Bankingnews: Die Zinsen sind weltweit im Keller. In Frankfurt brennen Autos aus Protest gegen unsere Branche und Fintechs sind auf dem Vormarsch. Macht Banking in Ihrer Führungsverantwortung heute noch Spaß?
Hollweger: Ich habe ebenfalls den Eindruck, dass die von Ihnen genannten Themen das Potenzial besitzen, deutliche brancheninterne und gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen. Insofern empfinden wir es durchaus als spannend, überhaupt einmal Zeitzeuge zu sein. Zwar würde ich es nicht unbedingt als spaßig bezeichnen, aber es ist schlichtweg die Freude am Gestalten, welche die Neugier in uns weckt. Bei den Protesten könnte man die Frage stellen, ob es sich um einen Protest gegen die Branche oder um einen Protest gegen die negative Ausprägung von Geschäftsmodellen handelt, die von Profitgier und von Gewinnmaximierung gekennzeichnet sind.
Also sind die Proteste eher gegen das System?
Hollweger: Ja, gegen das System. Ich habe mal die Attac-Ziele herausgesucht: die Generierung einer solidarischen, sozialen und demokratischen Wirtschaftsordnung. Das ist eigentlich nicht anderes, als ein genossenschaftliches Geschäftsmodell, mit den Grundprinzipien Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung. Der Protest will ein wertorientiertes Geschäftsmodell erreichen und das heißt: ein genossenschaftliches Geschäftsmodell, wie wir es vertreten. Das sind keine Plattitüden. Die Diskussion rund um Fintechs ist ebenfalls sehr interessant. Diese besetzen bislang nur Themen rund um das Konto und den Zahlungsverkehr. Noch sehe ich nicht, dass diese die Banken ablösen. Das ist ähnlich, wie mit den Vergleichsportalen, die man früher in dieser digitalen Form nicht hatte.
Heute sind es über 200!
Hollweger: Es werden immer mehr. Trotzdem sehe ich nicht, dass die Geschäftsbanken oder Banken generell wegfallen. Allerdings wird es Änderungen geben.
Das berühmteste Fintech war PayPal.
Hollweger: PayPal ist eine digitale Wertschöpfung im Zahlungsverkehr. Ich glaube, es gibt positive Beispiele, wie wir das Thema digitale Wertschöpfungsketten aufgenommen haben. Vor vielen Jahren haben wir bereits damit begonnen, Baufinanzierung über Internetplattformen zu akquirieren. Insofern haben wir uns die Digitalisierung zu Eigen gemacht. Heute ein sehr wichtiger Kontakt- und Volumenbringer. Wir haben eine Steigerung im Kreditgeschäft von acht Prozent im Jahr. Im Durchschnitt aller inländischen Banken liegt der Wert bei null. Genossenschaftsbanken liegen eher bei vier Prozent. Das zweite Thema wäre Bargeld. Bargeld haben wir in die Digitalisierung aufgenommen, um praktisch unsere gesamte Bargeldversorgung von nur zwei Mitarbeitern steuern zu lassen. Das heißt, bei uns laufen über 90 Prozent aller Bargeldtransaktionen mit unseren Kunden über Automaten. Dies ist nur möglich, weil wir die Steuerung digitalisiert vornehmen können. Wir sehen die Digitalisierung nicht als Gegner, sondern auch als Chance.
Jetzt ist Beratung eine der Kerndienstleistungen einer Bank. Die Qualität der Beratung hat in den letzten Jahren durchaus gelitten. Justizminister Heiko Maas will einen Ehrenkodex, analog zu dem der Ärzte, einführen. Noch mehr Gängelung oder eine vertretbare Idee?
Müller: Ja, noch mehr Gängelung, wenn es wieder undifferenziert umgesetzt wird. Sicherlich gibt es in unserer Branche auch schwarze Schafe. Alle bisherigen Regelungen zielten darauf, diese wenigen zu bekämpfen. Aber wir sehen es kritisch, Regulierung immer über alles zu ziehen. Wenn man jemanden aus dieser Regelung herausnehmen müsste, dann wären es wir als Genossenschaftsvereinigung, weil uns ganz entscheidende Unterschiede ausmachen. Bereits im ersten Paragraphen unseres Grundgesetztes ist geregelt, dass die Förderung der Wirtschaft unserer Mitglieder unsere Aufgabe ist. Mitgliederzufriedenheit, Mitgliederquote und eine betriebswirtschaftliche Steuerungsgröße – das sind unsere drei strategischen Geschäftsziele. Wir lassen jährlich durch ein unabhängiges Marktforschungsunternehmen die Mitgliederzufriedenheit messen und nach diesen Ergebnissen steuern wir. Seit 150 Jahren sind wir in Köln Zuhause, einer Großstadt, die aus 86 Dörfern besteht (lacht). Das ist unser Markt und unsere Heimat. Hier leben unsere Mitarbeiter und unsere Führungskräfte. Uns können Sie auch beim Bäcker treffen, wenn Ihnen irgendetwas nicht passt. Unser Geschäftsmodell impliziert bereits, dass wir auf unserem heimatlichen Markt unser Geschäft machen müssen. Unser Markt ist hier und das wird er auch die nächsten 150 Jahre sein. Wir sind regional aufgestellt. Das ist für uns eine ganz andere Verbindlichkeit, fair und transparent mit dem Kunden umzugehen. Deshalb zahlen wir keine geschäftsabhängige Provision an Berater.
In der Xing-Gruppe des BANKINGCLUB kommen immer wieder Diskussionen um gute und schlechte Berater auf. Ich sage immer: Gute und schlechte Berater gibt es überall. Verhindert Ihr Modell wirklich, dass nicht auch mal ein schwarzes Schaf bei Ihnen arbeitet?
Müller: Ich stimme zu, dass es überall gute und schlechte Berater gibt, aber sie verteilen sich anders. In einer Bank, in der Sie darauf angewiesen sind, dass Sie über Umsatzvolumen und Provisionsergebnisse ihr Gehalt verdienen, werden Sie sicherlich Menschen haben, die anders ticken, als in den wertebasierten Geschäftsmodellen einer Genossenschaftsbank. Wir leben mit den Kölnern und unterstützen deren Projekte. Das könnten wir sicherlich nicht als Zentrale einer Bank, die ihren Dienstsitz irgendwo hat und deren Kunden in ganz Europa verteilt sind. Gleichwohl kann es passieren, dass ein Mitarbeiter aus der Spur tanzt. Dafür haben wir Steuerungsmechanismen im Vertrieb. Wenn etwa jemand gegen den Trend zu viele Bausparverträge abschließt oder bestimmte Produkte gar nicht bedient, kann er den Gesamtbedarfsansatz nicht leben. 80 Prozent unserer Kunden sind ähnlich strukturiert und deshalb muss sich auch die Struktur des Absatzes des Einzelnen in den 80 Prozent wiederfinden, die diese Gruppe erreicht.
Im Grunde haben Sie es bereits angedeutet, aber nochmal konkret: Das Genossenschaftsmodell war immer ein bisschen anders. Es wirkte immer etwas „angestaubt“, erscheint jedoch gerade heute wie ein Risikoschutz gegen Höhen und Tiefen. Ist diese Idee der Gründer der Raiffeisen- und Volksbanken heute wieder mehr on vogue denn je?
Hollweger: Der zweite Teil Ihrer Frage hat mir sehr gut gefallen. Grundlegend sind wir anders, denn wir sind die einzige Rechtsform, die gesetzlich im Ziel des Unternehmens die wirtschaftliche Förderung der Mitglieder verankert hat. Es geht nicht um Gewinnmaximierung. Der genossenschaftliche Finanzverbund hat etwa 25 Millionen Kunden. Folglich kann das keine angestaubte Idee sein, sondern ist in der Tat eine Grundströmung, die gut ankommt. Keiner verpflichtet uns, jedes Jahr höhere Gewinne zu erzielen. Wir hier in Köln haben drei schon genannte strategische Geschäftsziele. Zwei von diesen haben überhaupt nichts mit Gewinn zu tun. Erfüllen wir unseren Auftrag, dann sind unsere Mitglieder zufrieden. Wir möchten, dass jedes Mitglied Kunde ist und umgekehrt auch jeder Kunde Mitglied. Im Privatkundengeschäft sind wir Benchmark, also Referenzbank in der Mitgliederzufriedenheit. Unsere drei strategischen Geschäftsziele und die drei Legosteine sind die Kernphilosophie unserer Steuerung.
Ich bin als Kind nur bis Duplo gekommen.
Hollweger: Diesen Steinen haben wir unser Handeln zugrunde gelegt, nur so viel zu entnehmen, wie auch wieder nachwächst. Ganz nach der Idee der forstwirtschaftlichen Nachhaltigkeit. Dieses Vorgehen verschafft uns in Verbindung mit dem genossenschaftlichen Modell eine ruhige Grundstruktur. Wir steuern nicht nach Eigenkapitalrendite, sondern nach Mitgliederzufriedenheit und über einen zu erzielenden Mindestgewinn nach Risikoeinsatz. Wenn es mehr ist: schön! Aber wir streben nicht mehr an. Wir sind ein Unternehmen, das seine gesellschaftliche Verantwortung hier in Köln hat.
Ihre beiden Kollegen von der GLS Bank hatten wir bereits im Interview. Sind Sie sauer, wenn all das Angesprochene auf so wenige Institute wie GLS und Co. reduziert wird?
Hollweger: Ich glaube, es ist heute in der Tat einfacher, ein genossenschaftliches Modell zu fahren, als noch vor 10 oder 15 Jahren. Die ganzen Stichworte wie Digitalisierung korrespondieren völlig mit dem Genossenschaftsmodell. Wir versuchen so zu agieren, dass der wirtschaftliche Nutzen unserer Mitglieder im Fokus steht. Das drückt sich nicht in der Höhe der Dividende aus.
Sie haben eben gesagt, dass Sie Mitglieder zu Kunden machen wollen. Wie ist die gegenwärtige Quote?
Hollweger: Wir haben über 50 Prozent und jedes Jahr einen Bruttozuwachs von 5.000 Mitgliedern. Derzeit haben wir 48.000 Mitglieder. Wir wachsen jedes Jahr netto um etwa 3.000.
Sie haben auch das Projekt „viele schaffen mehr“ . Hier sollen Projekte umgesetzt werden, deren Finanzierung an benötigten Ressourcen scheitert. Was steckt hinter der Idee?
Müller: Wir nennen das Projekt „all zesamme“. Die Idee dahinter ist, dass wir das genossenschaftliche Prinzip ein bisschen moderner umsetzen und die sich außen ergebenen Möglichkeiten zu nutzen. Ausschlaggebend war die Tatsache, dass wir im vergangenen Jahr rund 300.000 Euro ausgegeben hatten, um in den Veedeln direkt zu helfen. Dabei verfolgen wir immer den Grundsatz „Hilfe zur Selbsthilfe“. Wenn also eine Elterngemeinschaft gerne die Räumlichkeiten in einem Kindergarten schöner gestalten möchte und selber zum Pinsel greift, dann unterstützen wir das gerne finanziell. Wir wollen Engagement sehen, weil im Endeffekt dann mit dem Ergebnis ganz anders umgegangen wird, als wenn wir etwas fertig hinstellen würden. Unsere Regionalbeiräte können die Mittel zum Teil selber vergeben. Dann kamen Menschen zu uns, die nach Spendenmöglichkeiten gefragt haben. So ist dann die Idee für das Projekt „all zesamme“ entstanden. Die Gruppe um Herrn Schiefer hat sich dann Gedanken gemacht und so ist das Crowdfunding entstanden. Daraus ist eine Plattform geworden, auf der Sie Ihre sozialen oder kulturellen Projekte einstellen können. In der abschließenden Finanzierungsphase werden dann die Gelder von Kölner Bürgern gesammelt. Mittlerweile haben wir 24 Projekte finanziert und 64.000 Euro erhalten. Wir sind sehr stolz auf diese Zahlen.
Keine Frage, solche Projekte sind zu loben und sie passen zum genossenschaftlichen Modell. Nichtsdestotrotz sind Sie auch eine Bank und damit ein Wirtschaftsunternehmen. Stichwort: Niedrige Zinsen. Es gibt Banken mit einer Eins vor dem Komma und andere mit einer Null vor dem Komma. Das riecht nach Schieflage.
Hollweger: Ja (lacht). Natürlich sind wir ein Wirtschaftsunternehmen. Das bedeutet, die Basis für alles, was wir tun, ist eine gesunde betriebswirtschaftliche Basis, die es dann ermöglicht, das Genossenschaftsmodell in allen Facetten weiterzutragen. Das Thema Niedrigzinsen ist deshalb für den Finanzsektor neu, weil es vorher ein strukturelles Thema wie die Niedrigzinsen nicht gab. Bisher kamen die Krisen meist über Adressrisiken. Uns hilft jedoch, dass unser Geschäftsmodell eben nicht auf Gewinnmaximierung ausgelegt ist. Unsere Branche muss akzeptieren, dass in der jetzigen Zeit die Erträge zurückgehen. Wäre es anders, dann hätten wir in der Vergangenheit einiges völlig falsch gemacht, weil wir dann unter wesentlich besseren Rahmenbedingungen mehr hätten verdienen müssen. In den letzten Jahren konnten wir eine Basis aufbauen, die uns diesen Weg ruhig gehen lässt. Auch bei uns wird der Ertragsrückgang spürbar sein, aber nicht existenziell. Das liegt an der enormen Substanz, die sich in unserem Kapital ausdrückt. Wir haben eine Gesamtkapitalquote von über 20 Prozent. Würde die Deutsche Bank unsere Eigenkapitalausstattung haben wollen, dann müsste sie sehr vereinfacht über die Leverage Ratio gerechnet ihr Kapital – also knapp 70 Milliarden Euro – über 100 Milliarden Euro erhöhen. Zudem werden unsere Gewinne nicht über Dividenden oder Boni ausbezahlt, sie stärken die Substanz. Wir verfügen über ein konservatives Risikoprofil, das sich wiederum im Adressrisiko durch eine extrem hohe Granularität auszeichnet. Diese spiegelt sich nicht nur im Kundengeschäft wieder, sondern auch bei den Eigenanlagen. Das ganze Thema Zinsänderungsrisiken fahren wir konservativ. Unsere drei Legobausteine verkörpern dabei das verfügbare Kapital. Selbst, wenn diese Steine wegfallen, bleibt die Bank aufsichtsrechtlich noch funktionsfähig. Wir würden die Mindestkapitalanforderungen dann immer noch erfüllen. Zu dieser strategischen Ausrichtung im Rahmen des Gesamtrisikoprofils stehen wir. Es ist unsere Strategie, im operativen Tun nur einen Legostein Risikokapital zu setzen. Die beiden anderen Legosteine sind ein solider und beruhigender Risikopuffer. Was sonst an strukturellen Themen in der Zukunft dazukommt, können wir nicht beeinflussen. Die Situation ist definitiv herausfordernd. Wir sind gut gerüstet.
Müller: Wie mein Kollege bereits erwähnt hat, haben wir in den letzten Jahren unser Geld durch eine gute Gesamtbedarfssteuerung im Kundengeschäft verdient. Unserem Risikoprofil geschuldet, haben wir ein sehr defensives Depot A gefahren. Das hat uns in den letzten Jahren keine Erträge gebracht, aber auch keine Risiken. Wir haben uns ein System überlegt, welchen Ländern wir überhaupt Geld leihen würden. Bei uns bekommt kein Staat, keine Firma mehr Geld als unser größter Kreditnehmer. Das ist unsere Maxime. Ohne despektierlich zu sein, aber Griechenland hatten wir nicht im Portfolio, weil es nicht in unser Risikoprofil gepasst hat. Das hat uns zwar keine zehn Prozent Erlöse eingebracht. Das haben sich andere Institute eingesteckt und sind dann von der Regierung schadlos gestellt worden. Im Umkehrschluss bedeutet das: Wir werden weniger verdienen, unsere Bruttozinsspanne fällt. Sie fällt aber nicht so stark wie bei denen, die mehr aus dem Depot A verdient haben, als aus dem eigenen Kundengeschäft.
Das ist aus meiner Sicht auch ein strategischer Fehler.
Müller: Ja, aber Sie wissen: Für viele in der Branche heißt es, wenn es gut läuft, läuft es gut.
Hollweger: Unter Risikoaspekten ist es für uns nicht logisch, einem Drittstaat mehr Geld zu geben, als einem guten Kunden.
Jetzt werden die Begriffe Crowdinvesting und Crowdfunding nicht immer trennscharf verwendet. Eigentlich sind es doch zwei verschiedene Paar Schuhe. Warum können Banken beim Crowdinvesting nicht als Vermittler auftreten? Sie haben ja beide, d.h. sowohl Kreditsuchende als auch Anleger in ihrem Portfolio. Zurzeit verprellen Banken beide Kunden. Ist dann nicht die Zusammenführung dieser Kunden, bei vielleicht sogar einer attraktiven Marge, ein Modell, in welchem Banken viel härter mitspielen müssten?
Müller: Crowdinvesting ist für uns ein genossenschaftliches Thema. Doch geht es nicht nur um Existenzsicherung. Wenn jemand eine innovative Geschäftsidee hat und dafür eine Finanzierung sucht, dann bieten wir unsere Hilfe an. Dafür haben wir extra einen Fördermittelberater ausbilden lassen. So konnten wir unser Volumen verdoppeln. Das heißt, wir sind ganz bewusst in diesen kleinen Losgrößen unterwegs. Sie werden sehen, dass es in den Genossenschaftsbanken einen Piloten für dieses Thema gibt. Momentan arbeiten wir daran, Plattform, Vermittler und Makler rechtlich zu differenzieren. Heute entscheiden Sie im Internet per Mausklick, erhalten eine Präsentation mit vielen Farben und wenigen Zahlen und dann kaufen Sie. 10.000 für acht Prozent. Wenn es nicht klappt, klappt es halt nicht. Wenn ich als Bank Ihnen den Kredit für das gleiche Modell vermittle und es geht daneben, werden Sie bestimmt kurz mit mir reden wollen (lacht). Ergo differenzieren wir gerade: Sind wir Makler? Sind wir Vermittler? Stellen wir nur die Plattform? Unser Ziel ist es, Menschen zusammenzubringen, um auch per Crowdinvesting eine Win-Win-Situation erzeugen zu können.
Boris Janek hat angedeutet, dass da irgendetwas kommt.
Müller: Das irgendetwas sind wir.
Zum Thema „Fintech“: Die meisten erfolgreichen Vertreter streben eher eine Kooperation an. Wie sehen Sie das?
Müller: Wir beobachten das sehr intensiv. Jedoch sehen wir Fintechs nicht getestet als bedrohliche schwarze Wolke. Im Grunde probiert die Branche momentan viele Modelle aus. Einige davon haben wir ausprobiert, also wissen wir momentan, was wo passiert. Nicht am ganzen Markt, aber da, wo es uns interessiert. Das ist ähnlich dem Kirschenpflücken: Sie nehmen sich ein bestimmtes Thema heraus und sukzessive folgen weitere. Es ist immer auch eine Frage der Banklizenz und der Kooperationspartner. Wir fragen den Kunden klipp und klar: Willst du eine Genossenschaftsbank in Köln, die dem deutschen Recht und einer europäischen Regulierung unterliegt und in dem deine Zahlungsströme und dein Konsumverhalten in letzter Konsequenz genauso geschützt sind wie alles von dir? Oder gehst du auf eine Plattform, die irgendwo in der Welt nach irgendeinem Recht in der Welt bedient wird und offenbarst dich dort komplett? Das ist vielen noch gar nicht klar. Der andere Aspekt ist, dass es heute einem wirtschaftlich interessierten und internetaffinen Bürger möglich sein müsste, in diese Bank zu kommen und in einem Produktfeld besser informiert zu sein, als der Berater. Das ist kein Hexenwerk.
Was macht der Kunde aber, wenn er vier oder fünf vergleichbare Lösungen aus der Maschine bekommt?
Müller: Wir kommen sehr stark über den Faktor „Vertrauen“. Wir sind über Generationen präsent. Am stärksten wächst bei uns die Gruppe der 18- bis 28-Jährigen. Wenn Sie die nach dem Warum fragen, dann erhalten Sie die Antwort: „Weil die Kölner Bank klein, überschaubar und transparent ist.“ Das sind die gleichen Menschen, die im Internet ihre Turnschuhe kaufen. Ich glaube, dass wir diejenigen sein werden, die auch in einer weiter digitalisierten Welt den Menschen beim Entscheidungsprozess helfen werden.
Hollweger: Vertrauen ist wirklich eine entscheidende Komponente. Als genossenschaftliche Gruppe müssten wir uns vielleicht etwas an unsere Nase fassen, wenn man überlegt, was wir heute schon alles haben oder welche Applikationen es bereits im Umfeld des Zahlungsverkehrs bei uns gibt. Es ist schon sehr viel, aber vielen nicht bekannt. Am Ende des Jahres wird es die Alternative zu PayPal-Bezahlverfahren geben. Da ist Kritik natürlich berechtigt, dass wir diesbezüglich etwas spät dran sind. Wir müssen lernen, diese Themen mit einer anderen Vorgehensweise als in der Vergangenheit zu lösen.
Und schneller!
Hollweger: Und schneller. Wir sind Bankkaufleute. Diese Startups sind keine Bankkaufleute. Die sehen das aus der Technik heraus. Alles unter der Fragestellung: Wie kann ich die heutige Technik komfortabler und präsenter machen?
Müller: Unsere Techniker sind Banker.
Hollweger: Wir müssen noch mehr bergreifen, dass IT nicht mehr nur eine technische Unterstützung, sondern zwischenzeitlich – siehe Digitalisierung – zu einer entscheidenden Kernkompetenz des Bankgeschäfts geworden ist. Wir sind sozusagen auch ein IT-Hightech-Unternehmen.
Wenn man sich mit dem Markt beschäftigt, sagen Experten gerne, dass es einen Fusionsdruck bei Sparkassen und Genossenschaften geben wird. Ist Fusion für ein Haus Ihrer Größenordnung ein Thema?
Hollweger: Das Thema wird immer da sein. Es wäre sträflich, wenn wir es vernachlässigen, denn auch die Kölner Bank so wie sie heute ist, hat etliche Fusionen hinter sich. Trotzdem sollte man in diesem Zusammenhang nicht alles auf diesen Prozess setzen. Mit einer Fusion können Sie ein paar Kosten sparen, aber der Kosten-Degressionseffekt ist nicht so gravierend. Das Thema Regulatorik ist bei uns dagegen stärker im Fokus, weil es eine intellektuelle Herausforderung ist. Trotzdem versuchen wir uns immer mit einfachen Entscheidungen weiterzuhelfen. Eine Fusion muss für uns innerhalb eines organischen Gebietes sein, das heißt, wir können uns keine Sprungfusionen vorstellen, weil wir immer nach dem Nutzen unserer Mitglieder entscheiden wollen. Fusion ist kein Allheilmittel. Es muss dann auch passen und wir halten die Augen immer offen, aber wir müssen es nicht zwanghaft tun.
Müller: Wenn man mit der Fusion die Zinspolitik der EZB beeinflussen könnte, dann würden wir alle sofort fusionieren (lacht). Mal im Ernst: Sicherlich kann man Kosten einsparen, man wird eine Degression haben, aber wo werden Sie sie haben? Wenn wir unser Geschäftsmodell weiterfahren wollen, dann habe ich eben statt 27 Filialen 60. So ändere ich aber nichts. Der Effekt ist eher, dass wir die vorhandenen und kommenden Anforderungen der Regulatorik besser bündeln können.
Das Gespräch führte Thorsten Hahn
Fotos: Christian Grosshardt