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„Es ist ein Spagat zwischen Freiheit und Regulierung“

Iris Bethge-Krauß, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB), über zu viel und zu wenig Regulierung, über Lobbyarbeit und warum sich das Prinzip „Hausbanken – Förderbanken“ in der Krise bewährt hat.


Im Interview mit der BANKINGNEWS spricht Iris Bethge-Krauß unter anderem darüber, warum sich das Prinzip Hausbanken und Förderbanken bewährt hat.

BANKINGNEWS: Frau Bethge-Krauß, wir sprechen in der Finanzbranche immer von drei Säulen. Sie stehen für die „Deutsche Kreditwirtschaft“ als Interessenvertretung der fünf kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände. Ihr Verband betreut laut Bilanzsumme ein Drittel der deutschen Bankenlandschaft. Fühlen Sie sich da manchmal wie das „fünfte Rad am Wagen“?
Iris Bethge-Krauß: Auf keinen Fall. Der VÖB ist ein Verband, der bedeutende Mitgliedsinstitute vertritt. Wir sehen uns als Motor und Treiber wichtiger Themen.

Welche Institute betreuen Sie?
Der VÖB hat seinen Markenkern, das sind die öffentlichen Banken, darunter die Förderbanken des Bundes und der Länder sowie die Landesbanken. Neben den ordentlichen Mitgliedern gibt es bei uns außerdem eine Reihe außerordentlicher Mitglieder wie die Aareal Bank, die DZ Bank oder die Deutsche Apotheker- und Ärztebank. Was man auch nicht vermutet: Deutschland hat gegenwärtig mit 21 Institutsgruppen die meisten unmittelbar von der EZB beaufsichtigten Institute. Davon sind zehn Institutsgruppen dem VÖB angeschlossen.

Wie sehen Arbeit und Struktur des Verbands aus?
Der VÖB ist eine schlanke Organisation. Unser Stammsitz ist in Berlin, daneben sind wir in Brüssel vor Ort. Wir vertreten die Interessen unserer Mitglieder gegenüber den Parlamenten, Regierungen und den Aufsichts- und Regulierungsbehörden. Wir informieren zeitnah über wichtige regulatorische Änderungen und ihre Auswirkungen und bieten eine Plattform für Erfahrungsaustausch und Netzwerkbildung. Zudem sind wir als einziger kreditwirtschaftlicher Verband auch Arbeitgeberverband. Wir verhandeln eigenständig die Tarifverträge für die Beschäftigten der öffentlichen Banken.

Arbeiten Sie auch mit anderen Verbänden zusammen?
Ja, denn wir haben eine hohe Fachkompetenz, die auch von anderen Verbänden geschätzt und genutzt wird, zum Beispiel bei Kapitalmarktthemen. Es sind nicht nur Themen rund um Landes- und Förderbanken, die wir für andere Verbände aufbereiten und begleiten. Aber das ist keine Einbahnstraße – auch wir profitieren von der Expertise anderer Verbände. Wichtig ist, dass die kreditwirtschaftlichen Verbände und andere Verbände wie der BDI oder die kommunalen Spitzenverbände möglichst oft mit einer Stimme sprechen, gerade auch in Brüssel. So erhöhen wir die Schlagkraft.

„Wir könnten schon eine Regulierungspause gebrauchen.“

Bankenregulierung ist längst europäisch. Werden wir in Brüssel überhaupt noch ernst genommen?
Absolut. Wir werden sehr ernst genommen und sind wichtiger denn je, weil wir zuverlässige Ansprechpartner für Parlament, Kommission und EZB sind. Es gibt in Brüssel und auch in Luxemburg oder Frankfurt mit der EZB viele europäische Institutionen, die von uns angesprochen werden. Sie profitieren von unserer Expertise, denn weder Parlamentarier noch Regulierer oder die Aufsicht können allein immer wissen, welche Maßnahmen hilfreich und angemessen sind oder ob sie sich vielleicht sogar gegenseitig blockieren. Wir können dann mit unserem Wissen unterstützen und vermitteln. Seit der Finanzmarktkrise 2008 ist die Finanzindustrie zu Recht streng reguliert worden. Doch der Ruf nach Regulierung ist vielleicht auch das eine oder andere Mal über das Ziel hinausgeschossen. Daher ist es wichtig, dass wir uns mit einbringen.

Banken fordern seit Jahren einen „Sabbatical“ bei der Regulierung. Wünschen Sie sich so etwas auch?
Es ist immer ein Spagat zwischen Freiheit und Regulierung. Das verläuft in der Regel ja auch in Wellen. Zuerst wird straff reguliert, dann wird nach und nach dereguliert, und danach geht es von vorne los. Ein gesundes Maß der Mitte ist wichtig. Wir sind in einer Phase, in der wir mehr als ausreichend reguliert sind. Wir sollten jetzt schauen, dass es an manchen Stellschrauben wieder Erleichterung gibt, damit Banken gut durch die Krise kommen. Denn wenn Bonitäten der Kreditnehmer heruntergehen, muss die Bank mehr Eigenkapital aufbringen und kann unter Umständen einen Kredit nicht mehr vergeben.

Oder muss ihn kündigen.
Genau. Ist das Eigenkapital ausgelastet, müssen Kredite abgebaut werden, um neue vergeben zu können. Und dazu sollte es gerade jetzt nicht kommen. Es ist daher wichtig, anstehende regulatorische Großprojekte auf den Prüfstand zu stellen – allen voran das Basel-IV-Reformpaket. Wir könnten insofern schon eine Regulierungspause gebrauchen.

Und wie sieht es mit Regulierungsüberarbeitung aus? Regulierung ist ja nicht immer homogen.
Richtig ist, dass wir ein Zielbild benötigen. Wir brauchen eine Vision, wie die regulierte Bank von morgen aussehen soll. Dies haben wir schon oft eingefordert, aber natürlich hat die Branche hier selbst auch eine Bringschuld. Richtig ist aber auch, dass die Finanzwirtschaft sehr komplex und vielschichtig ist und das Umfeld sich rasant verändert. So prägen neben der aktuellen Krise auch neue gesellschaftliche und politische Bedürfnisse das Umfeld. Beispielhaft genannt sei hier der Wille zu mehr Nachhaltigkeit in der Finanzindustrie, also Sustainable Finance. Hier muss ein stimmiger regulatorischer Rahmen gefunden werden, der es aber erlaubt, dass sich diese Produkte für die Banken auch rechnen.

„Wir brauchen eine Vision, wie die regulierte Bank von morgen aussehen soll.“

Im europäischen Vergleich sind die deutschen Banken bei der Ertragssituation Schlusslicht. Liegt das auch daran, dass der deutsche Regulator eben oft noch eine „Schippe drauflegt“?
Meiner Meinung nach ist es eher ein Spiegel des starken Wettbewerbs in Deutschland. Bankdienstleistungen müssten einfach mehr kosten. Sie sind im Vergleich zu anderen europäischen Ländern zu günstig, weil der Wettbewerb so hart ist. Natürlich kostet aber eine stärkere Regulierung durch mehr Aufwand auch mehr Geld.

Verbandsarbeit ist Lobbyarbeit: Sie sollen politische Vorteile für ihre Mitglieder erreichen. Mit dem Risikoreduzierungsgesetz ist Ihnen das gelungen. Aus Sicht Ihrer Mitglieder haben Sie da einen guten Job gemacht. Aus Sicht der Vereinheitlichung von Regulierung nicht. Oder wie sehen Sie das?
Man kann das nicht einfach über einen Kamm scheren. Es war sehr wichtig, dass es uns gelungen ist, die Förderbanken aus der direkten europäischen Regulierung herauszubekommen. Sie haben nun einmal eine andere Eigentümerstruktur und ein anderes Geschäftsmodell als etwa andere öffentliche oder private Banken. Das war einfach nicht passgenau. Jetzt werden sie von BaFin und Bundesbank streng beaufsichtigt und reguliert natürlich sowieso.

Reguliert sich bei den Förderbanken nicht die Politik im Grunde selber?
Förderbanken werden wie andere Banken auch streng reguliert und beaufsichtigt. Natürlich gibt es die Besonderheit, dass Förderbanken, zumindest anteilig, im Besitz des Landes oder des Bundes sind. Aber das entbindet sie nicht davon, sich an Regeln zu halten. Dabei ist es sicherlich manchmal auch schwieriger, in diesem Sinne eine „politische Bank“ zu sein, auch weil in politischen Prozessen Entscheidungen anders getroffen werden. Wichtiges Kriterium ist, dass Bund und Länder über die Förderbanken gestalten können. Wie erfolgreich das funktionieren kann, erleben wir gerade jetzt: Die Förderbanken sind in der Corona-Krise Teil der Lösung. Die Krise hat gezeigt, wie wichtig Förderbanken, aber auch Landesbanken sind.

Aber Ihre Verbandsmitglieder sind ja nicht nur die „guten“ Förderbanken, sondern auch die „bösen“ Landesbanken. Die „böseste“ von allen, die SachsenLB, gibt es schon gar nicht mehr. Wie kommen Sie damit zurecht?
In diesen Kategorien denke ich nicht. Alle unsere Mitglieder erfüllen wichtige Aufgaben der Kreditwirtschaft oder im Fördergeschäft und unterstützen so deutsche Unternehmen auf den nationalen und den internationalen Märkten. Natürlich hat sich die Bankenlandschaft hierzulande stark verändert und konsolidiert – in allen Säulen. Ich glaube auch, dass sich der Bankenmarkt insgesamt weiter konsolidieren wird.

Für manche ging die Konsolidierung nicht weit genug.
Die Eigner müssen entscheiden, ob Banken zusammengehen sollen oder nicht.

Aber man nimmt Ihnen sozusagen ein Mitglied weg und damit auch Mitgliedsbeiträge. Da müssten Sie doch zusammenzucken, oder?
Sagen wir es mal so: Ich bin zufrieden mit dem aktuellen Bestand an Landesbanken in unserem Verband. Natürlich müssen wir schauen, dass wir den Verband zukunftsfest aufstellen. Wir sind gerade in einer Strategiediskussion und überlegen uns regelmäßig, wie wir uns neu ausrichten müssen. Wie verändert sich das Umfeld durch Niedrigzinsen, Regulierung, Digitalisierung, Nachhaltigkeit und die COVID-19-Krise? Besonders Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind Themen, auf die wir uns konzentrieren.

In der Fachwelt wird ansonsten wenig über Förderbanken berichtet. Was ist dort in Sachen Digitalisierung und Innovation passiert? Die Krise ist ja ein guter Test für sie.
Hier zahlt sich aus, dass sich die Förderbanken schon früh auf die Digitalisierung eingestellt haben. Anträge online stellen und Online-Beratung in Anspruch nehmen konnte man schon vor Corona.

„Hatte eine Förderbank früher zehn Anträge am Tag, sind es heute 40.000 Anträge.“

Aber die Herausforderungen sind doch jetzt viel größer?
Natürlich. Hatte eine Förderbank früher zehn Anträge am Tag, sind es heute 40.000. Darauf mussten die Systeme erst einmal eingestellt werden, und vieles wurde umprogrammiert. Das war ein enormer Aufwand. Manche Förderbanken mussten die Bearbeitung auch erst einmal ein paar Tage analog durchführen, während im Hintergrund programmiert wurde. Auch die Schnittstellen zwischen den Landesförderinstituten, der KfW und den Hausbanken hat es vorher schon gegeben. Wäre das nicht der Fall gewesen, hätte es nicht so gut funktioniert.

Sie sagen, das Prinzip „Hausbanken – Förderbanken“ hat sich bewährt. Manche Kritiker meinen aber, dass Fördermittel eher am Ziel ankommen würden, wenn keine Bank dazwischengeschaltet wäre. Wie sehen Sie das?
Die Förderbanken sind gar nicht darauf ausgelegt, das selbst zu übernehmen. Dieser Schritt ist auch nicht notwendig. Wichtig ist, dass die Fördermittelanträge gewissenhaft geprüft werden. Die Hausbank kennt den Kunden und die Förderprogramme. Die Förderinstitute und die KfW informieren in Rundschreiben regelmäßig über die Förderprodukte. Es ist wichtig, dass die Informationen schnell beim Bankberater ankommen. Es mag Einzelfälle geben, in denen es anders einfacher gewesen wäre, aber im Großen und Ganzen hat sich das System bewährt und den Praxistest bestanden.

Interview: Thorsten Hahn, Laura Kracht

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