BANKINGNEWS: Sie haben im April Ihre grundsanierte Zentrale in Köln bezogen. Haben Sie sich schon eingelebt?
René Königshausen: Wir sind froh, dass wir nach zweieinhalb Jahren Bauzeit wie geplant einziehen konnten. Die wichtigsten Ziele der Sanierung bestanden darin, jeden Quadratmeter optimal zu nutzen und die Nachhaltigkeit der Immobilie zu steigern. Daher erhielten alle Räume – besonders im Sinne einer energieeffizienten Haustechnik – eine Grunderneuerung. Die Mitarbeiter fühlen sich sehr wohl.
Einige Banken legen die Verwaltung in preiswertere Randlagen. Sie hingegen gönnen sich den Luxus Innenstadt. Rechnet sich das?
Unsere Zentrale am Laurenzplatz ist kein reiner Verwaltungssitz. Uns war wichtig, sowohl unseren Kunden als auch den Mitarbeitern eine gut angebundene Anlaufstelle zu bieten. Die Innenstadtlage besitzt eine hohe Attraktivität, die sich im Recruiting neuer Mitarbeiter ausspielen lässt. Ich freue mich jeden Morgen über den Blick auf den Kölner Dom. Das bietet keine Randlage.
Haben Sie die Modernisierung dazu genutzt, Raum für neue Formen der Zusammenarbeit zu schaffen?
Ja. Wir haben zunächst mit einer Arbeitsgruppe neue Raumkonzepte entwickelt. Unser Architekt hat uns dabei unterstützt, neue Kollaborationsformen einzuführen. Eine ganz andere Arbeitsatmosphäre bietet etwa der Kreativ-Raum, der unkonventionelle Formen des Denkens und Vernetzens in der Zusammenarbeit fördert. Es gibt weder Stühle noch Tische und man kann an die Wände schreiben. Sie finden Open-Space-Büros, die sehr hell und freundlich eingerichtet sind. Unsere Mitarbeiter können sogenannte Think-Tanks nutzen, um zurückgezogen zu arbeiten. Außerdem stehen größere Gruppenräume für abteilungsübergreifende Projekte zur Verfügung. Die neuen Formen des vernetzten Arbeitens spiegeln sich in der offenen Architektur wider.
„Jeder Kunde kennt seinen persönlichen Ansprechpartner“
Und was ändert sich für die Kunden?
In einer Zeit, in der alles anonymer wird, ist besonders wichtig, was sich nicht ändert: Jeder Kunde kennt seinen persönlichen Ansprechpartner. Was neu ist, sind die rund 1.400 Schließfächer und die Integration digitaler Themen wie Selbstberatungstools, Robo Advisory oder elektronische Unterschriften. Die Kunden finden eine neue Raumstruktur vor. So gibt es Themen- und Familienzimmer, damit eine ungestörte Beratung stattfinden kann, wenn ein Kunde mit seinen Kindern kommt. Ebenfalls neu sind die – ausschließlich für Kundengespräche vorgesehenen – Beratungsbüros. Die Vorbereitung auf die Gespräche nimmt der Berater am Open-Space-Arbeitsplatz vor, auch im Austausch mit Kollegen anderer Fachbereiche. Das anschließende Kundengespräch findet im speziell ausgestatteten Beratungsbüro statt.
Wie sieht Ihre Strategie hinsichtlich der Präsenz im Geschäftsgebiet aus?
Unser Leitsatz heißt: vor Ort für unsere Kunden da sein – und gleichzeitig alles bieten, was modernes Banking bieten muss. In Bonn haben wir uns aus zwei 1B-Lagen zurückgezogen und dafür eine 1A-Lage in der Maximilianstraße bezogen. Diese hat 1.400 Quadratmeter Beratungsfläche mit 30 Mitarbeitern. Gerade in den Städten wollen wir persönliche Präsenz zeigen. Das BeratungsCenter in Köln-Deutz haben wir nach zehn Jahren geschlossen, da es zuletzt nur geringen Zulauf gab. Und anders als bei einer Schließung zu erwarten, blieben Beschwerden aus. Es wurde kein Personal entlassen, die Kapazitäten wurden zielgerichtet umverteilt. So haben wir die täglichen Öffnungszeiten von 9 bis 18 Uhr ausgeweitet. Die Kunden können aber auch spätere Termine vereinbaren. Was bringt es, um 16 Uhr die Bank zu schließen, wenn der Kunde erst abends Zeit hat? Wir müssen uns nach den Anforderungen der Kunden richten und nicht umgekehrt. Die jahrelang outgesourcte telefonische Beratung haben wir wieder ins eigene Haus integriert. Denn unser Mitarbeiter kann das Gespräch weiterleiten oder fallabschließend bearbeiten, während dies bei einem Operator, der für 20 Banken zuständig ist, in 60 Prozent der Fälle nicht funktioniert.
„Wir müssen uns nach den Anforderungen der Kunden richten und nicht umgekehrt“
Für die Kunden sind längere Öffnungszeiten toll. Aber wie reagieren Ihre Berater, wenn sie abends arbeiten müssen?
Hinter den Kulissen bringen die verlängerten Öffnungszeiten eine neue Flexibilität für unsere Berater mit sich. Findet abends um 19 Uhr ein Beratungstermin statt, beginnt der Arbeitstag mitunter erst gegen Mittag. Diese flexiblen Einsatzzeiten werden von den Beratern gerne angenommen.
Welche Kanäle sind bei Ihren Kunden am beliebtesten?
Hier muss man zwischen Vertriebs- und Kommunikationskanälen unterscheiden. Im Neukundenprozess ist der Vertriebskanal primär online. Im letzten Jahr haben wir knapp 4.700 Neukunden gewonnen, davon haben sich 3.000 über Videochat legitimiert. Dieser Kanal wird also gut angenommen. Das korrespondiert mit den Privatkrediten, von denen fast die Hälfte online abgeschlossen wurde. Online-affine Zielgruppen und Kunden, die nicht in die Filiale kommen können, treten über unsere Chatbox oder E-Mail mit uns in Verbindung. Dafür haben wir ein eigenes Team, das von positiver Resonanz berichtet. Unsere Bestandskunden, vor allem die Mid-Ager, bevorzugen noch die klassischen Kommunikationskanäle über die persönliche und telefonische Beratung.
Ihre Banking-App hat deutlich schlechtere Bewertungen als die anderer Banken. Woran liegt’s?
Zunächst sind knapp über 400 Bewertungen, die in den App-Stores für die gesamte PSD-Bankengruppe abgegeben wurden, keine sonderlich repräsentative Zahl. Wir gehen mit unserem Partner, der Fiducia, erst nach einer ordentlichen Testphase an den Markt, da die Kundendaten unser höchstes Gut sind. Daher sind wir nicht immer so schnell mit Lösungen, wie es Fintechs und andere Partner sind, die fernab der Regulatorik arbeiten können.
N26 unterliegt auch der Regulatorik. Müsste es für Sie nicht ein Leichtes sein, ebenfalls smarte Frontends zu gestalten?
Natürlich suchen wir weiterhin nach guten Frontend-Lösungen. Wenn solche – auch außerhalb des Fiducia-Umfelds – angeboten werden, prüfen wir sie und führen sie gegebenenfalls auch ein.
BaFin-Sonderprüfung und Betrugsfälle trübten bei N26 etwas die Euphorie. Reibt sich da ein tradierter Banker die Hände?
Häme und Missgunst sind keine ehrbaren Eigenschaften eines Kaufmanns. Es ist gut, dass es unterschiedliche Geschäftsmodelle gibt. Konkurrenz belebt das Geschäft. Ich habe N26 über die letzten Jahre genau verfolgt und halte das Wachstum auf heute 2,5 Millionen Kunden für eine beachtliche Leistung. Aber wir sind seit 147 Jahren am Markt: Wir kennen die Menschen, wir kennen die Regionen, wir kennen unser Geschäft und haben unsere Erfahrung auch hinsichtlich Regulatorik. Das höchste Gut ist das Vertrauen unserer Kunden. Neue Anbieter müssen in dieses System erst hineinwachsen.
Wie stark frequentieren Ihre Kunden den Robo Advisor MeinInvest?
Wir beobachten einen ROPO-Effekt. Das heißt, unsere Kunden interessieren sich durchaus dafür, schließen aber nicht in hohem Maße online ab. Die Abschlüsse erfolgen oft nach persönlicher Beratung in der Filiale. Wir bieten Informationsveranstaltungen, wie „Industrie 4.0 – was steckt dahinter?“, an. Wenn Kunden live mit digitalen Assistenten in Berührung kommen, ist das Interesse groß. Aber noch überwiegt verhaltene Skepsis.
Wer nutzt die digitale Geldanlage?
Eher online-affine Kunden und Kunden mit Erfahrung in Geldanlagen. Wir können zeigen, dass wir eine gute digitale Vermögensanlagelösung geschaffen haben, die direkt abschlussfähig ist. Unser Ziel ist es, online präsent zu sein, online-affine Kunden zu gewinnen und dankbar für jeden zu sein, den wir im persönlichen Beratungsgespräch erreichen können.
Müssen Banken mehr tun, um zur finanziellen Bildung beizutragen?
Grundsätzlich haben wir als Genossenschaftsbank den Auftrag, die wirtschaftliche Entwicklung unserer Mitglieder zu fördern. Wir tun viel dafür, um dies mit Mehrwerten aufleben zu lassen. Da uns Kunden ihr Interesse an Informationsveranstaltungen bestätigen, haben wir in den letzten zwei Jahren unser Veranstaltungsmanagement ausgebaut und organisieren regelmäßig Events zu Themen wie „Erben und Vererben“ oder „Anlagealternativen in Zeiten der Niedrigzinsphase“. Wir informieren über Digitalisierung, wollen vermitteln was dies für uns als Bank bedeutet und welche Produkte wir anbieten. Dabei handelt es sich aber nicht um Verkaufsveranstaltungen. Insofern nehmen wir neben dem wirtschaftlichen auch einen Bildungsauftrag wahr und erreichen pro Veranstaltung bis zu 300 Menschen. Unser Ziel ist es, diesen Bereich weiter auszubauen, denn er trägt zur Kundenbindung bei.
„Wir haben uns gegen die Einführung einer Dividende entschieden“
Ich habe das Gefühl, dass viele Genossenschaftsbanken das Potenzial der Mitgliedschaft nicht voll ausschöpfen. Wie sehen Sie das?
Das Thema Mitglieder ist ein absolutes Alleinstellungsmerkmal der Genossenschaftsbanken. Es wird aber nicht immer optimal eingesetzt. Während der Finanzmarktkrise wurde die Mitgliedschaft unter Wert verkauft, weil sie als Anlagealternative mit einer hohen Dividende vermarktet wurde, die aber in den letzten Jahren gesunken ist. Wenn die Medien Themen wie „Haftsummenzuschlag“ und „volle Haftung des Geschäftsanteils“ aufgreifen, wirkt sich das ebenfalls negativ auf den Ruf der Mitgliedschaft aus.
Was wollen Sie tun?
Wir haben ein Bonusprogramm entwickelt, mit dem wir Mitglieder honorieren, die eine intensive Geschäftsbeziehung mit uns führen. Dabei haben wir vier verschiedene Produkte klassifiziert, nämlich Girokonto, Anlage- und Kreditprodukte sowie Fondssparpläne. Je nach Nutzung vergeben wir Punkte und zahlen dem Kunden nach Abschluss des Geschäftsjahres eine Prämie als Gutschrift aus. Der Betrag wird individuell berechnet und kann bis zu zehn Euro betragen. Dieses Modell ist das sorgsam entwickelte Ergebnis unserer Arbeitsgruppe, bestehend aus Vorstand, Aufsichtsrat, Vertretern, Mitgliedern und Mitarbeitern. Wir haben uns gegen die Einführung einer Dividende entschieden. Stattdessen wollen wir Mehrwerte für Mitglieder schaffen und jede Weiterempfehlung belohnen.
Wie hoch ist Ihre Mitgliedsquote und welche Entwicklung hat sie in den vergangenen Jahren genommen?
Ende 2018 konnten wir unser 55.555stes Mitglied begrüßen. Bei den rund 4.700 Neukunden aus dem letzten Jahr liegt die Mitgliedschaftsquote bei knapp 70 Prozent und insgesamt bei 58 Prozent. Wir bieten die Mitgliedschaft besonders im Neukundenprozess mit an, sowohl im Präsenzgespräch als auch online. Und wir sehen gerade im Online-Bereich, dass die Mitgliedschaft immer direkt mit abgeschlossen wird. Dort haben wir sehr gute Zuwachsraten. Neben dem Bonusprogramm werden die Mitglieder bei der Anmeldung für Veranstaltungen bevorzugt berücksichtigt. Durch Vertreterwahlen haben sie aktives Mitbestimmungsrecht. Mitglieder kennen sich aus, kennen das Genossenschaftsmodell und sehen einen Sinn darin, sich hier zu engagieren und zu beteiligen.
Spielt der historische Fokus auf Postmitarbeiter heute noch eine Rolle?
Ja, unsere traditionellen Kundengruppen spielen eine große Rolle bei uns. Wir haben mit Post und Telekom zwei DAX-Konzerne in Bonn, die in unserem Geschäftsgebiet sitzen. Bei der Telekom unterhalten wir eine eigene Filiale im Standort. Wir haben einen guten Austausch und entwickeln gemeinsame Benefit-Programme. Natürlich schauen wir uns noch weiter um. So konnten wir in den letzten beiden Jahren zwei weitere große Key-Accounts gewinnen, mit jeweils fast 180.000 Angehörigen.
Infos zur PSD Bank West eG
Gründung: 1872
Sitz: Köln
Rechtform: eG
Geschäftsstellen: 5
Mitarbeiter: 140
Bilanzsumme: 1,6 Mrd.
Kunden: 96.432
Mitglieder: 55.555
Auf Initiative des Kaiserlichen Generalpostamts wurden im Jahr 1872 die Post-, Spar- und Darlehensvereine gegründet. Der Kundenkreis der ursprünglich 21 Kreditinstitute beschränkte sich auf Beschäftigte der Deutschen Post, bis diese Mitte der 1990er-Jahre privatisiert wurde. Im Zuge der Öffnung für weitere Kundengruppen wurden die Vereine in Genossenschaften umgewandelt. Heute betreuen die 14 eigenständigen PSD Banken insgesamt rund 1,3 Millionen Privatkunden. Im Jahr 2002 fusionierten die PSD Banken Köln und Trier; Geschäftsstellen befinden sich in Aachen, Bonn, Köln und Trier. Als bekanntes Werbegesicht agiert seit 2011 Lukas Podolski, dessen Stiftung die PSD Bank West als Partner unterstützt.
Tipp: Lesen Sie auch unser Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden des Verbands der PSD Banken Dieter Jurgeit. Er ist der Meinung: „Wenn der Vorstand jammert, ist er am falschen Platz.“ Und in unserem Daily #Zeitreise erfahren Sie mehr über die Gründung der PSD-Banken, Deutschlands ältester Direktbankengruppe!