Was ist das eigentlich, Diversität? Und was hat sie mit Wertschätzung zu tun? Wir sind alle einzigartig in unseren Erfahrungen und Kompetenzen. Aber jeder entscheidet für sich, ob er in seinen Mitmenschen eher nach Differenzen oder Gemeinsamkeiten sucht. Für Dr. Eva Voß, Head of Diversity, Inclusion and People Care Germany & Austria bei BNP Paribas, bedeutet Diversität, den Perspektivwechsel zu suchen und Meinungen einzufordern. „Diversität ist ein Fakt und Inclusion eine Haltung. Schaffe ich Voraussetzungen, um Vielfalt zuzulassen?“
Inclusives Denken und Handeln ist unbequem, sorgt es doch für Vielfalt und damit für Diskussionen. Doch die positive Seite liegt auf der Hand: Wer Kreativität und Innovation der Mitarbeitenden fördern möchte, braucht Andersdenkende und neue Ideen. Im Interview erklärt Eva Voß, wie Diversity Management auf die Innovationsfähigkeit von Unternehmen einzahlt und was sie tun können, damit Vielfalt selbstverständlich wird.
Ein Hemmnis für Diversität sind Vorurteile. Welchen Vorurteilen begegnen Sie als Diversity Managerin im Alltag?
Insgesamt gibt es über 170 erforschte Vorurteile oder Biases. Ein ganz typisches Vorurteil in Unternehmen ist der sogenannte Confirmation Bias, also die Suche nach Bestätigung für die eigene Entscheidung. Andere Meinungen werden dann nicht zur Kenntnis genommen. Gerade vielen Führungskräften fällt es teilweise schwer, sich zu hinterfragen und Unsicherheit zu zeigen. Das Wissen um solche Mechanismen hilft aber, sie auszuschalten. Darum muss Diversität im Denken auch unternehmensseitig begleitet werden.
Wo setzen Diversity Manager im Unternehmen an?
Aus der strategischen Perspektive: Wo braucht die Firma was? Wir starten mit einer Analyse der gesamtstrategischen Ausrichtung. Heterogene Kunden brauchen ein diversifiziertes Portfolio, dafür wiederum braucht es eine diverse und kreative Umgebung. Ein Diversity Manager muss Verbesserungspotenzial und Vorurteile im Unternehmen erkennen und benennen. Es geht um die drei großen „A“s der Inclusion: Awareness, Authenticity und Accountability – Bewusstsein, Authentizität und Verantwortlichkeit.
Das klingt nicht nach Prozessen, die sich von heute auf morgen ändern. In welchen Zeitmaßen denken Sie?
Ein Veränderungszyklus braucht etwa sechs bis acht Jahre. Das bedeutet natürlich, dass ein Diversity Manager einen langen Atem haben muss. Aber viele Prozesse, die wir begleiten, sind langfristiger Natur. Nehmen wir einen anstehenden Generationswechsel: Am Anfang stehen Entscheidungen, wie und wen ich nachbesetzen will. Muss ich meine Rekrutierung verändern? Welche Fähigkeiten braucht die neue Generation und wo finde ich diese? Was muss ich unternehmen, damit kein Wissen verloren geht? Das sind langfristige Prozesse. Gerade viele kleine und mittlere Unternehmen stehen vor einer solchen Herausforderung.
Dann ist Diversity Management auch Change Management?
Auf jeden Fall, wir gehen an die Grundfesten der Strukturen heran. Und inzwischen merken die Arbeitgeber, dass sich das lohnt. Gerade bei Jüngeren zählt heute der Purpose: Warum soll ich genau in diesem Unternehmen arbeiten? Welche Werte vertritt es? Darauf zahlt Diversity Management ein mit der Intention, die Zugehörigkeit und damit auch die Verweildauer im Unternehmen zu stärken.
Das kann man in Zahlen messen: Divers aufgestellte Unternehmen sind um 30 Prozent innovativer und minimieren gleichzeitig ihre Risiken um 20 Prozent. Das ist gerade in der heutigen Krisenzeit unverzichtbar! Gesehen-werden und Wertschätzung kreiert am Ende einen Business Case – die Unternehmen sind knallhart besser aufgestellt. Sie können neue Dienstleistungen und Produkte kreieren, die sie vorher nicht entwickeln konnten. Eine diverse Belegschaft ist nicht nur gut für das Image, sondern auch auf Produkt- und Ergebnisseite überlegen. Nur so kann ein Unternehmen den heterogenen Anforderungen der Kundschaft optimal gerecht werden!
Woran erkennt ein Unternehmen einen guten Diversity Manager?
An der fachlichen Fundierung, der permanenten Lernbereitschaft und natürlich an einem sehr evidenzbasierten Arbeiten, denn nur weil Maßnahmen – mal wieder – en vogue sind, wie etwa gerade reine Frauennetzwerke, heißt es nicht, dass sie dem eigentlichen Ziel, das sich die Organisation gesetzt haben, wirklich gerecht werden.
Dafür brauche ich dann auch die nötige Überzeugungskraft, um in der strategischen Beratung der Unternehmensleitung für wirklich relevante Ansätze einzustehen. Das wiederum erfordert eben den langen Atem, deshalb sollte man immer auch eine gehörige Portion Humor haben und den Spaß an der Sache nicht verlieren.
Drei Tipps für Unternehmen
- Alle zu Wort kommen lassen! Viele Menschen sind introvertiert oder trauen sich als „Neue“ noch nicht, sich zu melden. Es geht viel verloren, wenn Führungskräfte nicht auf diese Mitarbeitenden zugehen.
- Gemeinsam Pausen machen: Treffen Sie sich mit Menschen aus anderen Abteilungen oder auch Unternehmen, um Input von außen zu bekommen und andere Perspektiven kennenzulernen.
- Nehmen Sie Kolleginnen und Kollegen zu Veranstaltungen mit, um danach darüber diskutieren zu können. Oder ganz allgemein: Werden Sie besser im Zuhören!
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