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BANKINGNEWS: Herr Dr. Wißmann, Sie waren kürzlich Gast auf unserem Kongress Next Generation Payment in Köln. Wir haben anhand der Reaktionen gemerkt, dass dieses Thema die Banker bewegt. Wie bewerten Sie als Anbieter den Start von paydirekt?
Wißmann: Wir sind mit dem Start generell sehr zufrieden. Wenn ich auf die drei Punkte Technik, Registrierungen und Banken schaue, dann stelle ich fest, dass technisch alles sehr gut und stabil läuft, sowohl in Richtung Händler als auch in Richtung Banken, Endkunden und PSPs. Hinsichtlich der Registrierungen haben wir ein hohes Interesse. Wir haben aktuell mehr als 200.000 Registrierungen. Es sind bisher keine technischen Schwierigkeiten bei den Banken oder Probleme in der Abwicklung mit den Kunden aufgetreten. Wir sind außerdem dabei, die noch fehlenden Banken in das System einzubinden.
Bei aller Kritik, die bisher geäußert wurde, muss man sagen: Es ist gelungen, die drei Banksäulen in Deutschland zusammenzubringen. Das ist aus meiner Sicht schon mal einen Applaus wert. Ist paydirekt jetzt schon ein konkurrenzfähiges Produkt zu PayPal, womit Sie sich im Moment immer messen lassen müssen?
Wir sind sehr zufrieden damit, dass wir die Kreditinstitute an Bord haben und dass es einen homogenen Zusammenschluss zwischen den Banken gibt. Nach so kurzer Zeit stellen wir noch keine Vergleiche zu Wettbewerbern an. Wir müssen zuerst eine Weile gehen, bevor wir fliegen. Wir bringen nach 13 Monaten Entwicklungszeit, was schon recht kurz ist, eine gute Basis heraus, mit der der Kunde im Internet bezahlen kann. Natürlich sind zukünftig noch viele andere Dinge möglich. Das werden wir an den Kundenbedürfnissen ausgerichtet mit den Investoren besprechen.
Wir haben einen hohen Anspruch an Datenschutz und Sicherheit
Wenn es ums Bezahlen geht, sind Sicherheit und Datenschutz immer zwei große Themen. Welche Argumente haben Sie im Vergleich mit der Konkurrenz sowohl für Banken als auch für Händler und Kunden auf Ihrer Seite?
Zunächst sind wir direkt mit dem Onlinebanking-Konto des Kunden verknüpft. Durch den Zusammenschluss und das einheitliche Vorgehen der Banken können wir den Bankenstandard gewährleisten und den Input und auch die Erfahrungen der Bankenexperten nutzen, um das Beste für den Kunden herauszuholen. Wir haben einen sehr hohen Anspruch an uns, was die Themen Datenschutz und Sicherheit betrifft. Wir nutzen immer die aktuellen Technologien und entwickeln uns kontinuierlich weiter. Wir unterliegen als deutsches Unternehmen dem strengen deutschen Datenschutz. Auch der Händler bekommt von uns keine kundenspezifischen Daten.
Der Datenschutz wäre als einziger Mehrwert oder Unterschied zum großen Wettbewerber noch ein bisschen dünn. Womit kann paydirekt noch überzeugen?
Für mich ist das einer der wesentlichen Punkte. Sie haben sicherlich in Ihrem Bekanntenkreis genau wie ich auch viele, die derzeit noch ein bisschen Angst davor haben, überhaupt Onlinebanking zu nutzen. Die sagen: „Ich mach‘ das lieber auf Rechnung, dann habe ich es in der Hand.“ Die Banken sprechen aber mit ihren Kunden über das Thema Onlinebanking. Einige Institute sprechen Sicherheitsgarantien aus. Ein weiteres Argument ist: Der Kunde vertraut seiner Hausbank. Da, wo ich herkomme, kenne ich jeden Bankmitarbeiter mit Vornamen. Die persönliche Beziehung ist für mich immer ein gutes Argument. Es ist nicht irgendein Unternehmen, das irgendwo im Netz hängt, sondern der Bankmitarbeiter vor Ort.
Wie sieht es mit der Sicherheit bei paydirekt auf mobilen Endgeräten aus?
Die Banken bieten alle ebenfalls Apps für mobile Endgeräte an. Auch dort nutzen wir die Kenntnisse und das Sicherheitsniveau der Banken. Wir haben das bei unserer IT-Plattform einfließen lassen und verschiedene Module im Einsatz, z.B. zur Betrugsabwehr, Cyberangriffen oder Fraud. Man muss unterscheiden zwischen Angriffen auf der System- und Angriffen auf der Kundensphäre. Bei beiden Punkten nutzen wir das, was die Banken derzeit schon mitbringen. Bei der Sicherheit im System können Sie davon ausgehen, dass das sehr viel ist. Und auch beim Thema Fraud sind wir mit den Bankenvertretern im Gespräch. Was mich persönlich wundert, ist, dass das Problem Phishing immer noch besteht und weiterhin Kunden durch solche Mails geschädigt werden. Da nutzen wir das Wissen der Banken, wie man diese Gefahr umgeht.
Diese Mails werden in letzter Zeit leider immer besser.
Ja, früher konnte man es immer schon anhand der Formulierung erkennen. Inzwischen habe ich auch schon einige Phishing-Mails gesehen, die perfekt waren und bei denen man schon genauer hingucken musste. Da fahren einige Institute aber eine klare Linie und sagen: „Wir verschicken überhaupt keine Mails an unsere Kunden.“ Ich glaube, wenn das klar ist, wissen die Kunden, dass solche Mails nicht von ihrer Bank kommen können.
Jeden Händler in Deutschland an Bord holen!
Paydirekt ist nicht das erste Verfahren rund um das Thema Bezahlen, was die deutsche Kreditwirtschaft an den Start bringt. Es gab vor vielen Jahren schon einmal die Geldkarte. Damals ist etwas passiert, das jetzt mit der Kritik an paydirekt zu vergleichen ist: das berühmt-berüchtigte Henne-Ei-Problem. Die ersten Händler sind an Bord, aber paydirekt kann nur funktionieren, wenn die Masse der Händler – inklusive Größen wie Amazon – das Verfahren in ihre Systeme einbinden. Ist das ein realistisches Ziel?
Die Händlergewinnung ist Aufgabe der Banken. Das ist auch so gewollt, da die Bank – wie beim Kunden – die direkte Beziehung zum Händler hat. Ich gehe davon aus, dass viele in der Pipeline hängen und viele Gespräche im Hintergrund laufen. Ich weiß, dass einige Händler übers Weihnachtsgeschäft gar keine Ressourcen hatten, um anzudocken. Das wird sich ändern. Wir haben PSPs angedockt, über die kleinere und mittlere Händler ohne Probleme und relativ schnell dazukommen können. Das ist davon abhängig, wie die Banken im Hintergrund mit den Händlern sprechen. Amazon ist sicherlich ein Sonderfall, da es ein eigenes Bezahlverfahren hat. Ziel wäre für mich, jeden Händler an Bord zu holen, den es in Deutschland gibt – und dazu gehört auch Amazon.
Da stellt sich mir jedoch die Frage: Welche Bank geht auf Amazon zu?
Das ist Bankensache.
Ein Buzzword der letzten Jahre in der Bankbranche ist das Thema Multi- bzw. Omnikanalbanking. Wie spielt da ein Onlinebezahlverfahren wie paydirekt den Banken in den Lauf, gibt es Synergien oder muss man das separat betrachten?
Ich habe auch schon auf dem Kongress des BANKINGCLUB gesagt, dass wir in verschiedenen Richtungen an Weiterentwicklungen denken. Ob es den Banken in den Lauf spielt, müssen Sie die fragen. Es gibt von unserer Seite eine lange Liste der Ideen, die wir mit unseren Investoren besprechen. Im Moment legen wir von paydirekt Wert darauf, dass wir die Banken und weitere PSPs onboarden. Es gibt einen Weiterentwicklungsprozess in Abstimmung mit den Investoren.
Sie sagen zu Recht: „Wir fragen unsere Investoren.“ Da drängt sich die Frage auf: Fragen Sie auch die Endkunden, sprich die Händler und die Leute, die zahlen wollen?
Wir behalten die Kunden im Blick. Wir haben auch bei der Entwicklung von paydirekt Kunden gefragt und werden weiterhin stark beobachten, was diese wollen. Das kann durch Fragen oder durch entsprechende Marktforschung geschehen. Die Interessen der Endkunden sowie der Stakeholder gehen in die Diskussionen über die Weiterentwicklung ein.
Sie sprachen davon, dass Sie dabei sind, weitere Banken in das System aufzunehmen. Diejenigen, die am längsten über eine Kooperation mitdiskutiert haben, waren die Sparkassen. Wie schnell wird ein entsprechendes Maß an Sparkassenkunden paydirekt nutzen können?
Die Veröffentlichung des Zeitplans richtet sich nach der Strategie des einzelnen Instituts. Wir sind technisch schon in sehr enger Absprache mit den Sparkassen. Die werden relativ zügig kommen – im Frühjahr 2016.