BANKINGNEWS: Was sind aktuell die größten Herausforderungen im Risikomanagement?
Krzysztof Widelka: Unsere größte Schwierigkeit ist vermutlich die Menge an Daten: Heute ist allerdings nicht ein Datenmangel das Problem, sondern im Gegenteil die Fragen, wie man die Masse an Daten mithilfe von Algorithmen und Analytics für das Risikomanagement nutzbar machen kann. Denn die Revisoren, die Aufsicht und unser Management benötigen aus dieser Fülle an Daten die richtigen Informationen als Entscheidungsgrundlage. Die eine Herausforderung ist also Datenqualität, auf der anderen Seite fragen wir uns natürlich: Wie schaffen wir es, dass die Daten bereits sauber bei uns eintreffen? Zusätzlich besteht die Anforderung, immer schneller und immer flexibler auf Datenanfragen und Informationsbedarf zu reagieren. Wir müssen also Wege finden, große Datenmengen greifbar zu machen, diese auswerten und interpretieren zu können und daraus schnellstmöglich Informationen und Entscheidungsgrundlagen für das Management zu generieren.
„Das Job-Profil eines Risikomanagers hat sich komplett verändert“
Sie arbeiten beide schon seit fast 15 Jahren im Risikomanagement. Wie hat sich die Arbeit des Risikomanagers seitdem verändert?
Herbert Radl: Früher war das Risikomanagement ein abgeschlossener Bereich, ähnlich wie etwa die Buchhaltung. Wir haben in unseren Silos gelebt, im Hintergrund unsere Aufgaben bearbeitet und die meiste Zeit mit einfachem Reporting verbracht. Wir haben zwar Daten gesammelt und darauf aufbauend Berichte zur Verfügung gestellt, aber datengetrieben war unsere Arbeit eigentlich kaum. Mittlerweile geht das Risikomanagement immer stärker in Richtung Prozessgestaltung und der Risikomanager verwandelt sich immer mehr zum Datenmanager. Auch das Job-Profil eines Risikomanagers hat sich komplett verändert. Früher haben hauptsächlich Banker im Risikomanagement gearbeitet. Diese mussten dann erst schrittweise erlernen, mit den Risikomanagement-Tools umzugehen. Heute beschäftigt eine Bank viele Physiker, Statistiker, Mathematiker etc., die Daten auswerten und Modelle bauen können, aber vom Bankgeschäft keine Ahnung haben.
Ist es ein Nachteil, dass sich Risikomanager im Vorfeld nicht mehr intensiv mit dem Bankgeschäft beschäftigen müssen?
Herbert Radl: Das hat sicherlich Vor- und Nachteile. Einerseits ist die neue Generation von Risikomanagern, die die Datenwelt beherrscht, besser dazu in der Lage, Prozesse ganz neu zu denken und die Digitalisierung voranzutreiben. Sie besitzen wenige Kenntnisse, die man als klassischer Banker braucht, bringen aber zum Beispiel wichtigen Input für die digitale Transformation der Bank. Auf der anderen Seite sind natürlich Erfahrungen im traditionellen Bankgeschäft von Vorteil, um potenzielle Risiken besser identifizieren zu können.
Beeinflussen geopolitische Spannungen wie der Handelsstreit zwischen China und den USA Ihre Arbeit als Risikomanager?
Herbert Radl: Diese Entwicklungen machen uns natürlich Sorgen und strapazieren auch unsere Arbeit. Denn die Geschwindigkeit solcher Entwicklungen nimmt in letzter Zeit zu. Egal ob es ein Tweet von Donald Trump ist oder der Brexit, wir müssen uns vermehrt mit diesen Fragstellungen beschäftigen: Wie beeinflusst es unsere Bank, wenn zum Beispiel der Brexit auf die eine oder andere Weise abläuft? Und betrifft es uns direkt oder betrifft es uns nur indirekt?
Krzysztof Widelka: Die Antworten auf diese Fragen kann man mit herkömmlichen Methoden nicht so einfach fassen, denn es ist ein sehr komplexes, fast philosophisches Thema. Da sind wir dankbar, wenn wir eine gut gepflegte Datenlandschaft besitzen.