Erfassen, dokumentieren, analysieren und wenn es nötig ist, eingreifen: Der Sinn des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) ist es, die Einhaltung der Menschenrechte entlang der Lieferketten zu gewährleisten. Alle Unternehmen ab einer Größe von 3.000 Beschäftigten sind seit Jahresbeginn dazu verpflichtet, ihre Lieferanten zu durchleuchten. Ab 2024 wird die Bemessungsgrenze auf 1.000 Angestellte gesenkt. Doch die Unsicherheit seitens der Unternehmen ist unverändert groß.
Zwei Umfragen, ein Ergebnis
Die Software-Dienstleister Coupa und IntegrityNext veröffentlichten hierzu zeitgleich jeweils eine eigene Umfrage. Erstere beauftragten das Marktforschungsinstitut Sapio Research mit der Durchführung. In die Ergebnisse flossen die Einschätzungen von etwa 100 Führungskräften aus Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten ein. Demgegenüber nutzte IntegrityNext seine Kooperation mit dem Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME). Ihre Studie basiert auf den Angaben von insgesamt 250 Verbandsmitgliedern variierender Größe.
Trotz unterschiedlicher Methodik beziehungsweise Stichprobenumfang kommen die beiden Umfragen zu einem sehr ähnlichen Ergebnis. Unternehmen sind mit der Einhaltung der Vorgaben überfordert und suchen nach Lösungswegen, um Sicherheit zu gewinnen. Die Frage, die diese grundsätzliche Selbsteinordnung am besten zusammenfasst, stammt aus der Umfrage von IntegrityNext und BME. Hiernach bekräftigen lediglich vier Prozent aller Teilnehmer, organisatorisch gut vorbereitet zu sein. Überwältigende 70 Prozent sagen hingegen, dass sie eher schlecht bis sehr schlecht gewappnet seien.
Licht ins Dunkel der Lieferketten
Nun lassen sich Unsicherheiten natürlich nicht auf einzelne Faktoren reduzieren. Schließlich arbeiten die betroffenen Konzerne weder alle im selben Geschäftsfeld noch stützen sie sich auf die gleichen Lieferketten. Während der eine seine Rohstoffe aus Afrika oder Südamerika bezieht, kauft der andere notwendige Zwischenprodukte in China oder den USA. Gleichwohl zeigt sich, dass die Implementierung des neuen Gesetzes insbesondere an zwei Stellen zu Problemen führt. Sowohl hinsichtlich der Transparenz bei den Lieferanten als auch bei der Verfügbarkeit von Daten besteht ein Defizit, welches das Reporting sowie die Risikoanalyse erschwert.
Laut IntegrityNext haben gerade einmal 13 Prozent der befragten Unternehmen ein vollständiges Bild über die Menschenrechtsstandards ihrer Zulieferer. Mit Blick auf die Gültigkeit des LkSGs ist das ein durchaus ernüchternder Wert. Daran dürfte die mittlere Summe an Geschäftspartnern einen nicht unerheblichen Anteil haben. Auf ein Netzwerk von über 6.000 Lieferanten greift der durchschnittliche Kunde des Software-Dienstleisters zurück. Eine drei- oder vierstellige Zahl an Lieferketten zu überwachen, kann allerdings selbst ein Großunternehmen allein auf sich gestellt kaum bewerkstelligen.
Hinzu kommt bei etlichen Unternehmen jedoch eine weitere Hürde: der eigene Datenbestand. So gab ein Drittel der Teilnehmer aus der Coupa-Befragung an, nicht genau beziffern zu können, wie viele Lieferanten das Unternehmen habe. Inkompatible Datensätze und digitale Parallelstrukturen kommen ans Licht und zeigen den Verantwortlichen auf, wie groß der Handlungsbedarf mitunter ist. In solchen Fällen zwingt das neue LkSG überfällige Modernisierungen vorzunehmen und verpasst dem Standort Deutschland auch einen Anschub in Sachen Digitalisierung. Insofern ist das LkSG auch als Prozess zu betrachten. Und wie heißt es so schön: Der Weg ist das Ziel.
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