Nachhaltigkeit ist in Deutschland kein Nischenthema mehr. Diese Entwicklung hat auch die Geldanlage erreicht: Im letzten Jahr hat sich das Volumen der Fonds mit Nachhaltigkeitskriterien mehr als verdoppelt, so der Marktbericht „Nachhaltige Geldanlagen 2019“. Die überwiegende Mehrheit der nachhaltigen Investments wird von institutionellen Anlegern getätigt: Nur sieben Prozent der grünen Investments stammten im letzten Jahr von Privatanlegern. Sind die Deutschen also nur dann von der Idee der Nachhaltigkeit begeistert, wenn es nicht ums eigene Geld geht? Ist die Nachfrage unter Privatanlegern einfach noch nicht da? Oder sind die Anbieter schuld?
Nachhaltigkeit darf nicht Definitionssache bleiben
Die Zeiten, in denen nur Ökobanken versuchten, Kunden über das Thema Nachhaltigkeit zu erreichen, sind längst vorbei. Auch etablierte Banken berichten auf ihren Websites stolz über grüne Projektfinanzierungen und veröffentlichen Bekenntnisse zur Klimaneutralität. Sie haben den Marketingwert des Themas bereits erkannt – das Marktpotenzial nachhaltiger Geldanlagen aber scheinbar noch nicht. Eine Studie des Beratungsunternehmens Cofinpro zeigt, dass das Thema besonders von Finanzberatern immer noch vernachlässigt wird: 85 Prozent der Bankkunden gaben an, noch nie mit ihrem Berater über nachhaltige Geldanlagen gesprochen zu haben. In der Anlageberatung ist Nachhaltigkeit noch weit davon entfernt, zum Standard zu werden. Doch das könnte sich bald ändern: Die Europäische Kommission hat die Finanzbranche mit ihrer Hebelwirkung als einen entscheidenden Faktor im Kampf gegen den Klimawandel identifiziert. Im Frühjahr 2018 legte sie den EU-Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen vor, der Banken in die Pflicht nehmen soll. Neben einem einheitlichen EU-Klassifikationssystem für Nachhaltigkeit wird dort auch eine bessere Kundenberatung zu diesem Thema gefordert. Der Plan schreibt Wertpapierfirmen und Versicherungsvertreibern vor, in der Beratung die ESG-Ziele für mehr ökologische und soziale Verantwortung stärker zu berücksichtigen.
Der Plan soll innerhalb von drei Jahren umgesetzt werden, setzt aber voraus, dass bis dahin eine einheitliche Definition für Nachhaltigkeit geschaffen wird. Denn Nachhaltigkeit ist ein schwammiger Begriff, der unterschiedlich interpretiert wird. Besonders deutlich wird das, wenn man den Blick auf unsere französischen Nachbarn richtet, wo die nahezu CO2-freie Atomenergie als nachhaltig gilt. Ein Investor, dessen oberste Priorität es ist, sich am Kampf gegen den Klimawandel zu beteiligen, könnte dieser Einschätzung zustimmen – so auch Greta Thunberg in einem kontrovers diskutierten Facebook-Post. Ein Klassifikationssystem kann den unterschiedlichen Ansprüchen nur schwer gerecht werden. Feste EU-weit anerkannte Kriterien könnten aber erstmals eine Vergleichbarkeit für Nachhaltigkeit schaffen, die „Greenwashing“ verhindert und so bei Anlegern Vertrauen schafft.
Wer in einen nachhaltigen Fonds investieren möchte, dem können Nachhaltigkeitssiegel eine Orientierung bieten. Im Gegensatz zu dem Überfluss an Siegeln anderer Produktarten ist das Angebot hier recht übersichtlich. Doch auch die Siegel können durch ihren unterschiedlichen Informationsgehalt sowie ihre teilweise stark voneinander abweichenden Ausrichtungen beim Anleger Verwirrung stiften. Daher ist auch hier die Offenheit der Herausgeber entscheidend.
Banken, leistet euren Beitrag!
Im Fall des FNG-Siegels vom Forum Nachhaltige Geldanlagen wird zum Beispiel nicht nur das Portfolio selbst auf Kriterien überprüft, sondern auch Aspekte wie der Research- und Investmentprozess der Fondsgesellschaft betrachtet und in einer Sterne-Wertung zusammengeführt. Ein solch ganzheitlicher Ansatz geht weit über den bloßen Ausschluss bestimmter Unternehmen hinaus. „Auch ein Siegel mit drei Sternen kann dem aufgeklärten Investor nicht die Arbeit abnehmen, sich mit den Inhalten der Fonds zu beschäftigen“, gibt Roland Kölsch, Geschäftsführer der Gesellschaft für Qualitätssicherung Nachhaltiger Geldanlagen des FNG, zu bedenken.
Die Eigenarbeit des Anlegers möglichst gering zu halten, wird die zukünftige Herausforderung für die EU und ihre Finanzdienstleister sein. Scheitern sie, werden Privatanleger weiterhin den Weg des geringsten Widerstands und des vermeintlich größten Gewinns gehen. Der Verlierer wäre die Umwelt.