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Sind Banker wirklich so miese Typen?

Die Wahrheit über Banker von einem Banker. Anshu Jain, Co-Boss der Deutschen Bank, klagte jüngst: „Wenn man zu einer Party geht und sagt, man ist Banker, schweigen die Leute.“ Man fragt sich, auf welche Art von Partys Jain geht. Denn normalerweise sind Menschen beim zufälligen Aufeinandertreffen mit Bankern in etwa so zurückhaltend wie ein Lynch-Mob…


Die Wahrheit über Banker von einem Banker.

Anshu Jain, Co-Boss der Deutschen Bank, klagte jüngst: „Wenn man zu einer Party geht und sagt, man ist Banker, schweigen die Leute.“ Man fragt sich, auf welche Art von Partys Jain geht. Denn normalerweise sind Menschen beim zufälligen Aufeinandertreffen mit Bankern in etwa so zurückhaltend wie ein Lynch-Mob im wilden Westen mit Pferdedieben. Was früher Volksmusik und Jogging waren, ist heute „Hau den Banker“ – ein Volkssport. Was früher „Monopoly“ war, ist heute „Crunch“.

Hau den Banker!
Schon Kinder (ab 12 Jahren) lernen heute, wie man „Hau den Banker“ spielt. Zum Beispiel mit „Crunch“, einem Bestseller-Kartenspiel für zwei bis sechs Spieler. Ein jugendfreier Auszug aus der „Spielanleitung“: „Der Banker, der sich vor dem Untergang der Bank die fettesten Boni genehmigt und am meisten Geld in Ärmeln und Taschen verstaut hat, gewinnt. (…) In Crunch muss man die anderen Banker betrügen und sie beim Betrügen erwischen. (…) Bitten Sie die Regierung um rettende Finanzspritzen, genehmigen Sie sich einen Bonus und – wenn keiner hinsieht – unterschlagen Sie so viel Sie können, bevor Sie von der Krise erwischt werden.“ Soweit die inzwischen medial und gesellschaftlich konsensfähige Berufsbeschreibung des Berufsstandes. So weit, so schlecht. In den Augen der Öffentlichkeit werden Banker im Augenblick schwerpunktmäßig als Betrüger, Gauner und Gambler wahrgenommen. Das sagen Journalisten, Kommentatoren, Politiker und Millionen Bankkunden. Was sagen Banker?

 

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Der Totum-pro-parte-Effekt
Banker sind tatsächlich arm dran. Aber aus anderen Gründen als die öffentliche Meinung insinuiert. Der einfache Bankmitarbeiter, der seit fünf Jahren treu und brav und ohne auch nur einen Cent veruntreut zu haben, seine Kunden am Schalter fehlerfrei betreut, streicht so übern Daumen netto 1800 Euro ein. Hat davon schon mal jemand ernsthaft zu leben versucht? Mit Kindern? Und zur finanziellen Misere kommt jetzt auch noch die Image-Katastrophe, weil die öffentliche Meinung den Baum mit dem Wald verwechselt, was der Philosoph den Totum-pro-parte-Effekt nennt: Weil ein paar charakterlose Konsorten Mist bauen, muss jetzt jede ehrliche Haut leiden.

Faule Äpfel
Wer sich etwas in der Branche auskennt, weiß: Pro 100 zu Unrecht stigmatisierten Bankern findet selbst der schärfste Staatsanwalt höchstens, allerhöchstens zwei faule Äpfel, die „Crunch“ in echt spielen und die Obststeige stinken lassen. Und diese zwei Abzocker, ihre Jets, Yachten und Privatvermögen sind in Branchenkreisen meist hinreichend bekannt. Die unschuldig verfolgte Herde weiß also meist namentlich genau, welchen beiden Böcken sie den öffentlichen Rufmord und die schiefen Blicke auf Partys zu verdanken hat. Man sieht, was die Herren (seltenst Damen) da treiben, erkennt ihre krummen Touren, aber kann nichts dagegen unternehmen, sondern bezieht auch noch stellvertretend Prügel für die Blödmänner – und die Blödmänner kommen meist ungeschoren davon. Denn großartige Coups der Strafverfolgungsbehörden wie in den Fällen Madoff, Kerviel und Adoboli sind die Ausnahme. Oder wissen Sie noch, wer die Lehmann-Katastrophe verbrochen hat? Nein. Die Urheber sind namentlich geschützt. Auch von den Medien. Und der Politik. Nur einer ist und wird notorisch nicht geschützt: der einfache, ehrliche, anständige Banker. Das hat der Trottel nun davon! Wen wundert’s, dass der Frust über die Machtlosigkeit zur Versuchung wird: Hör endlich auf, den Sündenbock für die Madoffs dieser Welt zu spielen! Werde selber korrupt! Die Öffentlichkeit zieht sich mit ihrer Hexenjagd exakt jene Banker heran, über die sie sich in zehn Jahren dann wieder wütend auslassen wird. Paradox? Eher pervers. Aber gut für den Markt. Banken sind nämlich gerade billig zu haben.

Brauchen Sie’ne Bank?
Überlegen Sie sich das ruhig mal. Denn Banken sind derzeit für’n Appel und ein Ei zu haben. Viele sind „im Spiel“. Sie stehen zum Verkauf. Das geschieht denen gerade recht? Wer ist „denen“? Wenn mit „denen“ die ehrlichen Schaltersklaven gemeint sind, die mit der Bank verkauft werden, kann von Gerechtigkeit keine Rede sein. Das sind nämlich jene Leute, die nichts mit dem Schwindel zu tun hatten, wegen dessen Auffliegen die Bank nun verhökert werden muss. Im Gegenteil: Sie haben den Schwindel schon früh gerochen, Meldung gemacht, aber wurden von den beiden Absahnern ganz oben untergebügelt und müssen nun für diese beiden die Suppe auslöffeln, während die beiden den goldenen Fallschirm ziehen. Die einzige Belohnung, die der Schalterservice sieht, sind irrsinnige Kostensenkungs- und Leistungsziele vom neuen Eigentümer der Bank, die stark an Sklavenhaltung erinnern. Ganze Abteilungen arbeiten praktisch ohne Feierabend und Wochenende, um die Übernahme der Bank abzuwickeln, dürfen keine Überstunden aufschreiben, sehen ihre Familien nicht mehr, werden krank, brennen aus oder verlieren ihren Job – nur um tags darauf in der Zeitung zu lesen, wie korrupt Banker doch sind. Ihr Kind macht gerade Schulabschluss? Schicken Sie es ins Kloster, bevor es Bankbetriebslehre studiert oder eine Banklehre beginnt. Das wäre ein gnädigeres Los als es seine formativen ersten Berufsjahre unschuldig am Pranger einer ganzen Nation zubringen zu lassen. Was heißt hier unschuldig? Wer ist überhaupt schuld am Totalverlust des Vertrauens in einen ganzen Berufsstand?

Wer ist schuld?
Es ist ausgemachte Sache, dass „Die Banker“ schuld sind an der Bankenkrise. So wie ausgemachte Sache ist, dass die Badehose Schuld hat, wenn einer nicht schwimmen kann. Je heftiger dieser Dolchstoß-Mythos verbreitet wird, desto intensiver drängt sich dem neutralen Beobachter die Frage auf: Wer wollte denn in den Jahren vor dem großen Krach, überspitzt formuliert, Kredite für drei Prozent und fünf Prozent fürs Sparbuch? Wie sollte das funktionieren? Die Bank kriegt für geliehenes Geld nur drei Prozent, muss aber für geborgtes Geld fünf bezahlen? Macht ein Minus von zwei Prozent. Womit soll dieses Minus gedeckt werden? Klar: mit hoch riskanten Spielereien, zu denen sich viele Bankvorstände gezwungen sahen, um ihre Kunden nicht an die Internet-Banken zu verlieren, die sehr viel günstigere Konditionen anbieten können, weil sie keine Menschen bezahlen müssen (so viel zur Consumer Social Responsibility). Wenn man in den Monaten vor der eigentlichen Krise mit Vorständen sprach, rauften diese sich bereits den Bart und kassandrierten: „Das geht böse aus!“ Denn drei Prozent einnehmen und fünf ausbezahlen – wenn Edeka, adidas und Siemens so kalkulieren müssten, wären sie schon lange pleite. Aber von den Banken verlangt man das, weil „Geiz ist geil!“ Kein Leitartikler hat jemals über diese Geizhälse lamentiert, die ihrer treuen und braven Hausbank das Messer an die Kehle setzten: „Leg schnell noch zwei Prozent drauf, sonst geh ich ins Internet zur Direktbank!“ Darüber schweigt die Berichterstattung – weil der Berichterstatter auch schon mal so am Bankschalter geschachert hat? Weiß man’s? Man weiß es nicht. Es sei denn, man fragt auch mal einen Banker nach dem ganzen Schlamassel – was Sie eben getan haben. Danke fürs Zuhören. Das war’s? Nicht ganz.

Nach der Krise ist vor der Krise
Watzlawick propagierte „Das Gute vom Schlechten“; in der Finanzbranche erwacht es gerade zum Leben. Denn auch wegen der anhaltenden öffentlichen Buh-Rufe wechseln derzeit erstaunliche viele Banken zum ursprünglichen Geschäftsmodell der Banken und zu den Grundsätzen des ehrbaren Bankers zurück: Sie nehmen die Spargroschen der Menschen und geben Kredite der Wirtschaft, von denen die Menschen leben und ihre Spargroschen finanzieren. Sie verzichten auf Spekulation, Zockerei und Eigengeschäfte. Dafür wurden Banken vor 2200 Jahren in Mesopotamien erfunden. Und wenn nur genügend Banken das ein paar Jahre durchhalten, legt sich der Shitstorm irgendwann wieder und 99% der armen Banker kommen endlich vom Pranger frei, an dem sie schon so lange unverdient stehen. Das ist ein Gutes an der ganzen bösen Geschichte. Das andere Gute ist: Viele Banker lernen dank Krise und „Hau den Banker“ zum ersten Mal in ihrem Berufsleben, richtig zu verkaufen. Nämlich sich selbst, ihre Bank, ihre Ehrlichkeit, ihre Prinzipien und ihre Vertrauenswürdigkeit. Sie kämpfen am Schalter nicht nur um jeden Kunden, sondern auch um das Vertrauen jedes Kunden. Sie erkämpfen sich das zurück, was sie vorher irrtümlich für gegeben und selbstverständlich genommen und damit sträflich vernachlässigt haben. Wem immer das auch gelingt, der/die kann gewiss sein, nicht nur das Beste aus der Krise zu machen, sondern auch ein Meisterstück des Turnaround Managements abzuliefern und nicht geschwächt wie die meisten, sondern erstarkt und gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Das wünscht sich doch jeder Bankkunde – und hoffentlich jeder Banker.

Von Klaus Schuster.

Er war lange Jahre Vorstand und Troubleshooter in internationalen Banken, bevor er sein eigenes Unternehmen gründete. Heute trainiert er Topmanager, Junior Executives, High Potentials und Vertriebsmitarbeiter aller Branchen und Bereiche. Außerdem hält er Vorträge zu Führungsthemen und ist Autor von Managementbüchern. Weiteres unter www.klausschuster.eu