Deutsche-Bank-Bashing hat in Deutschland lange Tradition, und oftmals verhält es sich damit wie mit einem Gespräch über das Wetter: Jeder hat etwas dazu zu sagen, aber kaum jemand etwas Originelles. Ingo Nathusius zeigt mit seinem neuen Buch „Deutsche Bank intern“ jedoch, dass es über die Situation der deutschen Großbank durchaus noch neue Erkenntnisse zu gewinnen gibt. Denn anders als viele Medien, welche die Deutsche Bank nur von außen beschreiben, hatte er die Möglichkeit, Einblicke in das Innenleben der Bank zu gewinnen. Ferner konnte er durch die Vielzahl von Einzelinterviews, welche die Grundlage für das vorliegende Buch lieferten, auch der Bank selbst eine Stimme in dieser Diskussion geben.
Dieser Blick hinter die Kulissen wurde durch die mehrjährige Beteiligung des Autors an einer Fernsehdokumentation über das Finanzinstitut ermöglicht. Dementsprechend ist das Werk auch nicht als ein Enthüllungsbuch zu verstehen, das neue Skandale aufdeckt. Vielmehr hat sich Nathusius als Ziel gesetzt, eine unverblümte Bestandsaufnahme der Deutsche-Bank-Sanierung zu präsentieren und dabei die von außen häufig unverständlichen Vorgänge innerhalb der Bank zu erklären. Dabei nutzt Nathusius häufig sein Insiderwissen, um auch Situationen aus dem Arbeitsleben in der Deutschen Bank anekdotisch einfließen zu lassen, welche auch die persönliche, menschliche Ebene der Managementetage betrachtet. So leitet er zum Beispiel ein Unterkapitel zu den faulen Hypothekengeschäften ein, indem er den Moment schildert, als die Aufsichtsräte beim entspannten Abendessen in einem italienischen Fünf-Sterne-Hotel von der Milliardenforderung der amerikanischen Justiz überrumpelt werden.
Zur Charakterisierung der beteiligten Personen bedient sich der Autor nicht selten seiner deduktiven Fähigkeiten: Den nomadischen Lebensstil John Cryans sieht er zum Beispiel durch „scharfe Bügelfalten in seinen Manschetten“ bewiesen. Für diesen findet Nathusius, anders als für Jain und Fitschen, überwiegend positive Worte und charakterisiert den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden als „Anti-Typ zu den Strahlemännern von einst“, welche die Bank „in eine dunkle Sackgasse gefahren“ hatten. Der Autor stellt bei aller Kritik, die er der Deutschen Bank und ihrer ehemaligen Führungsriege entgegenbringt, gleichzeitig klar, dass ihr Weiterbestehen unbedingt im Interesse der deutschen Exportwirtschaft liege. Eine solche Megabank müsse „zwangsläufig auch Geschäfte jenseits der Wohlfühlzonen in Nordeuropa und Nordamerika machen“, auch wenn das größere Risiken bedeute.
Als Wirtschaftsredakteur hat Ingo Nathusius Glück, dass der journalistische Anspruch auf Aktualität nicht gleichermaßen für Schriftsteller gilt. Denn die Realität überholte sein neuestes Werk bereits wenige Monate nach der Veröffentlichung. Christian Sewing, der als neuer Chef der Deutschen Bank die Schlüsselrolle des Sanierers übernommen hat, taucht im vorliegenden Werk lediglich als eine Randnotiz auf. Die mangelnde Aktualität in dieser Hinsicht kann man dem Autor selbstverständlich nicht vorwerfen, zumal auch ein Fokus auf den Sanierer John Cryan ohnehin dem Schwerpunkt des sehr schlanken Buches besser gerecht wird. Die intimen Einblicke, die hier verarbeitet werden, geben dem Leser nicht nur die Möglichkeit, das sich aktuell immer noch drehende Personalkarussell besser zu verstehen, sondern zeichnen auch ein umfängliches Bild der nach wie vor schwierigen Lage der Bank.