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BANKINGNEWS: Ihre Bank wurde kürzlich von der Oskar-Patzelt-Stiftung als „Bank des Jahres“ mit dem „Großen Preis des Mittelstandes“ ausgezeichnet. Die Laudatio hob vor allem die Projekte „Gemeinsam Zukunft gestalten“ und „Herzenssache“ hervor. Wofür stehen die genannten Initiativen?
Markus Dauber: Dieser Preis steht vor allem dafür, dass sich unsere Bank dem Thema Corporate Social Responsibility verschrieben und es in die Unternehmenskultur aufgenommen hat. Ausgangspunkt war eine Aktion im Jahr 2014 anlässlich des 150-jährigen Jubiläums der Bank, bei der sich Mitarbeiter ehrenamtlich engagierten. So entstand die Initiative „1500 Stunden für den guten Zweck“, die heute unter dem Motto „Gemeinsam Zukunft gestalten“ weitergeführt wird und unserem Unternehmensleitbild entspricht. Wir führen derzeit 35 bis 40 Projekte im Ehrenamt durch. Dadurch haben wir uns ein ganz besonderes Profil geschaffen, und zwar aus der Überzeugung heraus, dadurch eine bestimmte Haltung zum Ausdruck zu bringen. Dies soll sowohl unsere Kunden als auch unsere Mitarbeiter zu einem entsprechenden Verhalten anregen. Aus einem positiven und verantwortlichen Verhalten kann nachhaltiger Erfolg entstehen. Soziales Engagement ist etwas, das man mit Geld nicht kaufen kann. Von einer Bank würde man auf den ersten Blick erwarten, dass sie in der Währung Geld denkt. Wir haben bewusst die Währung getauscht, um etwas in den Köpfen der Menschen zu bewegen. Ich erinnere mich an einen Brief mit einer schönen Aussage: „Sie hinterlassen Spuren – nicht nur wirtschaftlich, sondern auch mit gesellschaftlicher Verantwortlichkeit.“ Aus dieser positiven Erfahrung haben wir in diesem Jahr unseren eigenen Sozialpreis „Herzenssache“ unter der Schirmherrschaft unseres Kunden und Mitglieds Wolfgang Schäuble ausgeschrieben. Wir versuchen, dieses Thema für andere zu erschließen und Unternehmen und Vereine zu ehrenamtlichem Engagement zu motivieren.
Wir sind Teil der Gesellschaft
Welchen Stellenwert hat soziales Engagement für Ihre Bank?
Jede Bank, auch innerhalb der Genossenschaft, hat dabei eine andere Wahrnehmung. Viele definieren sich über das Spendenvolumen. Das tun wir auch, stellen die Währung Geld aber nicht in den Vordergrund. Wir glauben, dass es nicht das ist, was die Menschen erreicht. Nichtsdestotrotz ist die Sozial- und Unterstützungsbilanz der Genossenschaftsgruppe – aber auch der Sparkassen – enorm.
Dennoch sind Sie Vorstand eines Wirtschaftsunternehmens. Rechnet sich ein solches Engagement für die Bank im Hinblick auf Kunden und Umsatz, also allgemein gesagt den wirtschaftlichen Erfolg?
Wenn man davon überzeugt ist, dass man Teil der Gesellschaft ist, spielt das zunächst keine Rolle. Ich glaube trotzdem, dass es eine positive Wirkung hat. Die Leistung einer Bank beschränkt sich ja nicht nur auf Kreditvergabe, Einlagen und Zahlungsverkehr. Kunden kaufen auch immer so etwas wie Reputation, Markenwert und Vertrauen. Durch diese Maßnahmen wird das positiv unterstützt. Wir haben eine exzellente Reputation und Vernetzung in der Region. Man ist gerne bei uns, was die stets vollen Kunden- und Mitgliederveranstaltungen belegen. Diese Gemeinschaft ist nicht selbstverständlich und prägt sowohl die Region als auch unsere Bank. Und das in einer Branche, die oft kritisch gesehen wird.
Ist das Engagement in der Region in einer Zeit der Konkurrenz zu Direktbanken und Fintechs ein wichtiges Charakteristikum, mit dem sich Genossenschaftsbanken auch in vielen Jahren noch abheben können?
Die Möglichkeiten der Digitalisierung, die von den Fintechs bereits genutzt werden, müssen wir ohnehin lernen. Die Frage ist: Wofür bezahlt uns der Kunde am Ende des Tages? Natürlich dafür, dass wir unser Kerngeschäft perfekt beherrschen. Wir sind aber auch Vertrauenspersonen, wir sind ein Intermediär und Teil der Gesellschaft. Am Ende des Tages benötigt man mehr als das Kerngeschäft, das jeder leisten muss. Dieses Differenzierungsmerkmal hilft uns auch in der Ausbildung von Teamfähigkeit, um Prozesse zu verbessern. Weil wir gut miteinander funktionieren, lösen wir Herausforderungen vielleicht etwas besser als die meisten unserer Branche.
Neue Perspektiven für Mitarbeiter
In diesem Jahr fusionierten Offenburg und Achern zur Volksbank in der Ortenau. Was waren die Gründe für die Fusion?
Unsere Beweggründe waren dieselben, die im Moment allgemein als Herausforderungen für Banken angeführt werden können – Niedrigzinsumfeld, Digitalisierung, Regulatorik. Die Volksbanken Achern und Offenburg arbeiten schon seit vielen Jahren zusammen, vor allem im Händlerkundengeschäft. Aufgrund der regionalen Nachbarschaft haben wir zum Teil gemeinsame Kunden und Metageschäfte im Kreditbereich. Unter Berücksichtigung der eingangs genannten Herausforderungen hat eine größere Einheit Möglichkeiten, Kosten durch Regulierung, Geldwäscherichtlinien, Rechnungs- oder Meldewesen besser zu skalieren als jeder für sich alleine. In Offenburg haben wir sehr stark wachsende Bereiche wie die überregionale Baufinanzierung oder den Zahlungsverkehr. Dort suchen wir permanent Mitarbeiter. Wenn im Retailgeschäft eher Personal abgebaut wird, ergeben sich für die Mitarbeiter neue Perspektiven in diesen wachsenden Geschäftsfeldern.
Fusionen gehen meist nicht ohne Störgeräusche vonstatten. Wie ist Ihre Fusion verlaufen? Hat der Kontakt unter den Mitarbeitern durch das soziale Engagement geholfen?
Ja, das hat es. Der Fusionsprozess ist insgesamt sehr rund gelaufen. Die Vorstände haben bereits im Vorfeld immer wieder Strukturfragen diskutiert. Auch die Einbindung der Gremien und der Aufsichtsräte, die sich untereinander bereits kennen, verlief sehr schnell. Die Herausforderungen bestehen meist vor dem Start der Zusammenarbeit und dann lösen sich die Ängste schlagartig in Luft auf. Heute kann ich fast nicht mehr unterscheiden, wer aus Achern und wer aus Offenburg kommt. Das ist ein gutes Zeichen.
Sind Fusionen in der genossenschaftlichen Säule beim aktuellen Kosten- und Konkurrenzdruck „alternativlos“? Oder wird manchmal zu schnell fusioniert?
Es ist kein Perpetuum mobile. Einige Chancen entstehen durch die schiere Größe, etwa bei der Kreditvergabe. Es gibt unmittelbare Kostensynergien bei Dingen, die sonst doppelt gemacht werden müssen. Was die Bank braucht, ist eine Vorwärtsstrategie. Eine reine Kostenstrategie wird nicht mehr funktionieren. Es ist keine Fusion, die eine Risikosituation auflöst, wie es in den 1990ern häufig der Fall war. Vor dem Hintergrund der Niedrig- und Negativzinsen haben wir eine völlig andere Situation, die nur unternehmerisch zu lösen ist. Das können auch kleinere Einheiten schaffen, die mit einer guten unternehmerischen Idee über Wachstum die Kostenskalierung hinbekommen können.
Wir optimieren die Bezahlprozesse im Handel
Ihre Volksbank schloss in diesem Jahr außerdem eine Kooperation mit der EDEKABANK im Bereich Zahlungsverkehr für Händlerkunden.
Wir haben ein eigenes Geschäftsfeld, das es bei keiner anderen Sparkasse oder Volksbank gibt. Eine Nischenindustrie, die sich mit dem Händlerkundengeschäft im Payment-Bereich beschäftigt und die wir seit rund 20 Jahren besetzen. Mit der Filialisierung und Internationalisierung von Unternehmen ist eine Komplexität entstanden, aufgrund derer die meisten Volksbanken ihr Kartenzahlungsgeschäft in die Hände technischer Netzbetreiber und Acquirer gegeben haben. Das hat die Volksbank Offenburg damals nicht getan, sondern Kompetenzen aufgebaut. Wir haben Menschen mit hoher technischer Expertise an Bord geholt. So konnten wir unsere Händlerkunden weiter begleiten und USPs im Zusammenhang mit der Optimierung von Massenzahlungsverkehr schaffen. Vor elf Jahren waren es vier Mitarbeiter, heute sind es 65 an den Standorten Offenburg und Dresden. Wir vereinen in Offenburg heute fast die Hälfte des gesamten kartengestützten Volumens innerhalb unserer Gruppe. Das ist für uns eine Erfolgsstory, die sehr wichtig für unsere Betriebswirtschaft ist – denn sie ist hochprofitabel und liefert enorme Deckungsbeiträge für die Gesamtorganisation. Dieses skalenbetriebene Geschäft können Sie nicht alleine in der mittleren Ortenau realisieren, sondern es bedarf mehrerer Millionen Transaktionen und tausender Terminals, die einen Zugang zum Markt generieren. So haben wir es geschafft, uns zu einem Full-Service-Dienstleister im Payment für die mittelständischen Filialisten mit hybriden Geschäftsmodellen zu entwickeln. Das Ganze findet nicht nur stationär, sondern auch im E-Commerce statt. Daher haben wir auch einen E-Commerce-Tag veranstaltet [BANKINGNEWS berichtete; Anm.d.Red.].
Dann ist paydirekt ein Wettbewerber für Sie?
Nein, wir sind kein Produzent von Bezahlformen, sondern wir sorgen dafür, dass unsere Händler einen optimalen Prozess im Bezahlen haben. Wir nutzen – als einer von zwölf Lizenznehmern in Deutschland – Kreditkartenorganisationen und wir nutzen paydirekt und PayPal, sodass der Händler einen leistungsfähigen Kassenprozess hat. Außerdem stellen wir beim Händler Einzahlungstresore für die Bargeldentsorgung auf und steuern den gesamten Logistik- und Versicherungsprozess. Egal wie bezahlt wird, wir optimieren die Prozesse bis hin zu den Waren- und Finanzwirtschaftssystemen. Dort entsteht der eigentliche USP. Die Kooperation mit der EDEKABANK lag auf der Hand, da sie innerhalb ihrer Gruppe etwas Ähnliches tut. Der Kontakt zu uns bestand schon lange und es bot sich an, Kompetenzen zu bündeln. Wir haben eine ähnliche Sichtweise auf das Thema Payment, woraus sich automatisch Synergien ergeben.
Digitale Unabhängigkeit schaffen
Eine weitere Kooperation mit Volksbanken und Sparkassen aus der Ortenau führten zu einem Online-Immobilienportal. Ist es nicht etwas gewagt, gegen die großen Portale anzutreten?
Das mag sein. Es ist aber ein unternehmerischer Versuch, sich aus gewissen Anhängigkeiten zu befreien. Wir sind dem Vorbild der Kollegen in Heidelberg gefolgt. Das Immobilienmaklergeschäft ist zunächst und zum größten Teil ein regionales und kein nationales. Die meisten Anbieter und die meisten Nachfragen kommen aus der Region. Wozu brauche ich dann eine globale Informationsplattform? Wir haben es im Sinne einer Interessengemeinschaft vor Ort umgesetzt, konnten enorme Kostenvorteile generieren und diesem Beispiel folgen nun auch andere Regionen. Wir beobachten teilweise eine Re-Regionalisierung in diesem Segment. Die Spielregeln bleiben bei uns in einer Art Beirat, der etwa darüber entscheidet, ob und welche Werbung platziert wird. Damit schaffen wir uns eine digitale Unabhängigkeit.
Auf Ihrer Website zeichnen Sie die „Genossenschaftliche Beratung“ mit den Attributen „persönlich, fair, transparent und partnerschaftlich“ aus. Wäre es nicht höchst transparent, dort bereits darauf hinzuweisen, dass die Beratung auf Provisionsbasis erfolgt? Laut Studien ist dies nur den wenigsten Kunden bewusst.
Wir haben keine Rückmeldung dazu, dass unsere Kunden erwarten, dass wir umsonst arbeiten, sondern sie wissen, dass in irgendeiner Form eine Vergütung fließt. Es gibt wenige Branchen, die beim Thema Preistransparenz ähnlich hoch reguliert sind. Auf jedem Beratungsprotokoll oder Verzeichnis werden die Preise aufgeführt, weshalb man nicht davon sprechen kann, dass wir ein intransparentes Pricing hätten. Letzten Endes muss man sich fragen, ob die Kunden mit der Leistung zufrieden sind und das Modell akzeptieren. In der Realität sind die Kunden fast nicht bereit, über Honorare oder Ausgabeaufschläge in Vorlage zu gehen, weil auch durch Niedrig- und Negativzinsen die sichere Rendite schlicht fehlt. Daher haben wir eine laufende Provision, die sogenannten Nettofonds, d.h. wir partizipieren so lange, wie der Kunde das Investment hält. Das ist unternehmerisch gewollt und sinnvoll, da über diese Beteiligung und den Aufbau von Beständen ein skalierbares Geschäftsmodell ermöglicht wird. Wir sind nicht gezwungen, immer wieder Beratungen zu verkaufen, ein Honorar abzurechnen oder gar aus erfolgreichen Investments auszusteigen. Dies birgt die Gefahr, nicht anlegergerecht zu beraten – aus dem wirtschaftlichen Zwang heraus, Erträge zu generieren durch Umschichtung oder Beratungsgespräche, welche die Notwendigkeit einer Umschichtung überprüfen.
Marcus Vitt, Vorstandssprecher von Donner & Reuschel, hat mir in einem Gespräch das Konzept seiner Bank zum Spannungsfeld Honorar vs. Provision erläutert: Der Kunde entscheidet, ob er auf Honorar- oder Provisionsbasis beraten werden möchte. Könnte das auch ein Konzept für die Genossenschaftsbanken sein?
Wenn es die Nachfrage gäbe, könnte man es anbieten. Ich glaube aber, dass wenigen bewusst ist, welche Honorarsätze dann aufgerufen werden müssten, um ein nachhaltig profitables Geschäftsmodell zu entwickeln. Wenn man ein Beratungshonorar vernünftig und seriös kalkulierte, bewegte es sich in der Größenordnung des Stundensatzes eines Fachanwalts. Und sind die Kunden tatsächlich bereit, solche Honorare vor dem Hintergrund einer nicht-sicheren Rendite zu investieren?
Etwas ist aus dem Ruder gelaufen
Ihre Firmenkunden zahlen ab sofort Negativzinsen auf ihre Einlagen. Ein notwendiger Schritt im aktuellen Zinsumfeld?
Ja, es war ein notwendiger Schritt, um marktgerechte Konditionen zu kalkulieren – und zwar sowohl auf der Aktiv- als auch auf der Passivseite. Aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen ist es im Moment nur im Firmenkundegeschäft durchsetzbar. Auf der Aktivseite sind die Zinsen für langfristige Investitionen extrem gefallen. Und auch der Wettbewerb gibt die Negativzinsen weiter und bepreist diese marktgerecht. Ich vermeide daher den Begriff des „Strafzinses“. Wenn einige Banken das Regulativ Preis aufgeben, riskieren sie, mit Liquidität geflutet zu werden. Dadurch generieren sie mit jedem Zulauf, den sie nicht gleichzeitig im Kreditgeschäft unterbringen, mit jedem Passivüberhang, unmittelbare Verluste gegenüber ihrer eigenen GuV. Das wird man kaufmännisch nicht lange verantworten dürfen. Wie reagieren die Kunden darauf? Einerseits rational, da es jeder versteht, der sich mit den Themen Wirtschaft und Geldpolitik beschäftigt. Andererseits reagieren sie – genau wie wir – emotional, mit einem Kopfschütteln über das, was aktuell passiert. Denn was signalisiert dieser Negativzins? Dass etwas im System nicht stimmt. Es ist etwas aus dem Ruder gelaufen, das jetzt über die Geldpolitik gerettet werden soll – mit fatalen Folgen für das mittelständische Bankwesen und in einem zweiten Schritt für die mittelständische Realwirtschaft.
Wie lange dauert es noch, bis Negativzinsen an Privatkunden weitergegeben werden?
Ich kann das nicht grundsätzlich ausschließen, da ich die Rahmenbedingungen nicht beeinflussen kann. Prognosen und Studien zeichnen durchaus düstere Bilder für die Zukunft. Daher müssen wir uns fragen, wie wir das Geschäftsmodell profitabel halten können. Wir versuchen das, indem wir unser Geschäftsmodell über die Aktivseite wachsen lassen, um uns der Misere der negativ rentierlichen Kapitalmärkte entziehen zu können.