Führen heißt Räume ausfüllen

Neue Arbeitswelt und digitale Transformation: Wie macht man das eigentlich in einer Sparkasse? Bei uns im Norden sagt man: „Der Fisch fängt am Kopf an zu stinken.“ Und deswegen beginnt ein Veränderungsprozess im Unternehmen auch immer bei den Führungskräften.


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Auf dem Führungskräfte-Forum der OSPA im Sommer hieß das Motto: „Führung bedeutet, die Potenziale meiner Mitarbeiter zu erkennen und alles dafür tun, dass sie im Sinne des Mitarbeiters und des Unternehmens gehoben werden.“ Und weiter: „Aufgabe der Führungskraft ist es, die notwendigen Instrumente einzusetzen, also: vormachen, mitmachen, allein machen lassen – so wie es der Mitarbeiter braucht.“

Auf diesem Weg soll die Führungskraft ihren Mitarbeitern Raum geben und ihn phasenweise mit dem eigenen Know-how und Methodenkompetenz ausfüllen: „Wenn Ihr Mitarbeiter irgendwann besser ist, als Sie selbst – dann haben Sie Ihren Job gut gemacht.“

Nicht jeder Mitarbeiter passt zu jeder Führungskraft

Der Raum, den die Führungskraft zu Beginn noch ausfüllen muss, weil der Mitarbeiter den Anforderungen noch nicht gerecht werden kann, wird im Laufe der Zeit immer kleiner und ist am Ende bestenfalls verschwunden. Während es bei uns vor fünf Jahren noch darum ging, Fachkompetenz in den Raum zu geben, geht es heute zunehmend um Methoden-, Lösungs- und Entscheidungskompetenz.

Was macht das mit den Führungskräften? Das lässt sich in drei Kategorien beschreiben: Zum einen haben wir die Kollegen, die sich mit diesem Gedanken gut fühlen, die keine Angst haben, irgendwann überflüssig zu sein, und sich dann neuen Aufgaben oder anderen Mitarbeitern widmen können. Das sind Führungskräfte, die in ihrer täglichen Arbeit spüren, dass es sich gut anfühlt, wenn die eigenen Mitarbeiter auf Augenhöhe agieren, selbstverständlich Feedback geben und Ideen einbringen.

Die nächste Kategorie sind die Führungskräfte, die die Notwendigkeit einer neuen Führungskultur verstehen, für sich selbst aber den Weg noch nicht gefunden haben. Verantwortung haben und trotzdem Projekte, Termine und Entscheidungen aus der Hand geben? Wie genau soll ich als Führungskraft dies verbinden?

Zur dritten Kategorie gehören Führungskräfte, die noch in einem alten Rollenbild gefangen sind. Meist sind es Fachspezialisten, die ihre „Führungsbefähigung“ aus ihrem Fachwissen ableiten. Es sind Kollegen, die schon lange ihre Bereiche leiten und die die einmal gesicherte Position unbedingt halten wollen. Für diese Führungskräfte bedeutet das Abgeben von Projekten und Entscheidungen den Verlust von Kontrolle, persönlicher Bedeutung und irgendwann möglicherweise von Stellung.

Der Einsatz der richtigen Instrumente

Für die Entwicklung unserer Führungskräfte bedeutet das, dass wir uns vorwiegend mit den in der zweiten Kategorie beschriebenen Kollegen beschäftigen. Also wie funktioniert der Weg in eine neue Führungsrolle? Die letzten drei Jahre lag der Schwerpunkt der Führungskräfteentwicklung auf Themen wie Persönlichkeitsstrukturen und Werte von Mitarbeitern, auf Kommunikation und Entwicklungsgesprächen sowie dem Einsatz der richtigen Instrumente in der Mitarbeiterentwicklung.

Als Plattform nutzen wir neben Seminaren, Workshops und Entwicklungsprogrammen das vierteljährliche Führungskräfte-Forum, einmal im Jahr eine zweitägige Tagung sowie Buddyteams, in denen sich die Führungskräfte regelmäßig treffen.

Und die Führungskräfte der dritten Kategorie? Hier geht es für uns zunächst darum, solche Einstellungen transparent zu machen. Natürlich kommuniziert niemand offen, dass er ein neues Rollenbild und Führungsverständnis für unnötig hält und dass er seinen Bereich führt wie immer. Aber da wir auf Mitarbeiterveranstaltungen sehr offen über unsere gewollte Kultur und über Werte-Strukturen sprechen und eine direkte Kommunikation zwischen Vorstand und Mitarbeitern bei uns normal ist, sorgen heute zunehmend die Mitarbeiter selbst für Transparenz.

„Topf und Deckel“ müssen zusammenpassen

In diesem Jahr haben wir auf Wunsch der Mitarbeiter eine Reihe interaktiver Vorträge initiiert, in denen ich Referent war und über die Entwicklung der OSPA, künftige Herausforderungen und die Erwartungshaltung an Mitarbeiter und Führungskräfte gesprochen habe. Diese Transparenz sorgt für Druck von unten – unsere Mitarbeiter haben klare Erwartungen an ihre Führungskräfte.

Ein Beispiel aus der Praxis: Wir proklamieren seit geraumer Zeit, dass „Topf und Deckel“ zusammenpassen müssen. Nicht jeder Mensch kann mit jedem Menschen, nicht jeder Mitarbeiter passt zu jeder Führungskraft und umgekehrt. Das ist aus unserer Sicht völlig normal und wenn sich beide bemüht haben, aber kein Weg zusammenführt, kann eine Neuorientierung helfen – wie in einer Beziehung. Damit die Neuorientierung nicht weg von der OstseeSparkasse Rostock führt, gehen wir damit offen um. Heute suchen unsere Mitarbeiter in Krisensituationen zunehmend die Kommunikation, wohlwissend, dass wir gemeinsam eine Lösung finden.

Ambitionen formulieren und Pläne ableiten

Anfang des Jahres haben wir im Privatkundenbereich eine neue Struktur eingeführt. Ich habe mich aus meiner zuvor dreijährigen direkten Führung der Filialleiter zurückgezogen. Ich hatte den Raum, den ich füllen konnte, gefüllt und Platz gemacht für fünf Nachwuchsführungskräfte, die sich durch ihre besonderen Leistungen als Filialleiter für den nächsten Entwicklungsschritt qualifiziert hatten. Um hier die vorurteilsfreie und von Beginn an positive Zusammenarbeit zu erhöhen, konnten sich die 35 Filialleiter einen der fünf Vertriebsleiter zur Führungskraft wählen – der „Topf“ hat sich seinen „Deckel“ gesucht.

„Raum füllen“ gilt auch für den Vorstand. Das bedeutet eine neue Art von Steuerung des Unternehmens. Natürlich müssen wir auf betriebswirtschaftliche Zahlen schauen, Ambitionen formulieren, Pläne ableiten und Ist-Analysen machen. Aber das sind eher Hygienefaktoren. Heute geht es vielmehr darum, auf das „Wie“ zu schauen. Wir brauchen „mehr Giromarktanteil“ oder „mehr Provisionserträge“ ist leicht gesagt. Meine Aufgabe ist es, beim „Wie“ zu helfen, Kreativprozesse und neue Lösungen vorzumachen, meinen Kollegen beim eigenen Initiieren zu helfen, dabei andere Wege zuzulassen und mich irgendwann zurückzuziehen.

Für mich bedeutet das, dass ich perspektivisch weniger Entscheidungen treffen und dabei immer weniger Lösungen vorgeben muss, weil meine Kollegen den Weg selbst finden. Und wenn die OSPA auch ohne mich weiter so erfolgreich ihren Weg geht, habe ich meinen Job gut gemacht.