WM = Erfolg in der Wirtschaft?

WM = Erfolg in der Wirtschaft? Wer kennt nicht die vermeintliche Wahrheit, dass die Wirtschaft wächst, sobald das Land den WM-Titel holt. In letzter Zeit wurde dieser Satz gebetsmühlenartig wiederholt. Doch stimmt er? Es gibt nur wenige Menschen in diesem Land, die der WM-Erfolg völlig kalt lässt. Für die überwältigende Mehrheit ging dagegen ein lang…


WM = Erfolg in der Wirtschaft?

Wer kennt nicht die vermeintliche Wahrheit, dass die Wirtschaft wächst, sobald das Land den WM-Titel holt. In letzter Zeit wurde dieser Satz gebetsmühlenartig wiederholt. Doch stimmt er?

Es gibt nur wenige Menschen in diesem Land, die der WM-Erfolg völlig kalt lässt. Für die überwältigende Mehrheit ging dagegen ein lang gehegter Traum in Erfüllung. Klar, die Euphorie, die Freude und die allgemeine Stimmung sind auf einem Höhepunkt. Doch wirkt sich diese gute Laune nachhaltig auf die Wirtschaft aus, wie man immer wieder hört?
Die Stimmung in der Wirtschaft ist auf einem Höhepunkt, aber das war sie vorher auch schon. Zugegeben, die Bierindustrie profitierte unmittelbar von der WM. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Konsum des beliebten Gerstensaftes um 7,2 % gestiegen. Auch auf Knabbereien und Fanartikel dürfte ein verstärkter Andrang geherrscht haben. Auch Gastwirte beschweren sich nicht. Die Gründe hierfür sind selbsterklärend.

Stagnation trotz Fußballbegeisterung

Brasilien, einst eine stolze Fußballnation, erlebte ein wahres Debakel während der WM im eigenen Land. Wie gut passt es da ins Bild, dass die Wirtschaftswachstum im Vergleich zum Vorjahr gesunden ist. Stärkt das nicht die Theorie des Zusammenhangs? Nein, tut es nicht!
Brasilien hat in den ersten beiden Quartalen, eine Zeit vor dem ersten Anpfiff, eine Stagnation erlebt. Dies noch vor dem 1:7 Debakel gegen den späteren Weltmeister. Dass sich dies kurzfristig während der Spiele geändert hat, dürfte auch nicht verwundern. Allerdings zeigen die Wachstumsraten in Brasilien in den beiden ersten Quartalen ein anderes Ergebnis. Vom Wachstum kann man zwar noch sprechen, aber wir reden von einer Null vor dem Komma: 0,2%. Man sieht, nicht gerade viel. Manche Ökonomen sprechen bei einer solchen „Wachstumsrate“ schon von Stagnation. Ich will damit nicht sagen, dass Brasiliens beste Jahre vorbei sind. Das Land muss noch viele Reformen umsetzen und hat noch viel vor sich. Aber dass Brasilien, immerhin der Favorit auf den WM-Pokal, vorher schon eine Stagnation hatte, ist ein Beispiel, dass oben genannter Volksglaube nicht stimmt bzw. nicht stimmen kann.

Rezession trotz dreier internationaler Titel

Spanien ist ein weiteres und sehr schönes Beispiel. 2010 Weltmeister, Europameister 2008 und 2012. Es war das erste Mal in der Geschichte der Fußball-Europameisterschaft, dass ein Land erfolgreich den Titel verteidigt. Sogar die DFB-Elf hat dies nicht geschafft. Drei internationale Titel in Folge müssten eigentlich, so das vermeintliche Allgemeinwissen, zu einem nie dagewesenen Wirtschaftsboom führen. Ein Blick in die neuesten Nachrichten zeigt aber genau das Gegenteil.
Ein noch näherer Blick jedoch offenbart den Nonsens des oben genannten Volksglaubens. Warum auch sollen Unternehmen urplötzlich in neue Anlagen investieren, wenn das eigene Land Weltmeister wird? Adidas ist ein schönes Beispiel. Als Hauptsponsor der DFB-Elf, so könnte man meinen, müsste der Gewinn nur einen Weg kennen – den nach oben. Dem ist aber nicht so. Auch wenn der Ansturm auf die neuen Vier-Sterne-Trikots enorm war, läuft es in anderen Sparten nicht so gut. Der Konzern aus Herzogenaurach musste vor Kurzem eine Gewinnwarnung aussprechen. Eine Flaute in der Golfsparte und zu hohe Werbeausgaben fordern ihren Tribut genauso wie die sich verschlechternde Wirtschaftslage in und mit Russland.
Bevor man also anfängt, einfache, aber schön klingende vermeintliche Wahrheiten nachzuplappern, sollte man eher seinen Verstand einschalten und auf die nackten Daten und Fakten schauen.