BANKINGNEWS: Frau Halvorsen, seit 2020 sind Sie bei Merck Finck in Hamburg für die Betreuung vermögender Kunden zuständig, wobei besonders die nachhaltige Geldanlage im Fokus steht. Sehen Sie aktuell eine verstärkte Nachfrage in diesem Bereich?
Anne Katrin Halvorsen: Ganz eindeutig ja. Die erhöhte Nachfrage zeigte sich zunächst im Bereich der institutionellen Kunden, dazu zählen etwa Stiftungen, Kirchen, Versorgungswerke und Pensionskassen. Mittlerweile ist die gestiegene Nachfrage aber auch bei Privatkunden ebenso deutlich zu spüren. Wir stellen fest, dass sich immer mehr Kunden für nachhaltige Geldanlagen interessieren und erfahren wollen, was genau darunter zu verstehen ist.
Welche Frage begegnet Ihnen in diesem Zusammenhang bei Beratungsgesprächen am häufigsten? Und ganz ehrlich: Gibt es eine Frage, die Sie nicht mehr hören können?
Am häufigsten sprechen wir darüber, dass es bei nachhaltigen Geldanlagen um mehr als nur das Klima geht. Viele Menschen konzentrieren sich bei ihren Überlegungen auf den Bereich Umwelt und sind erstaunt, dass wir neben den Umweltkriterien (Environment), noch Soziale und Corporate-Governance-Aspekte miteinbeziehen. Diese ESG-Kriterien werden bei allen nachhaltigen Geldanlagen berücksichtigt. Die Fragen der Kunden sind sehr unterschiedlicher Natur und diese Kundengespräche sind eine echte Bereicherung für mich. Zu Diskussionen führt dagegen manchmal die Einstufung auf Einzeltitelebene. Warum stufen wir ein bestimmtes Unternehmen als nachhaltig ein, obwohl es Schlagzeilen gab, die das Gegenteil belegen? In der Praxis zeigt sich, dass die Dinge selten nur gut oder nur schlecht sind. So empfehlen wir ganz bewusst auch Titel aus der Kategorie der „Improvers“, also Unternehmen, die gerade erst den Transformationsprozess zu mehr Nachhaltigkeit begonnen haben. Eine gute Entscheidung, denn aus meiner Sicht liegt in der Verbesserung eine große Chance, die wir dann etwa mit der Ausübung unserer Stimmrechte im Rahmen eines sogenannten Active Ownership mitgestalten können.
Sie stufen nicht nur Unternehmen ein, sondern geben Ihren Kunden auch nachhaltige Investmentempfehlungen. Stellt die Beratung zu sinnstiftenden Investments eine besondere fachliche Herausforderung dar?
Auf jeden Fall. Das Thema ist sehr komplex, unterliegt einem ständigen Wandel und entwickelt sich weiter. Hervorgerufen wird das hauptsächlich durch die gesetzlichen Rahmenbedingungen, Veränderung in der Regulatorik, neue und verbesserte Analysesysteme sowie Lösungen und Produkte. Der Markt wächst und damit logischerweise auch die Nachfrage. Die Kunden informieren sich und sind sehr aufgeklärt. Da heißt es nicht auf der Stelle zu stehen und sich ständig fort- und weiterzubilden. Nicht umsonst fordert der Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung, dass das Thema bereits in den Berufsschulen auf den Lehrplan kommen sollte.
Aus meiner Perspektive ist der Stellenwert der persönlichen Beratung gestiegen.
Inwiefern hat sich dabei Ihr Studium zum Socially Responsible Investments (SRI) Advisor an der European Business School (EBS) in Oestrich-Winkel als wertvoll herausgestellt? Oder anders gefragt: Kann man Nachhaltigkeit „lernen“?
Ja, man kann den theoretischen Rahmen der Nachhaltigkeit lernen. In der Praxis zeigt sich aber dann doch schnell, ob der Funke übergesprungen ist und der Berater mit dem Herzen dabei ist. Und zugegeben, das Studium an der EBS hat bei mir dazu beigetragen, das Feuer noch stärker zu entfachen.
Hat sich aufgrund der Digitalisierung beziehungsweise der Plattformökonomie etwas bei Ihrer Tätigkeit verändert? Spüren Sie, dass sich der Stellenwert der persönlichen Beratung verändert hat?
Aus meiner Perspektive ist der Stellenwert der persönlichen Beratung gestiegen. Natürlich informieren sich Kunden verstärkt über diverse digitale Kanäle, und doch schätzen sie es, wenn ihnen eine vertraute Person zur Seite steht, um die Vielzahl von Informationen zu bewerten und auf das Wesentliche einzugrenzen. Durch digitale Prozesse, zum Beispiel bei einer Konto- und Depoteröffnung, bleibt uns noch mehr Zeit für das persönliche Gespräch. Eine Entwicklung, die ich sehr begrüße.
Sie leben Nachhaltigkeit nicht nur in Ihrem beruflichen Alltag, sondern sind ebenso privat in diesem Bereich aktiv, etwa durch Ihren Einsatz in verschiedenen Stiftungsgremien. Ist dies aus Ihrer Sicht ein „Muss“, wenn Nachhaltigkeit erfolgreich in einem Unternehmen umgesetzt werden soll?
Ein „Muss“ klingt sehr absolut. Doch aus meiner Sicht ist ein nachhaltiger Lebensstil schon sehr förderlich, um authentisch in der Beratung auftreten zu können. Bei der Wahl meines Arbeitgebers war es mir auch wichtig, dass „die Nachhaltigkeit” nach innen und außen ein vollständig kongruentes Bild abgibt. Man trägt das also nicht nur durch die eigenen Produkte nach außen. Die unternehmensinterne Nachhaltigkeit ist ebenso bedeutsam. In der Quintet Gruppe engagiere ich mich für Corporate Social Responsibility-Themen (CSR) für den deutschen Markt. Eine wirklich spannende Aufgabe. Erst kürzlich haben wir unseren Mitarbeitern die Capture App, die den eigenen CO2-Fußabdruck misst, zur Verfügung gestellt. So wird jeder mit auf die Reise genommen und das Gesamtbild wird nachhaltig abgerundet.
Wie lässt sich, Ihrer Meinung nach, erfolgreich dem Thema Green Washing begegnen?
Da hilft wohl nur eines: Ganz genau hinschauen. Bei diesem Thema komme ich wieder auf Ihre Frage nach dem Stellenwert der persönlichen Beratung zurück. Um hier ein detailliertes Bild einer Anlage zu erhalten, braucht es zwingend die Unterstützung von erfahrenen Beratern und Experten aus der Branche.
Inwieweit zahlt sich nachhaltiges Engagement auch hinsichtlich Employer Branding aus? Ist „Gutes tun“ für Banken eine Möglichkeit, neue, vielversprechende und auch engagierte Bewerber zu finden?
Diese Frage lässt sich wieder mit einem klaren „Ja“ beantworten. Wobei „Gutes tun“ hier sicher über wohltätige Aktivitäten hinaus gehen sollte. Die vielversprechenden Bewerber fragen sich ja schließlich auch: „Was tut die Bank denn „Gutes für mich?” Und dabei sprechen die meisten nicht von der Zahlung eines angemessenen Gehalts. Heute ist eine ausgeglichene Work-Life Balance mit flexiblen Arbeitsmodellen gefragt.
Welche Trends sind für Sie im Bereich Nachhaltigkeit besonders zukunftsweisend?
Thematische Investments halte ich für ein sehr spannendes Feld. Die Welt verändert sich in einem rasanten Tempo. Grundsätzlich sind viele Kapitalanlagen langfristig, solide und substanzbasierend aufgebaut. Mit Hilfe von thematischen Investments kann ich schnell auf nachhaltige Zukunftstrends reagieren und so mein Portfolio optimal ergänzen. Extrem zukunftsweisend finde ich auch den Bereich des Impact Investings. Die Kunden möchten genau wissen, welche nachhaltige Wirkung ihre Kapitalanlage erzielt. Diesen Wunsch kann ich gut verstehen. Deshalb bin ich gespannt auf die weiteren Entwicklungen in diesem Themenfeld.
Sie beraten nicht nur gesondert im Bereich Nachhaltigkeit, sondern Ihre Kompetenz bezieht sich auch auf die Beratung von Frauen in Finanzthemen. Inwiefern ist hier eine „andere“ Beratung vonnöten?
Frauen beschäftigen sich meist anders mit Finanzthemen als Männer. Darauf sollte man mit einem entsprechenden Beratungsangebot reagieren. Ein gutes Beispiel ist sicherlich das Thema Altersvorsorge, das bei Frauen häufig aufgrund einer Babypause, einer Teilzeitbeschäftigung oder dem Gender Pay Gap eine größere Rolle spielt. Aus meiner Erfahrung sind Frauen oftmals risikoscheuer und investieren vorsichtiger. Wir erleben leider auch Situationen, in denen Frauen sich nie mit dem Thema Geldanlage beschäftigt haben und plötzlich durch Scheidung oder einen Todesfall damit konfrontiert werden. Es macht mir viel Freude, ihnen durch eine fachkundige Beratung die Ängste vor der Komplexität dieser Themen zu nehmen und sie zu unterstützen.
Allein in Hamburg wurden bei Merck Finck neben Ihnen noch drei weitere Beraterinnen eingestellt. Welche Gründe hat dies: Beraten Frauen anders?
Wir sehen eine große Chance in der Vielfalt unserer Mitarbeiter. Und wir freuen uns sehr über die hohe Quote an Beraterinnen. Durch die gemischten Teams entsteht ein hohes Maß an Kreativität und Innovation. Unsere Kunden schätzen das ebenfalls.
Neben Ihrem Fokus auf die Zielgruppe Frauen zeigt Merck Finck auffallend viele Aktivitäten im Bereich der jüngeren Zielkunden. Was genau unternehmen Sie als Haus, um für die spannende Zielgruppe der nächsten Generation ein attraktiver Partner zu sein?
Das haben Sie gut beobachtet. Wir haben 2019 die Initiative NEXTGEN ins Leben gerufen. Besonders wertvoll sind dabei die Impulse durch unseren dafür geschaffenen Beirat. Dadurch haben wir die nächste Generation aktiv miteinbezogen und haben konkret gefragt, welche Bedürfnisse jüngere Kunden haben und welche Anforderungen sie an eine Bank stellen. Dabei wurde schnell deutlich, dass neben einer fundierten Beratung gerade im Bereich der zukunftsorientierten Themeninvestments, insbesondere der Netzwerkgedanke eine sehr große Rolle spielt. So ist eine Community entstanden, die wir bei Events wie unserem NEXTGEN Summit zusammenbringen und die stetig wächst. Ein Investment in die Zukunft, was bereits heute für uns wertvollen Input liefert.
Interview: Laura Kracht und Dennis Witzmann
Interviews: Sie möchten weitere interessante Interviews lesen? Hier sprechen wir mit Thomas Fürst von der Sparkasse Bremen über flache Hierachien und innovative Produkte. Und hier unterhalten wir uns mit Oliver Brüggemann von der Volksbank Rhein-Erft-Köln eG. über das Potenzial des klassischen Zahlingsverkehrs.