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„Ich glaube, dass es keinen Weg mehr zurück in den digitalen Status quo ante gibt“

Prof. Dr. Bernd Heitzer, Rektor der Hochschule für Finanzwirtschaft & Management, über die Neuaufstellung der Hochschule, die Verzahnung von Wissenschaft und Finanzpraxis, Corona als Katalysator der digitalen Bildung und worauf es für Banken aktuell und künftig im Firmenkundengeschäft besonders ankommt.


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BANKINGNEWS: Herr Prof. Dr. Heitzer, Sie sind seit 2013 Rektor der Hochschule für Finanzwirtschaft & Management. Derzeit befindet sich die Hochschule in einer Neuaufstellung. Welche Ziele sind damit verbunden?
Prof. Dr. Bernd Heitzer: Zum April 2020 wurde die Management-Akademie der Sparkassen-Finanzgruppe, die den beruflichen Aus- und Weiterbildungsbereich der Finanzgruppe an der Spitze verantwortet hat, in unsere Hochschule integriert. Vor diesem Hintergrund firmieren wir seit Juni als „Hochschule für Finanzwirtschaft & Management“. Mit der Zusammenführung wollen wir Studien- und Weiterbildungsangebote noch besser miteinander verzahnen und das große Feld der wissenschaftlichen Weiterbildung weiter ausbauen, um unseren Kunden – das sind Beschäftigte aus Instituten der Sparkassen-Finanzgruppe, aber eben auch bildungsinteressierte Mitarbeitende aus anderen Bankengruppen – aufeinander abgestimmte und innovative Bildungs-, Qualifizierungs- und Entwicklungsmaßnahmen aus einer Hand anzubieten. Wir wollen damit vor allem auch einen Beitrag leisten zur Durchlässigkeit von akademischer und beruflicher Bildung, denn dieses bildungspolitische Ziel hat einen deutlich höheren Stellenwert in der jüngsten Vergangenheit eingenommen und wird sicher weiter an Bedeutung gewinnen. Unsere Hochschule hat das Selbstverständnis, den Instituten in der Finanzwirtschaft mit bedarfsorientierten und vielfältigen Studien- und Weiterbildungsangeboten ein Instrument zur Verbesserung der eigenen Arbeitgeberattraktivität zu bieten, um qualifiziertes Personal zu gewinnen und zu binden.

Welche Angebote bietet die Hochschule für Finanzwirtschaft & Management an und für wen?
Mit der Neupositionierung haben wir unsere Produkte und Angebote in drei Leistungsbereiche zusammengefasst. Der erste Leistungsbereich betrifft Lehre und Forschung. Wir bieten Bachelor- und Master-Studiengänge rund um Banking and Finance an. Neben dieser fachlichen Schwerpunktsetzung zeichnen sich alle unsere Studienangebote durch ihre attraktive berufs- oder ausbildungsbegleitende Studienkonzeption aus. Das heißt, die Hauptzielgruppe unserer Hochschule sind weiterbildungsinteressierte Berufstätige. Im Bereich Lehre und Forschung ist auch das Thema Third Mission, also Transfer von Ergebnissen aus der Forschung in die Finanzpraxis, angesiedelt und unsere internationalen Programme sind hier ebenfalls eingebunden. Der zweite Leistungsbereich umfasst die berufliche Qualifizierung und Weiterbildung. Im Wesentlichen sind dies die bewährten Angebote, die in der Vergangenheit von der Management-Akademie erbracht wurden. Hiermit wenden wir uns bewusst an Führungskräfte und Vorstände, aber auch an Spezialisten in den Kreditinstituten. Wir wollen einen Beitrag leisten zum lebenslangen Lernen und bedarfsorientierte wissenschaftliche Weiterbildung für diese Zielkunden anbieten. Im dritten Bereich sind unsere Dienstleistungen zur curricularen Entwicklung und Medien verankert. Hier wollen wir unsere digitalen Lehrformate professionalisieren und auch über Zertifizierungsangebote Kundengruppen mit dem Ziel erreichen, ihnen Weiterbildungsangebote auf Hochschulniveau zu präsentieren. Natürlich haben wir immer noch unseren Schwerpunkt innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe, denn da kommen wir her. Aber unsere Hochschule ist offen für alle, die sich für einen Karriereweg in der Finanzwelt entschieden haben. Das ist auch ein Grund für den neuen Namen unserer Hochschule.

Bildungseinrichtungen standen und stehen in der Corona-Pandemie vor neuen Herausforderungen. Wie haben Sie sich als Hochschule für die Pandemie aufgestellt?
Unsere Hochschule hatte einen klaren Startvorteil, da wir einen Großteil unserer Studienangebote bereits vor Corona schon als Fernstudienangebote konzipiert haben. Dennoch war es auch bei uns so, dass wir im letzten Sommersemester alle geplanten Präsenzveranstaltungen kurzfristig auf digitale Angebote umstellen mussten. Derartige digitale Lehrformate hatten wir auch vorher schon über virtuelle Klassenzimmer, Lehrfilme oder Podcasts im Einsatz. Und das haben wir jetzt konsequent ausgebaut. Hier wirkt die Corona-Krise wie ein Katalysator, weil es auch keine Alternative zur Nutzung digitaler Tools mehr gibt. Das betrifft alle Hochschulen, sicherlich in unterschiedlichem Ausmaß, aber ich sehe eine große Chance, die Fortschritte, die alle bei der Weiterentwicklung digitaler Prozesse gemacht haben, auch weiter zu nutzen. Ich glaube, dass es jetzt keinen Weg mehr zurück in den digitalen Status quo ante gibt.

Wie haben die Studierenden die Angebote angenommen?
Seitens der Studierenden unserer Hochschule besteht der Wunsch, und das gilt sicher auch für andere Hochschulen, dass sie, soweit es möglich sein wird, auch wieder Präsenzveranstaltungen besuchen wollen. Von daher glaube ich, dass es am Ende auf einen Mix ankommt aus digitalen Angeboten, die es weiter auszubauen gilt, und Präsenzveranstaltungen, bei denen man sich Face-to-Face austauschen kann und die Lehrenden unmittelbar Feedback erhalten. Den Nutzen dieser persönlichen Nähe und direkter Kontaktpflege sollte man nicht unterschätzen. Dies gilt genauso für den Bereich der wissenschaftlichen Weiterbildung. Auch hier wird es künftig einen ausgewogenen Mix aus digitalen und Präsenzangeboten geben. Am Ende wird digitale Bildung an Bedeutung gewinnen, aber sie wird das physische Angebot nicht voll ersetzen können, zumindest kann ich das für unsere Hochschule so festhalten.

Jetzt haben wir viel über Lehre gesprochen. Ihre Hochschule hat natürlich aber auch zahlreiche Forschungsprojekte abgeschlossen beziehungsweise einige laufen noch oder sind in Planung. Welche Entwicklungen sind Ihrer Meinung nach zukunftsweisend für die Finanzindustrie?
Es gibt ein paar Megatrends, die die Kreditinstitute nachhaltig beeinflussen. Das ist zunächst die anhaltende Niedrigzinsphase, die zu einer Erosion der Betriebsergebnisse in den Banken führt und worauf diese eine Antwort finden müssen, wie durch Anpassung von Geschäftsmodellen, aber auch durch konsequentes Ertrags- und Kostenmanagement. Daneben haben wir Megathemen wie Digitalisierung und Regulierung. Gerade kleinere Kreditinstitute sind von aufsichtsrechtlichen Vorgaben stärker betroffen, da sie natürlich auch nicht über die personellen Ressourcen verfügen wie große Institute. Was bei vielen Kreditinstituten an Bedeutung gewinnt, ist das Thema Nachhaltigkeit. Die Sparkassen-Finanzgruppe hat hierzu auch eine Selbstverpflichtung abgegeben. Hinzu kommt der starke Wettbewerb, wenn ich an das Corporate Banking denke. Hier hat die Wettbewerbsintensität deutlich zugenommen. Das liegt sicher auch daran, dass Fintechs und Neobanken in diesen Markt hineindrängen. Das führt dazu, dass dort die Margen gesunken sind. In der Summe dieser Trends ist die Finanzindustrie aktuell sehr gefordert.

Ihre persönlichen Forschungsschwerpunkte sind Unternehmensbewertung, Venture-Capital- und Private-Equity-Finanzierungen, Strukturierte Finanzierungen und Finanzierung mittelständischer Unternehmen. Was sagen Sie als Wissenschaftler: Was läuft in diesen Bereichen bei Banken gut – und was nicht?
Das ist schwer über einen Kamm zu scheren, weil es auch durchaus unterschiedliche Produkte sind. Venture-Capital- und Private-Equity-Finanzierungen sind Themengebiete, die sicherlich nicht flächendeckend bei allen Banken betrieben oder vorgehalten werden. Das hat sicher auch gute Gründe, wenn man an die regional tätigen Sparkassen oder genossenschaftlichen Institute denkt. Die Finanzierung mittelständischer Unternehmen dagegen ist natürlich Kerngeschäft letztlich aller Kreditinstitute. Wie schon angesprochen, ist das ein sehr umkämpftes Geschäftsfeld. Und so kommt es aus meiner Sicht ganz besonders darauf an, die Beziehung zum Kunden wirklich zu pflegen und auszubauen und so Zusatzgeschäft zu generieren.

Und bei Strukturierten Finanzierungen?
Strukturierte Finanzierungen sind ein spannendes Thema, weil hier höhere Margen als im klassischen Kreditgeschäft möglich sind. Natürlich ist das wiederum mit höheren Risiken verbunden. Strukturierte Finanzierungen können zudem neue Einnahmequellen über die Zinsmargen hinaus generieren, nämlich über Provisionserträge, sodass dies für viele ein interessantes Feld sein kann. Zusammenfassend kommt es im Corporate Banking ganz entscheidend auf die Pflege der Kundenbeziehung und auf die Steuerung des Vertriebs an. Gleichzeitig gilt es, die Risiken im Blick zu behalten, also Vertriebs- und Risikosteuerung gemeinsam in den Fokus stellen.

Interview: Laura Kracht