Die überarbeiteten aufsichtlichen Vorgaben zur Risikotragfähigkeit

Am 05.09.2017 veröffentlichten BaFin und Bundesbank die Konsultationsfassung des überarbeiteten aufsichtlichen Leitlinienpapiers zur Risikotragfähigkeit. Dieses Papier enthält Grundsätze, Prinzipien und Kriterien, die von der Aufsicht zukünftig bei der Beurteilung der bankinternen Risikotragfähigkeitskonzepte zugrunde gelegt werden. Ein Überblick über die Änderungen und deren Auswirkungen.


In welche Richtung es künftig mit Risikotragfähigkeitskonzepten gehen soll, haben BaFin und Bundesbank jetzt in einem überarbeiteten aufsichtlichen Leitlinienpapier festgelegt. Bildnachweis: iStock.com/TanawatPontchour

Die aktualisierten Vorgaben zur Risikotragfähigkeit orientieren sich eng am im Februar 2017 veröffentlichten Entwurf eines Mehrjahresplans der EZB für die SSM-Leitfäden zur Angemessenheit der Kapitalausstattung (ICAAP), der eine Harmonisierung der institutsseitigen Ausgestaltung der Baseler Säule II in Europa zum Ziel hat. Das überarbeitete Leitlinienpapier soll somit das bestehende aus Dezember 2011 ersetzen.

Bisherige Ausgestaltungsformen entfallen

Abweichend von der gängigen Praxis in Europa sind in Deutschland bisher zwei Risikotragfähigkeitskonzepte weit verbreitet: der Going-Concern-Ansatz (Fortführungsperspektive) und der Gone-Concern-Ansatz (Liquidationsperspektive). Während in vielen kleineren Instituten die Risikosteuerung primär oder sogar ausschließlich anhand eines Going-Concern-Ansatzes üblich ist, kommen insbesondere mittlere und große Institute der aufsichtlichen Anforderung einer Sicherstellung beider Steuerungsziele durch eine parallele Betrachtung beider oben genannter Steuerungskreise nach. Diese (nationale) Ausgestaltung der Steuerungskreise soll durch die überarbeiteten Leitlinien nun perspektivisch aufgegeben und durch eine sogenannte normative und eine ökonomische Perspektive ersetzt werden.

Aufwertung der Kapitalplanung: Die normative Perspektive

Die normative Perspektive stellt eine deutliche Aufwertung des bisher bereits in MaRisk AT 4.1 Tz. 11 verankerten Kapitalplanungsprozesses und dessen Verknüpfung mit dem ICAAP dar. Mittels der normativen Perspektive ist die Fähigkeit eines Instituts zur Einhaltung der regulatorischen Mindestkapitalanforderungen sowie relevanter Kapitalpufferanforderungen und interner Managementpuffer für einen mindestens dreijährigen Zeitraum nachzuweisen. Neben der Darstellung des Planszenarios ist möglichen negativen Abweichungen vom geplanten zukünftigen Geschäftsverlauf im Rahmen zumindest eines adversen Szenarios Rechnung zu tragen. Die aufsichtliche Erwartungshaltung, welche Elemente des etablierten jährlichen Kapitalplanungsprozesses zur Darstellung der normativen Perspektive konkret regelmäßig unterjährig zu aktualisieren sind, geht aus der Konsultationsfassung noch nicht eindeutig hervor. Eine Konkretisierung im finalen Leitlinienpapier wäre vor Manifestierung in der gelebten Prüfungspraxis wünschenswert.

Betrachtung über Regulatorik hinaus: Die ökonomische Perspektive

Die ökonomische Perspektive ergänzt die normative Sicht um eine interne Analyse des Schutzes der Institutsgläubiger vor ökonomischen Risiken. Sie hat dabei Risikobestandteile zu umfassen, die in der Regulatorik/Rechnungslegung nicht vollständig abgebildet werden, wie beispielsweise Credit-Spread-Risiken von Positionen, die dem gemilderten Niederstwertprinzip unterliegen. Auch aufseiten der den Risiken gegenüberzustellenden Deckungsmasse ist auf eine von der Rechnungslegung losgelöste ökonomische Betrachtung abzustellen, beispielsweise durch eine Bereinigung um stille Lasten. Zum aktuellen Zeitpunkt ist noch nicht vollständig absehbar, inwieweit sich die konkrete Umsetzung der ökonomischen Perspektive in den Instituten von bisher etablierten Liquidationsansätzen im Detail unterscheiden wird.

Übergangsregelungen zur Umstellung

In ihrem Begleitschreiben räumt die Bankenaufsicht den deutschen Kreditinstituten „bis auf Weiteres“ die Möglichkeit ein, den Nachweis der Sicherstellung der Risikotragfähigkeit mittels des bisherigen Going-Concern-Ansatzes zu führen, und fasst die dafür geltenden Prinzipien und Kriterien in einem Anhang zum Leitlinienpapier zusammen, dessen Umfang den neuen Vorgaben gleicht. Bevor diese Möglichkeit institutsseitig jedoch vorschnell als ressourcenschonende Alternative zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den überarbeiteten Anforderungen in Betracht gezogen wird, sollte beachtet werden, dass sich die institutsindividuelle Ausgestaltung des ICAAP in einer Gesamtwürdigung sicherlich auf dessen qualitative SREP-Beurteilung auswirken wird. Eine Konkretisierung der aufsichtlichen Erwartungshaltung bezüglich des Zeithorizonts einer Akzeptanz „bis auf Weiteres“ wäre daher wiederum wünschenswert.