Über einen vergleichsweise sehr langen Zeitraum konnte man fast die Uhr nach Mario Draghis Beteuerungen stellen, dass er eine drohende Deflation in jedem Fall zu verhindern weiß. Mittlerweile hört man vom EZB-Präsidenten andere Töne.
Es vergeht wohl keine Woche, in der Mario Draghi nicht die Faust ballt, weil mal wieder etwas nicht so funktioniert, wie er es sich noch zuvor ausgemacht hat. Nun musste sich der Präsident der Europäischen Zentralbank eingestehen, dass eine von ihm immer wieder verneinte Deflation nun doch droht. Sollten die Preise immer weiter fallen, würde dazu das Wachstum äquivalent sinken und Europa stünde vor einer großen Welle der Arbeitslosigkeit. Draghi gibt sich dagegen kämpferisch und betont bei so ziemlich jedem öffentlichen Auftritt, dass er und seine Mannen bereits an Lösungen tüfteln, um auf die befürchteten niedrigen Inflationsraten reagieren zu können. Der Präsident der Europäischen Zentralbank hat, gelinde gesagt, auch keine andere Wahl, als sich den kommenden Ereignissen mutig zu stellen. Denn sicherlich toben in seinem Kopf auch die potentiellen Szenarien, die durch die parlamentarischen Wahlen in Griechenland, Portugal und Spanien in diesem Jahr drohen. „Grexit“ ist in aller Munde und die Auswirkungen auf die Europäische Währungsunion sind noch nicht vollständig abzusehen. Die EZB muss sich wappnen, um irreparablen Schaden zu verhindern.
Schwächelnder Wirtschaft stehen weiterhin schweren Zeiten bevor
Es ist leider irgendwie bezeichnend, dass wir auch im neuen Jahr immer noch über drohende Wirtschaftseinbrüche sprechen müssen, im Kontext derer die Europäische Zentralbank wie ein „Backup“ nur darauf wartet, finanzielle Spritzen für schwächelnde Elemente in Europa zu bieten. Wann stabilisiert sich dieser Diskurs? Ja, wird er es jemals tun? In absehbarer Zeit ist damit nicht zu rechnen. Schließlich hatte niemand den in der zweiten Hälfte des letzten Jahres eingebrochenen Ölpreis auf dem Schirm, der zwar grundlegend in den europäischen Ländern für ein steigendes Wachstum steht, aber andererseits 2014 die niedrigste Inflationsrate in Deutschland seit fünf Jahren verursacht. Die von der EZB angestrebte Inflationsrate von zwei Prozent ist somit in so weite Ferne gerückt, wie schon lange nicht mehr. Es wäre also nicht verwunderlich, wenn die Notenbank demnächst immense Staatsanleihen kaufen würde, um dieses Ziel nicht für die Ewigkeit aufgeben zu müssen.
Staatsanleihen-Kauf: Angela Merkel ballt schon die Fäuste
Sollte Mario Draghi in den Krisenstaaten wirklich Anlagenkäufe tätigen, werden in Berlin sicherlich keine Sektkorken knallen. Im Gegenteil: Staaten in der Schuldenfalle würden auf diesem Weg durch die EZB finanziert, was nicht im Sinne der Länder sein kann, die Milliarden in die Aufrechterhaltung dieser Länder investiert haben. Allerdings scheint Mario Draghi zu allem bereit zu sein, um die drohende Deflation zu verhindern – ein Drama in Millionen Akten.
Bildnachweis: koya79 über istockphoto.de