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„Die Frage war nicht, ob wir fusionieren, sondern wann“

Uwe Berghaus, Vorstandsmitglied der DZ BANK, spricht im Interview, u.a. über die durchgeführte Fusion mit der WGZ BANK im Jahr 2016, die Auswirkungen der Italien-Krise auf europäische Finanzinstitute sowie den Sinn und Unsinn der Bankenregulierung.


Uwe Berghaus, Vorstandsmitglied der DZ BANK, im Gespräch mit Chefredakteur Thorsten Hahn. Im Interview sprach er u.a. über den Stand der technischen sowie kulturellen Fusion mit der WGZ BANK, die Renaissance des Firmenkundengeschäfts in Deutschland und das Innovation LAB der DZ BANK.

BANKINGNEWS: Die Fusion mit der WGZ BANK liegt jetzt beinahe zwei Jahre zurück. Kann man diese bereits als komplett abgeschlossen betrachten?

Uwe Berghaus: Die technische Fusion ist mit der Migration der Kreditbestandsdaten bereits seit Anfang Oktober letzten Jahres abgeschlossen. Diese haben wir also in Rekordzeit über die Bühne gebracht. Auch die kulturelle Fusion bzw. Integration ist auf einem sehr guten Weg. Unabhängig davon war uns wichtig, dass wir Mitarbeiter, die in den Regionen sitzen und unmittelbaren Kontakt zum Kunden haben, dort belassen und funktionierende Strukturen fortführen. Dadurch haben die Kunden kaum etwas von der Fusion mitbekommen. Kundenorientierung schreiben wir nach wie vor groß.

„Schließlich entstammen wir der gleichen Familie“

Sie selbst waren zuvor Mitglied des Vorstands bei der WGZ BANK, aus der auch die eine oder andere kritische Stimme gegen die Fusion zu hören war. Haben sich die Wogen mittlerweile geglättet?

Mittlerweile sind wir eingespielt. Eine der ersten Entscheidungen, die wir im Vorfeld der Fusion treffen mussten, war die Frage, welche EDV-Plattform wir zukünftig nutzen werden. Hier lag es nahe, dass wir uns für SAP entscheiden, also die EDV-Plattform der DZ BANK. Für die Mitarbeiter der WGZ BANK bedeutete das, dass sie sich für den 1. August des Jahres 2016 auf neue Prozesse und EDV-Anwendungen einstellen mussten. Das ist erstmal eine zusätzliche Aufgabe, die wir nun aber bewältigt haben. Zudem ist die kulturelle Integration, wie bereits gesagt, auf einem guten Weg. Schließlich entstammen wir der gleichen Familie. Für mich ist der Zusammenschluss von DZ und WGZ der Schlussstein einer Entwicklung, die schon früh begonnen hat. Es gab zu Beginn 52 regionale Zentralbanken, am Ende waren es dann noch die DZ und WGZ BANK. Der Abschluss dieser Konsolidierung musste irgendwann kommen – das war völlig klar. Es war also nicht die Frage, ob wir fusionieren würden, sondern wann. Nachdem wir auf beiden Seiten dann auch noch nach den einschlägigen Prüfungshandlungen die Bestätigung bekamen, dass wir über solide Portfolien verfügen, war auch der richtige Zeitpunkt gekommen. Wir haben die Fusion in einer Phase durchgeführt, in der sich beide Banken in einer wirtschaftlich grundsoliden Lage befanden und keine unmittelbare Notwendigkeit vorherrschte. Entsprechend hatten wir mit einer Zustimmungsquote von jeweils über 99,9 Prozent in der Hauptversammlung auf beiden Seiten eine breite Unterstützung unserer Eigentümer.

Auf Ihrer Homepage präsentieren Sie sich nun in stolzer Einigkeit als „die Initiativbank“. Was ist darunter zu verstehen?

Wir haben das Selbstverständnis, dass wir unsere Kunden ganzheitlich verstehen und begleiten– also genau wissen, wo die Bedarfe des Kunden entlang seiner gesamten Wertschöpfungskette liegen. Auf dieser Basis ist es unser Anspruch, dass wir den Kunden initiativ beraten und nicht abwarten, bis er sich mit einem konkreten Wunsch an uns wendet. Das bietet dem Kunden Mehrwert und das verstehen wir unter Initiativbank. Laut einer Befragung, die wir vor kurzem durchgeführt haben, fordern übrigens über 30 Prozent der Kunden von ihrer Hausbank, dass sie initiativ auch bei strategischen Themen auf sie zukommt und die Diskussion sucht.

„Wer im Firmenkundengeschäft wachsen möchte, kann das nur über Verdrängung schaffen“

Mit 1,1 Milliarden Euro Gewinn ist die DZ BANK Deutschlands erfolgreichste Geschäftsbank. Welche Rolle hat das Firmenkundengeschäft bei diesem Erfolg gespielt?

Das Firmenkundengeschäft ist neben dem Zentralbankgeschäft mit den Genossenschaftsbanken eine ganz zentrale Größe in der DZ BANK. Besonders für die Wachstumsperspektiven und Ziele der Bank spielt das Firmenkundengeschäft eine Schlüsselrolle. Wir wollen hier weiter wachsen.

Das möchte im Moment jede große Bank. Ist der Kuchen groß genug für alle?

Der Ertragspool im Firmenkundengeschäft wird bis zum Jahr 2020 für alle Banken gerade einmal um 0,5-0,6 Prozent wachsen. Wenn eine Bank also im Firmenkundengeschäft wachsen möchte, dann kann sie das nur über Verdrängung schaffen. Aktuell herrscht natürlich die Situation vor, dass sich in Ermangelung attraktiver Renditen im Depot A-Geschäft, also in der Kapitalmarktanlage, alle Banken auf das Firmenkundengeschäft konzentrieren und darüber wachsen möchten. Wir haben aber schon gezeigt, dass wir das können: Der genossenschaftlichen Gruppe ist es gelungen, in den zurückliegenden zehn Jahren den Marktanteil von 14,1 Prozent auf jetzt 21,2 Prozent zu steigern. Das fußt auf der Zufriedenheit unserer Kunden – sowohl im Direktgeschäft als auch im gemeinsamen Kreditgeschäft mit den Volks- und Raiffeisenbanken. Sicherlich ist auch ein wichtiger Faktor, dass wir in Europa mit AA- über ein Top-Rating verfügen. Das gibt uns zusätzlichen Rückenwind. Wir sind deshalb zuversichtlich, dass wir uns weiterhin positiv entwickeln können. Dabei hilft uns im Übrigen auch, dass wir nicht nur klassische Bankprodukte anbieten, sondern Allfinanzkonzern sind. Wir sind dadurch in der Lage, den Kunden vollumfänglich mit Produkten aus der Gruppe heraus zu versorgen. Und eben dies hat uns in der Vergangenheit erfolgreich gemacht. Im Übrigen streben wir langfristige Kundenverbindungen an und sind nicht, wie manche Wettbewerber, deal-orientiert.

„Arbeitskräftemangel scheint der zentrale Druckpunkt zu sein“

In der neuen Ausgabe Ihrer Studie „Mittelstand im Mittelpunkt“ berichten Sie, dass die Geschäftslage bereits zum dritten Mal hintereinander ein Rekordhoch erzielte, mittelständische Unternehmen jedoch trotzdem weniger investieren wollen. Wie kommt das?

Die Investitionsneigung bleibt grundsätzlich weiter hoch. Dennoch: In der jüngsten Umfrage sagen nur noch 78 Prozent der befragten mittelständischen Unternehmen, dass sie Investitionen vornehmen möchten. Vor Halbjahresfrist waren es noch 82 Prozent. Das ist zwar keine große Veränderung, aber doch eine Entwicklung. Das größte Problem der Unternehmen ist, dass sie keine geeigneten Fachkräfte akquirieren können – zumindest nicht in der Qualität und dem Ausmaß, in dem sie es gerne würden. Das sagen 78 Prozent der Befragten. Weitere Gründe sind mit 71 Prozent die in Deutschland häufig kritisierte Bürokratie oder auch die Lohn- und Gehaltsentwicklungen, welche allerdings nur weniger als die Hälfte als Grund anführten. Das Thema Arbeitskräftemangel scheint der zentrale Druckpunkt für mittelständische Unternehmen in Deutschland zu sein. Dieser führt in Teilen auch dazu, dass Investitionen zurückgestellt werden.

„In und nach der Finanzkrise haben Werte wie Verlässlichkeit und Seriosität eine Renaissance erlebt“

Das Genossenschaftswesen wirkt schon allein aufgrund seines langjährigen Bestehens auf viele ein bisschen angestaubt. Mit dem Innovation LAB, einem Innovationsradar und einem aktiven Blog zu diesem Thema scheint die DZ BANK aber großen Wert darauf zu legen, neue technische Entwicklungen zu fördern. Wie ist die Innovationskultur bei Ihnen?

Die Genossenschaften waren schon immer innovationsfreudig. Sie sind ja letztlich so etwas wie die Vorreiter der Sharing Economy. Dennoch waren wir in den vergangenen Jahren sicher in erster Linie wegen unserer Zuverlässigkeit und Seriosität ein gerne akzeptierter Geschäftspartner. Darauf können wir auch stolz sein. Gerade in und nach der Finanzkrise haben Werte wie Verlässlichkeit und Seriosität eine Renaissance erlebt. Aber wenn es um die Frage nach innovativen Ideen ging, dachte man nicht zuerst an uns. Das hat sich längst geändert. Mit unserem Innovation LAB haben wir ein Format geschaffen, mit dem wir mit großer Freiheit Innovation denken und auch diskutieren können – und zwar auch mit anderen Gruppen-Unternehmen, die wir dann in dieses Raster miteinfügen. Wir haben jedoch nicht den Anspruch, das alles selbst umzusetzen und gehen in Teilen auch Kooperationen ein. Zum Beispiel sind wir mit 25 Prozent an TrustBills beteiligt, einer Plattform für den Verkauf von Handelsfinanzierungen. Wir haben keine Vorbehalte, diese Wege zu gehen.

„Wenn es sich nicht rechnet, dann sind wir eben wieder um eine Erfahrung reicher“

Wie funktioniert dabei die Zusammenarbeit mit der restlichen genossenschaftlichen Gruppe?

Wir haben mittlerweile 15 Durchläufe im Innovation LAB mit Ideen aus der Mitarbeiterschaft durchgeführt. Diese Ideen entstehen nicht nur in der DZ BANK, sondern auch bei den Verbundunternehmen oder in Genossenschaftsbanken. Zunächst gibt es einen Pitch, bei dem wir drei oder vier Themen auswählen, die wir für besonders interessant und zukunftsfähig halten. Dann bearbeiten über einen Zeitraum von drei Monaten EDV-Spezialisten, aber auch Fachspezialisten zusammen im Innovation LAB in gemischten Teams die ausgewählten Themen. Da wir alles, was wir tun, vom Kunden aus denken, werden auch sie dabei mit einbezogen. Denn auch die Bedarfe, die der Kunde artikuliert, müssen entsprechend berücksichtigt werden. Nach drei Monaten schaut man sich das Ergebnis an. Dann ist die Frage zu beantworten, ob man das Erarbeitete in den Regelprozess bringt, es weiterentwickelt oder es am Ende vielleicht doch keinen Mehrwert gebracht hat. Denn auch das kann passieren. Heutzutage geht man hier anders vor als früher. Heute sagen wir: Wir probieren es einfach, und wenn es sich nicht rechnet, dann sind wir eben wieder um eine Erfahrung reicher.

Sie haben gerade eine Kooperation mit der China Development Bank vereinbart. Welches Ziel verfolgen Sie dabei?

China ist längst nicht mehr nur für Großkonzerne ein interessanter Markt, sondern auch für Mittelständler: 22 Prozent der mittelständischen Unternehmen in Deutschland machen Geschäfte mit China. Im Rahmen der Kooperation mit der China Development Bank wollen wir wechselseitige Direktinvestitionen mit Finanzierungen begleiten. Das heißt, dass chinesische Unternehmen in Deutschland investieren und umgekehrt. Außerdem möchten wir internationale Handelsfinanzierungen, gedeckte Exportfinanzierungen und Projektfinanzierungen – insbesondere in den Segmenten Energie und Infrastruktur – gemeinsam begleiten und auch in Kapitalmarktfragen zusammenarbeiten.

Wie beurteilt eine DZ BANK die Gefahr, dass chinesische Investoren deutsche Schlüsselindustrien übernehmen könnten?

Dieses Thema muss man differenziert betrachten, denn hier gibt es nicht die eine gültige Aussage. Dass chinesische Unternehmen Interesse an deutschem Know-how haben, liegt auf der Hand. Das lässt sich allein an der Vielzahl von Unternehmensübernahmen ablesen, die es in der Vergangenheit gegeben hat. Nach unseren Beobachtungen bringen diese chinesischen Käufer oftmals auch entsprechendes Kapital mit und ermöglichen den akquirierten Unternehmen, sich weiterzuentwickeln und in Forschung, Entwicklung sowie ihre Produktionskapazität zu investieren. Das hat dann positive Implikationen für diese Unternehmen. Bei Schlüsseltechnologien sollte man jedoch vorsichtig sein, was zum Verkauf gestellt wird.

Die neue Regierung in Italien bereitet vielen in Europa große Sorgen. Welche Risiken birgt die sogenannte Italien-Krise für europäische bzw. deutsche Banken und ihre Firmenkunden?

Unsere Kunden beobachten das natürlich sehr genau, denn Italien ist durchaus ein relevanter Handelspartner der Bundesrepublik. Außerdem würde eine generelle Konjunktureintrübung in Europa, ausgelöst durch die Italien-Krise, natürlich auch die Wachstumsaussichten der Firmen beeinträchtigen. Große Nervosität sehe ich jedoch hier in der Breite nicht. Bezogen auf die Italien-Portfolien der Banken ist die Betroffenheit teils schon gegeben. Banken der Eurozone haben aktuell ein Gesamtengagement in Italien von gut 500 Milliarden Euro. Den Löwenanteil davon halten mit 310 Milliarden Euro französische Banken, aber auch einige deutsche Banken sind betroffen. Es ist also wichtig, dass die Probleme in Italien gelöst werden. Denn seit sich die aktuelle politische Situation in Italien so negativ entwickelt hat, sind die Risikoaufschläge auf italienische Anleihen massiv gestiegen. Das führt natürlich perspektivisch zu einer Verteuerung der Refinanzierung Italiens, was die Probleme des Landes weiter verschärfen kann.

„Zumindest dieser Teil der Rettungspolitik ist leider nicht aufgegangen“

Mario Draghi sagte doch, er kauft alles. Aber jetzt ist ihm auch die Luft ausgegangen.

Mario Draghis eigentliche Absicht war es, dass die „Zeit des billigen Geldes“ dafür genutzt wird, um nötige Strukturreformen vorzunehmen. Genau das ist leider nicht passiert. Wenn die Mittelaufnahme de facto immer günstiger wird, dann erkennt ein Schuldner nicht unmittelbar die Notwendigkeit, seine Verbindlichkeiten zurückzuführen. Vielleicht nimmt er stattdessen sogar lieber neue auf. Zumindest dieser Teil der Rettungspolitik ist leider nicht aufgegangen.

Ihr Vorstandsvorsitzender Wolfgang Kirsch hat bereits bei mehreren Gelegenheiten vor zu viel Regulierung gewarnt. Wie beurteilen Sie das vom EU-Rat beschlossene „Bankenpaket“ (CRR II / CRD V) im Hinblick auf das Firmenkundengeschäft der DZ BANK bzw. der gesamten genossenschaftlichen FinanzGruppe?

Die Bankenregulierung kannte in den letzten Jahren immer nur eine Tendenz – sie wurde intensiver. Das treibt die Kosten bei allen Instituten. Große Banken, die im Zweifel auch die Mittel und Kapazitäten haben, um entsprechende Projekte umzusetzen, können sich darauf etwas besser einstellen als die kleinen. Es bleibt jedoch die Frage: Warum müssen eigentlich alle Banken unabhängig von der Größe und unabhängig davon, welches Geschäftsmodell sie haben, gleich mit Regulatorik belastet werden? Vor allem kleinere Banken sollten hier von Teilen der Regulatorik ausgenommen werden. Mit der im EU-Bankenpaket festgelegten Erleichterung für Banken mit einer Bilanzsumme bis 5 Milliarden ist bereits ein guter Schritt getan.

Einer Prognose von Oliver Wyman zufolge werden in 10-15 Jahren in Deutschland lediglich 150 bis 300 Banken übrigbleiben. Das Bankensterben könnte Geno-Banken besonders hart treffen. Wie kann die genossenschaftliche FinanzGruppe ihr Überleben sichern?

Natürlich treibt auch die genossenschaftliche FinanzGruppe ihre Konsolidierung voran, wo es sinnvoll ist. Seit dem Jahr 1970 sind von den damals über 7.000 Volksbanken und Raiffeisenbanken noch rund 900 übriggeblieben. Es ist zu erwarten, dass sich diese Tendenz fortsetzen wird. Es bilden sich immer größere Einheiten, und auch das Thema Regulatorik ist hier ein wesentlicher Treiber. Größere Häuser können den Aufwand effizienter bewerkstelligen und zugleich im Kundengeschäft mehr Schlagkraft entfalten, wenn sie sich richtig aufstellen.

Sind diese ganzen Fusionen denn immer gesund? Es sind schließlich nicht nur unprofitable Banken, die fusionieren.

Fusionen sind kein Selbstzweck. Tatsache ist jedoch, dass durch die vielen regulatorischen Vorgaben und Entwicklungen, Banken gefordert sind, sehr stark in diesem Bereich zu investieren. Nicht alle Banken können das leisten, und das ist einer der Gründe für Fusionen. Ein weiterer Faktor ist das Thema Digitalisierung. Auch hier gibt es massive Herausforderungen, denen wir uns in der Branche stellen müssen. Und schließlich ist da noch das Zinsniveau, wo den Banken de facto signifikante Erträge fehlen. Will ein Bankvorstand verantwortungsvoll mit der Situation umgehen, muss er sich also frühzeitig Gedanken darüber machen, was für sein Institut der richtige Weg ist. Das führt uns zu der gestiegenen Anzahl von Fusionen, die wir in der jüngeren Vergangenheit gesehen haben und wahrscheinlich in naher Zukunft noch sehen werden.