Stefan Eich, Professor für Regierungslehre an der Georgetown University in Washington, D.C., geht auf die politische Ideengeschichte des Geldes in „Die Währung der Politik“ ein und untersucht verschiedene monetäre Disruptionen der Geschichte von Aristoteles in der griechischen Antike bis zu der Zeit nach dem Bretton-Woods-System im 20. Jahrhundert, um nicht nur Orientierung in Hinblick auf die Politik des Geldes zu bieten, sondern auch um zu zeigen, wie die Vergangenheit unsere Gegenwart prägt.
Eichs Protagonisten sind keine Finanzexperten per se, sondern Philosophen und Gesellschaftstheoretiker, die die Dimensionen hinter dem reinen Tauschmittel „Geld“ beleuchten und dessen Funktion für die Gemeinschaft im Wandel der Zeit hinterfragen. Der Autor merkt an, dass das Verständnis der Beziehung von Geld und Politik immer wieder aus Diskussionen und allgemein der Wahrnehmung der Öffentlichkeit verschwunden sei, und nur zu bestimmten Momenten der Geschichte wieder an Aufmerksamkeit gewinnen konnte. So führt Eich beispielsweise in seinem Buch auf, wie sich Großbritannien Anfang des 19. Jahrhunderts an einer ausgesprochen innovativen Geldpolitik versuchte, um einen Finanzcrash zu verhindern. Im Kontext der Reformen konnte sich die Bank of England als erste moderne Zentralbank etablieren.
In den sechs Kapiteln geht es Eich nicht einfach um eine chronologische Historie des Geldes, sondern um die Analyse herausstechender und teils vergessener Geldkrisen, auf deren Grundlage Denker wie Karl Marx ihre Theorien entwickelten. Eich betrachtet diese Geschichte als aufeinander aufbauende Schichten, die bewusst und unbewusst unser heutiges Verständnis von Geld bestimmen. Zentral dabei ist einer der einflussreichsten Wirtschaftswissenschaftler des 20. Jahrhunderts, John Maynard Keynes, der sich aufgrund der Hyperinflation der Weimarer Republik mit der Geschichte des Geldes befasste und zur Conclusio kam, dass dessen politische Bedeutung bis ins antike Griechenland zurückverfolgt werden kann.
Disruptive Veränderungen im Wandel der Zeit
Bereits in der griechischen Antike symbolisierte die Drachme die athenische Macht und verkörperte das politische Gemeinwesen. Die antiken griechischen Münzen waren nicht nur praktisch, weil sie den Handel erleichterten. Sie repräsentierten gleichzeitig auch die Polis und schufen so einen politischen Mehrwert: Wer der Münze vertraute, vertraute der athenischen Polis. Die Alltagserfahrung war aber keineswegs frei von Konflikten. Mit der Einführung des Münzgelds bekamen auch abstrakte Kategorien wie Reichtum und Habgier ein weltliches Antlitz.
Auch zu anderen Zeiten grundlegender Veränderung wurde die politische Dimension des Geldes intensiver wahrgenommen etwa in Großbritannien zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Noch im ersten Koalitionskrieg gegen Frankreich befand sich England in einer angespannten Lage. Um eine Finanzkrise vorzubeugen, beschloss die Bank of England eine Fiatwährung einzuführen – aus Angst vor einem Ansturm zum Goldwechsel. Fiatwährungen sind Währungen, die nicht an den Wert von Rohstoffen wie Gold oder Silber gebunden sind. Der Wert des eingeführten Papiergeldes wurde deshalb nur durch das Wort des Vereinigten Königreichs versichert.
Unabhängigkeit von Edelmetallen und anderen Ländern
Fichte verfolgte die Entwicklungen in Großbritannien interessiert und lobte die Entscheidung der Bank of England. Eich bewertet Fichtes Aussichten zu Fiatgeld sogar als „radikalste und hellsichtigste Erörterung“, denn für den Philosophen repräsentierte die Einführung der Währung eine Trennung vom Außenhandel und somit gleichzeitig Unabhängigkeit von Edelmetallen und anderen Ländern. Auf diese Weise könnte laut Fichte ewiger Frieden zwischen den Ländern der Welt hergestellt werden, denn ohne zwischenstaatlichen Handel gäbe es keinen Anlass für Rivalitäten und Kriege.
Das Experiment in Großbritannien war zunächst erfolgreich, doch aufgrund von schwankenden Preisen wurde es 1821 aufgehoben. Auch, weil die britische Politik und ihre Vormachtstellung zu sehr auf Gold als Stütze im internationalen Handel angewiesen waren. Für Fichte war genau dies die Problematik. Er strebte an, dass durch seine Texte der Staat und die nationale Währung aus einer anderen Perspektive betrachtet werden, in der es vor allem um die Autonomie der Bürger geht. Eich bewertet Fichtes Entwurf einer Fiatwährung deshalb als die „Triebkraft historischen Fortschritts“.
Demokratisierung des Geldes
Im Großen und Ganzen betrachtet der Autor Geld detailliert und kritisch im Kontext von Politik in verschiedenen Epochen. Dabei führt er auch einen neuen Begriff ein, die „politische Währung“, in dem er Geld als ein Instrument definiert, das Gerechtigkeit ausdrücken und durchsetzen kann und so ein Fundament für die Politik schafft. Der Autor geht deswegen auch auf die Vormachtstellung von Zentralbanken und auf notwendige Reformen ein, indem er hauptsächlich für eine Demokratisierung des Geldes und die Einbindung von Geld in politische Diskussionen und Wahrnehmungen plädiert. Obwohl Geld ein Produkt politischer Macht ist, wird die Politik dahinter nicht immer demokratisch kontrolliert. Das heutige Geldsystem solle wieder den Interessen derer dienen, denen es eigentlich dienen sollte: den Bürgern.
Mit einem wissenschaftlichen Schreibstil und einer klaren Struktur gelingt es Eich, seine Leser durch die politische Ideengeschichte des Geldes zu führen und dabei immer wieder Vergleiche zur Gegenwart zu ziehen. Die gut gewählten Positionen von Eichs Protagonisten sind hilfreich bei der Auseinandersetzung mit der Thematik und bieten mehr als nur eine grobe Erzählung der Geschichte, nämlich ein Verständnis dafür, wie wir heute über Geld denken und wie es dazu gekommen ist. Die „Währung der Politik“ ist ein Buch für politische Theoretiker und alle Interessierten, die sich in Bezug auf die politische Wirkung von Geld weiterbilden wollen und Fachsprache an sich nicht als Hindernis betrachten. Das Buch enthält einen umfangreichen Anhang mit vielen Quellen, durch die Leser weitere Pfade aufnehmen können.
- Titel: Die Währung der Politik: Eine politische Ideengeschichte des Geldes
- Autor: Stefan Eich
- Verlag: Hamburger Edition
- Preis: 40 €
- Umfang: 390 Seiten
- ISBN: 978-3-86854-376-6
Stefan Eich
ist Professor für Regierungslehre an der Georgetown University in Washington. Seine Forschungsschwerpunkte sind politische Theorie, Geistesgeschichte und die Geschichte des politischen Denkens. 2022/2023 forscht er an der School of Social Science am Institute for Advanced Study (IAS), Princeton.
Bild: Hamburger Edition/privat
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