Wird Facebook bald die größte Bank der Welt?

Auf Facebook werden bald nicht nur Party-Fotos getauscht: 2020 soll eine eigene Kryptowährung des sozialen Netzwerks kommen. User sollen dann unkompliziert Geldbeträge untereinander teilen können. Was das für Banken bedeutet.


Bildquelle: newsroom.fb.com

Eine weltweit gültige Währung, die überall gleich viel wert ist und das Online-Shopping erleichtert – mit dieser Idee ist Social-Media-Riese Facebook im Jahr 2012 kolossal gescheitert. Das Projekt „Facebook Credit“, das primär für das Bezahlen von Spieleinhalten auf der Plattform gedacht war, wurde nur zwei Jahre nach Launch eingestellt. Der Grund: Anwender sahen keinen Sinn in einem Bezahlsystem, das nicht plattformübergreifend funktioniert.

Das möchte Facebook-Chef Mark Zuckerberg nun anders machen. Sein Unternehmen hat für 2020 den Start der neuen Kryptowährung „Libra“ angekündigt. Bereits Ende 2019 soll eine Testphase starten. Libra soll es Usern ermöglichen, unkompliziert Geldbeträge zwischen allen Apps des Unternehmens – Messenger, WhatsApp und Instagram – zu versenden: „Zahlungen sind einer der Bereiche, in denen wir die Möglichkeit haben, einiges zu erleichtern. Ich denke, es sollte so einfach sein, jemandem Geld zu schicken wie ein Foto“, so Zuckerberg im Frühjahr auf einer Facebook-Entwicklerkonferenz.

Ist Libra bald überall?

Zahlungen sollen jedoch nicht auf das Facebook-Ökosystem beschränkt bleiben. So steht das Unternehmen in Gesprächen mit zahlreichen Online-Händlern und konnte mit Mastercard, Paypal und Visa bereits schwergewichtige Partner für das Projekt Libra gewinnen. Damit dem ungetrübten Shopping-Erlebnis auf der ganzen Welt und zu jeder Zeit nichts im Weg steht, ist die Währung als Stable Coin konzipiert. Das ist elektronisches Geld, das an den Wechselkurs offizieller Währungen geknüpft ist und somit nicht den stark schwankenden Kursen gängiger Kryptos zum Opfer fällt. Die Deutsche Bundesbank stellt ein zunehmendes Interesse in der Privatwirtschaft an Stable Coins fest, weiß aber noch nicht, wie sie dieses einordnen soll: „Die Diskussionen zum weiteren Umgang mit den sogenannten ‚Stable Coins‘ innerhalb der Gruppe der großen Zentralbanken sind bisher noch nicht abgeschlossen“, teilte man auf Nachfrage mit. Facebook „kontaktiere“ zurzeit mit seinen Plänen die Aufsichtsbehörden, so die Bundesbank weiter. Banken und Aufsichtsbehörden sind hellhörig geworden.

Die Blockchain-Technologie, auf der Libra basiert, ermöglicht nämlich Direktzahlungen zwischen einem Sender und einem Empfänger ohne Clearing-Stellen wie Banken oder andere  Zahlungsdienstleister. Zudem plant Facebook die Herausgabe von Coins zum Beispiel als Belohnung für das Anschauen oder Weiterempfehlen von Werbefilmen und würde damit sozusagen selbst zur Bank. Das ist gerade für Menschen in Schwellenländern interessant, die oftmals kein Bankkonto besitzen, sagt Dr. Guido Zimmermann, Senior Economist der Landesbank Baden-Württemberg. Gegenüber BANKINGNEWS betonte er: „Der Erfolg von Facebook begründet sich weltweit vor allem durch seine Rolle als Plattform für Kleinunternehmer in den Schwellenländern. Hier hätte ein derartiger Coin wahrscheinlich die größten Auswirkungen. Es könnte auch eine Alternative zu angeschlagenen Währungen zum Beispiel in Venezuela oder dem Iran darstellen.“

Flirten, Freunde treffen, den Wocheneinkauf bezahlen – was passiert eigentlich, wenn User künftig nicht mehr aus dem Facebook-Ökosystem heraus müssten? Verkennen Banken hier die Gefahr, ins Abseits gedrängt zu werden? Einen Kundenstamm von weltweit rund 2,7 Milliarden Nutzern kann sich jedenfalls keine auf die Fahne schreiben. Sollte die Mehrheit künftig die neue Facebook-Währung nutzen, käme das einer eigenen Volkswirtschaft gleich, in der tradierte Banken eine untergeordnete Rolle spielten. Hierzu wollte sich bislang keines der von uns angefragten Institute äußern. Vom Bundesverband der Sparkassen hieß es, noch sei es zu früh, um Facebooks Vorhaben „tiefergehend“ zu kommentieren. Das könne man erst nach dem Start beurteilen.

Gespräche mit Zuckerbergs Erzfeinden

Auch auf regulatorischer Seite stehen noch einige Fragezeichen. Das soziale Netzwerk habe daher laut Financial Times bereits Gespräche mit zwei großen Krypto-Börsen geführt. Eine davon ist ausgerechnet Gemini, geführt von Zuckerbergs Erzfeinden, den Winklevoss-Zwillingen. Deren erbitterter Streit um die ursprüngliche Facebook-Idee, vielen bekannt aus dem Film „The Social Network“, dürfte die Verhandlungen nicht gerade erleichtern. Andererseits zeigt das aber, dass Zuckerberg es ernst meint. Denn Gemini wäre eine gute Wahl, ist die Krypto-Börse doch als Treuhandgesellschaft nach New Yorker Bankenrecht zugelassen und hat auch sonst gute Verbindungen zu den Aufsichtsbehörden.

Banken und neue Konkurrenten

Es bleibt die Frage, warum Facebook gerade jetzt mit seinem Vorhaben aus der Deckung kommt. Kryptowährungen genießen keinen besonders guten Ruf mehr und auch das Netzwerk selbst hat mit der Reputation zu kämpfen. Einem Unternehmen, das in jüngster Vergangenheit mit Skandalen rund um Datenleaks Schlagzeilen machte, vertraut man vielleicht nicht, wenn es ums Geld geht. Hinzu kommt eine allmähliche „Ergrauung“ der einst hauptsächlich von Jugendlichen genutzten Plattform, wie aus dem aktuellen Social-Media-Atlas hervorgeht. Zuckerberg gehen also gerade die jugendlichen Nutzer verloren, die sich potenziell eher mit Blockchain und Co. beschäftigen. Die Social-Media-Studie zeigt auch, dass die Mehrheit der Nutzer kommerziellen Inhalten auf Facebook und Twitter misstraut. Würde sich dieses Misstrauen auch auf den Facebook-Coin übertragen?

Ob Facebook mit seiner Reichweite bald also zum „Bankenkiller“ wird oder Zuckerberg erneut scheitert, bleibt abzuwarten. Guido Zimmermann von der LBBW mahnt jedoch, am Ball zu bleiben: „Grundsätzlich müssen alle Banken sich neuer Konkurrenten gewahr sein. Die Situation ist vielleicht vergleichbar mit jener der Telekom Anfang der Nullerjahre. Es gibt die Telekom zwar immer noch, aber mit weniger Marktanteilen.“