Unfreundliche Übernahme

Von einer feindlichen Übernahme spricht man, wenn „jemand“ gegen den Willen eines Unternehmens die Kapitalmehrheit erlangt. Unser Kanzler nennt dies im Fall der UniCredit „unfreundliche Übernahme“, schreibt Thorsten Hahn in der 301. Ausgabe der BANKINGNEWS.


Von einer feindlichen Übernahme spricht man, wenn „jemand“ gegen den Willen eines Unternehmens die Kapitalmehrheit erlangt. Unser Kanzler, der nicht für wortgewaltige Ausbrüche bekannt ist, nennt dies im Fall der UniCredit „unfreundliche Übernahme“. Unfreundlich? Wenn die offizielle Bezeichnung es sogar in das Gabler Banklexikon geschafft hat, braucht sich der Kanzler da nicht zurückhalten. Belegschaft, Vorstand und Aufsichtsrat waren ja scheinbar unfreundlich überrascht.  

Wie so oft schlagen mit Blick auf diese Aktion zwei Herzen in meiner Brust. Der Deal mit der HVB war im Ergebnis ein guter Kauf und doch gab es zwischendurch immer wieder auch Gerüchte, die UniCredit wolle die ehemalige HVB loswerden. Die Filialen wurden zusammengestutzt, es gab Franchise-Filialen, das hat aber auch nicht funktioniert. Und jetzt der Kauf einer Filialbank? Mir fehlt da ein klares Zielbild.  

Das andere Herz schlägt für Europa. Wenn wir Europa wirklich wollen, dann müssen wir endlich anfangen Europa zu denken und zu leben. Und wenn wir das zu Ende denken, dann brauchen wir in Europa eine starke, globale europäische Bank.  Es muss solche grenzüberschreitenden Fusionen geben, die im Sinne der Kapitalmarktunion immer wieder gefordert werden. Da sich die Deutsche Bank bei diesem Thema bisher nicht gemeldet hat (Platz 11 in der EU), muss es eine andere Bank werden. Ganz ehrlich, mein Favorit wäre die BNP, die Nr. 1 in der EU. Nach der Übernahme der BNL in Italien und Fortis in Belgien wäre mein Zielbild die Commerzbank in Deutschland. Eine europäische Wholesale-Bank, die vom Retail-Kunden bis zum europäischen Unternehmen alle Finanzbelange bedienen kann. Immerhin ist die BNP heute mit gut 6.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schon die größte Auslandsbank in Deutschland.  

Ob der Vorstand der Commerzbank und Kanzler Scholz diese Fusion als freundliche bezeichnen würden, bleibt leider ein Geheimnis. 

Ihr Thorsten Hahn

Thorsten Hahn

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