts zu tun wäre. Große Herausforderungen für die breite Etablierung flexibler Partnerschaften im Payment, wie auch im gesamten Finanzdienstleistungssektor, stellen regulatorische und datenschutzrechtliche Anforderungen dar, die in weiten Teilen komplex sind und häufig an (digitaler) Dynamik missen lassen. Kooperierende Parteien werden in ihrer Geschwindigkeit vehement ausgebremst, wenn es rechtlich-regulatorische Hürden gibt und zugehörige Prüfungen viel Zeit in Anspruch nehmen. Das kostet beide Seiten Geld.

Die Digitalisierung könnte hier Lösungen stellen, sie kommt in diesen Bereichen jedoch (zu) langsam voran. Sowohl Legal- als auch Reg-Tech-Lösungen sind noch nicht weit genug entwickelt oder aufgrund regulatorischer Anforderungen nicht „easy to access“ für Banken und Sparkassen, um die internen Rechts- und Compliance-Abteilungen unter Wahrung der rechtlich-regulatorischen Anforderungen nachhaltig zu entlasten. Partnerschaften nach dem Plug-and-Play-Prinzip sind in diesem Setup nicht immer einfach zu ermöglichen. Die Automatisierung von Standardprozessen ist ein weiterer Hebel, um sich dem Plug-and-Play-Modell zu nähern und sollte konsequent weiter vorangetrieben werden.

So werden wir in Zukunft bezahlen

Das Bezahlen wird, auch mit der Digitalisierung, vielfältiger werden und vielfältig bleiben. Zunächst wird der Einsatz von Bargeld weiter zurückgehen zugunsten von Kartenzahlungen. Kartenzahlungen werden durch Mobile-Payment-Lösungen ergänzt. Das eröffnet völlig neue Geschäftsmodelle, den Kunden besser zu verstehen, die Interaktion zu erhöhen und bessere Services anzubieten. Dabei wird es wichtig sein, auch kommerziell erfolgreich zu bleiben, um notwendige Investitionen und Transformationsprozesse finanzieren zu können. Denn nur so können auch künftig die besten Lösungen für Kunden angeboten werden.

Wenn die Menschen hiervon überzeugt werden können, werden auch perspektivisch ganz andere Lösungen aus dem Bereich „Seamless Payment“ Einzug halten – dann werden Einkäufe mittels Augmented Reality per Fingerschnipp, beim Verlassen des Geschäfts oder einfach automatisch ohne Bezahl-Interaktion, ohne Kassenschlangen und ohne Wartezeiten abgewickelt.

Das Ladengeschäft wird dabei meiner Meinung nach aber wichtig bleiben, der menschliche Kontakt wechselt vom Kassenvorgang dann hin zu einem guten Gespräch, etwa welcher Wein zum Abendessen am besten passt und in Geschäften wird für Qualität und Beratung durch diese Entwicklungen mehr Zeit geschaffen. Ich freue mich auf die spannenden Entwicklungen dorthin.

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