Wie Sanierungs- und Abwicklungsplanung den Bankensektor widerstandsfähiger gegen Krisen machen soll.
Nur wenige regulatorische Themen beschäftigen das Risikomanagement von systemisch bedeutenden Kreditinstituten der Euro-Zone bereits seit mehreren Jahren so umfassend wie die Sanierungs- und Abwicklungsplanung. Ausgehend von den im Jahr 2011 durch die Staats- und Regierungsschefs der G20 verabschiedeten Key Attributes of Effective Resolution Regimes des Financial Stability Boards (FSB) erarbeitete die EU-Kommission europäische Vorgaben zur Sanierungs- und Abwicklungsplanung – die sogenannte Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD). Der deutsche Gesetzgeber hat bereits vor der Verabschiedung der BRRD durch die Vorlage der Entwurfsversion der Mindestanforderungen an die Ausgestaltung von Sanierungsplänen (MaSan) im November 2012 sowie durch das Inkrafttreten des Gesetzes zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen im August 2013 weite Teile der geplanten BRRD vorweggenommen. Durch das seit Januar 2015 für alle deutschen Kreditinstitute verbindliche Gesetz zur Sanierung und Abwicklung von Instituten und Finanzgruppen (SAG) erfolgte die vollständige Überführung der BRRD in die deutsche Gesetzgebung. Ergänzt werden die Anforderungen des SAG durch die Pflicht zur Beachtung einer Fülle von Richtlinien und Standards der European Banking Authority (EBA) zur Sanierungs- und Abwicklungsplanung.
Kernelemente der Sanierungsplanung
Die zumindest jährlich sowie anlassbezogen zu aktualisierende Sanierungsplanung umfasst sämtliche Bereiche eines Kreditinstituts. Kernelemente sind die strategische Analyse, die Definition eines Indikatorensystems, die Identifikation geeigneter Sanierungs-Handlungsoptionen, die Durchführung von Belastungsanalysen sowie die Implementierung einer geeigneten Sanierungs-Governance. Im Rahmen der strategischen Analyse hat das Institut die eigene Unternehmensstruktur, die bestehenden Geschäftsaktivitäten sowie dessen interne und externe Verflechtungen zu analysieren. Die strategische Analyse bildet die Grundlage für die Definition des Indikatorensystems sowie die Identifikation der Sanierungs-Handlungsoptionen, welche sämtliche risiko-, kapital- und liquiditätsbezogenen Maßnahmen beschreiben, mit welchen ein Kreditinstitut seine finanzielle Solidität nachhaltig sicher- bzw. wiederherstellen kann. Ziel der Indikatoren ist es, aufkommende Krisensituationen frühzeitig anzuzeigen, um auf Grundlage der durch die definierte Sanierungs-Governance festgelegten Eskalations- und Informationsprozesse rechtzeitig geeignete Sanierungsmaßnahmen zur Gewährleistung der eigenen Überlebensfähigkeit ergreifen zu können. Die Wirksamkeit des Indikatorensystems, der Sanierungs-Governance sowie der Handlungsoptionen ist im Sanierungsplan mit Blick auf die Ergebnisse der strategischen Analyse im Sinne eines modellgestützten Backtestings anhand von institutsindividuellen Belastungsanalysen zu dokumentieren. Dabei muss auf Grundlage von detailliert ausgearbeiteten existenzbedrohenden marktweiten sowie idiosynkratischen Szenarien beispielhaft gezeigt werden, wie Krisensituationen durch die Indikatoren frühzeitig erkannt und in dem die Sanierungs-Governance konstituierenden System aus Prozessen und Verantwortlichkeiten rechtzeitig adressiert werden, um durch das unverzügliche Ergreifen adäquater Handlungsoptionen die finanzielle Solidität des Instituts nachhaltig sicherzustellen.
Sanierungsplanung stärkt Stabilität der Kreditinstitute
Die umfassende und konsistente Integration der beschriebenen Kernelemente der Sanierungsplanung in die Gesamtbanksteuerung ist ausgesprochen komplex und induziert eine oftmals fundamentale Weiterentwicklung der Prozesse, Methoden und Instrumente des zukunftsgerichteten Risikomanagements. Dies bindet zahlreiche personelle sowie technische Ressourcen, beschleunigt jedoch die kontinuierliche Evolution der Banksteuerung und trägt so dazu bei, die Stabilität der Kreditinstitute durch eine raschere Reaktionsfähigkeit bei Realisierung eines Krisenfalls und damit die Stabilität des gesamten Finanzsystems zu stärken. Die regulatorischen Vorgaben zur Sanierungsplanung stellen somit ein wirksames Mittel dar, um die Wahrscheinlichkeit einer Bankenstützung durch staatliche Garantien und Beihilfen – und damit letztendlich durch Steuergelder – deutlich zu reduzieren.
Abwicklungsplanung ergänzt Sanierungsplanung
Anforderungen an die Sanierungsplanung von Kreditinstituten alleine sind jedoch nicht ausreichend, um die Wahrscheinlichkeit des Einsatzes von Steuergeldern im Krisenfall zu minimieren. Entsprechend haben die Vorgaben der BRRD bzw. des SAG zu einem effektiven Abwicklungsregime zum Ziel, im Falle gescheiterter Sanierungsversuche bzw. mangelnder Sanierungsfähigkeit Abwicklungsinstrumente einzusetzen, welche den Einsatz von Steuergeldern möglichst komplett vermeiden. Im Mittelpunkt der Abwicklungsinstrumente steht dabei das Bail-In-Instrument, welches eine unmittelbare Verlusttragung nicht nur durch die Anteilseigner sondern auch die Gläubiger des Instituts – einschließlich der vorrangigen – ermöglicht. Dabei wird durch das (nationale oder europäische) Abwicklungsgremium eine institutsspezifische Bail-In-Mindestquote festgelegt, die sogenannten minimum requirement for own funds and eligible liabilities for bail-in (MREL). Diese soll sicherstellen, dass Kreditinstitute neben den durch die Capital Requirement Regulation (CRR) bzw. den Supervisory Review and Evaluation-Process (SREP) vorgegebenen Mindesteigenmittelanforderungen zur Verlustabsorption im Going Concern über ausreichend Bail-In-fähige Verbindlichkeiten verfügen, um im Falle einer Abwicklung des Instituts bzw. einer notwendigen Rekapitalisierung zur Fortführung der für die Sicherstellung der Stabilität des Finanzsystems kritischen Geschäftsaktivitäten den Einsatz von Steuergeldern möglichst vollständig zu vermeiden.
Fazit
Sanierungs- und Abwicklungsplanung stellen für Kreditinstitute infolge der hohen Komplexität und der tiefgreifenden Implikationen für die Gesamtbanksteuerung große Aufwands- und Kostentreiber dar, ermöglichen jedoch eine unter gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten vorteilhafte Erhöhung der Stabilität des Finanzsystems sowie die weitgehende Auflösung des too-big-to-fail-Dilemmas. In Gesamtschau ist der durch den Gesetzgeber in den vergangenen Jahren beschrittene Weg somit sehr positiv zu beurteilen.