BANKINGNEWS: Sie haben sich kürzlich in einem Interview als „Fintech mit 55-jähriger Erfahrung“ bezeichnet und sagen, dass Sie sich in erster Linie als Dienstleister und erst in zweiter Linie als Bank verstehen. Erläutern Sie uns bitte etwas ausführlicher, was Sie damit meinen.
Ulf Meyer (UM): Das berührt zwei Aspekte. Erstens das Thema Persönlichkeit: Wir sind Dienstleister. Im B2C-Geschäft definieren wir unser Geschäftsmodell so, dass wir der Partner des Kunden sein möchten, indem wir persönliche Betreuung und Beratung am Telefon und zukünftig per Chat anbieten. Im B2B-Bereich ist das genauso. Wir möchten für unsere Mandanten und Kooperationspartner bzw. Partnerbanken maßgeschneiderte Lösungen zur Verfügung stellen. Es gibt nichts „out-of-the-box“, sondern immer individuell im Projekt für den Partner. In der Tat gab es den Begriff Fintech vor 55 Jahren noch gar nicht und auch nicht vor 17 Jahren, als wir das Internet-Kreditgeschäft gestartet haben. Wir sehen uns als großer Innovator in dieser Branche und als sehr stark digitalisiert. Finance und Technology sind unser täglich Brot. Vor 17 Jahren haben wir das Ratenkreditgeschäft gestartet und waren die erste Bank, die im Jahr 2014 das Video-Ident-Verfahren eingeführt hat. Vor Kurzem haben wir den Couchkredit eingeführt. Die Digitalisierung ist in unserem Haus ein allgegenwärtiges Thema.
Michael Moschner (MM): Wir wissen, dass wir kein Geld verkaufen, sondern eine „Bedürfnisbefriedigungsanstalt“ sind. Ich werde ja nicht morgens wach und denke „Ich brauche einen Kredit!“, sondern „Ich brauche ein neues Auto!“ oder „Ich brauche eine neue Waschmaschine!“ Wir sind dafür da, anderen Menschen unseren Dienst zur Verfügung zu stellen, der in erster Linie darin besteht, einen Kredit für eine Anschaffung zu gewähren. Wir sind nicht die Banker, wie man sie sich vorstellt. Wir unterscheiden uns ganz enorm etwa von der Deutschen Bank. Wir betreiben Brot-und-Butter-Geschäft auf der Einlagen- und der Kreditseite und möchten dem Verbraucher somit einen Dienst leisten.
Diese Idee ging ja ursprünglich mal der Gründung vieler anderer Banken voraus. Im B2C sind Sie eine klassische Direktbank. Wer sind Ihre Kooperationspartner im B2B?
UM: Wir haben aktuell zwölf B2B-Kooperationspartner, die uns alle als Outsourcing-Nehmer nutzen und für die wir als Auftragsdatenverarbeiter fungieren. Teilweise handelt es sich um das Einlagengeschäft deutscher Banken, teilweise sind es ausländische Banken, die im deutschen Einlagengeschäft unterwegs sind, teilweise sind es deutsche Banken, die ihr Kreditgeschäft in Deutschland betreiben.
API-Banking machen wir seit Jahrzehnten
Als klassische White-Label-Bank?
MM: Genau, allerdings auch schon, bevor der Begriff das erste Mal verwendet wurde. API-Banking, womit andere derzeit trommeln, machen wir schon seit Jahrzehnten. Wir wussten nur nicht, dass es so heißt. [lacht]
UM: Unser IT-Leiter hat uns kürzlich darauf hingewiesen, dass wir den Begriff API-Banking in unsere Standardpräsentation aufnehmen müssen. Im Grunde haben wir dies im Jahr 2000 mit Einführung des Online-Ratenkredits das erste Mal getan, indem wir eine Schnittstelle geschaffen haben. Diese Technologie wird heute noch genutzt und heißt nun Web-Service oder API-Banking. Früher hieß es schlicht Schnittstelle.
Wir haben einen guten Leumund
Im Kreis der Direktbanken stehen Sie im B2C-Bereich und ebenso im B2B – trotz der besagten Vorreiterrolle im Schnittstellenbanking – in der Bekanntheit hinter DKB, ING-DiBa oder Consorsbank.
MM: Dennoch glaube ich, dass wir in diesem Bereich mehr Partner haben als manch andere, die in diesem Bereich tätig sind. Viele Unternehmen haben zunächst bei anderen Banken angefragt und sind schließlich zu uns gekommen. Im Bereich Kreditvergabe sind zwei Dinge ganz entscheidend: Erstens die Krediterfahrung, die Sie nur bekommen, wenn Sie über Jahrzehnte Kredite vergeben. Zweitens die Fähigkeit, eine Kreditbeurteilung zu machen, sodass der Risikocontroller auf der anderen Seite ein gutes Gefühl hat. Deswegen haben wir uns entschieden, uns IRBA zertifizieren zu lassen. Wir sind die kleinste Bank in Deutschland oder sogar Europa, die eine IRBA-Zertifizierung hat. Wir haben unsere eigenen Ratingsysteme von der BaFin abnehmen lassen. Wenn wir uns auf der Risikocontrolling-Ebene unterhalten und Sie ein bestimmtes Kreditgeschäft forcieren möchten, können Sie es selbst bestimmen. Wir geben Ihnen die Möglichkeit, aufgrund unserer Risiko-Scorekarten das Geschäft so auszusteuern, dass Sie Ihr gewünschtes Risiko haben. Das können die anderen nicht nachweisen. Wir haben generische, auf das Konsumentenkreditgeschäft abgestimmte Scorekarten, was wir als den allergrößten Vorteil ansehen. Die daran hängende Prozesskette wird oftmals unterschätzt. Wir haben schon immer darauf geachtet, dass wir unsere Prozesskette sowohl auf der Einlagen- als auch auf der Kreditseite jeden Tag hinterfragen. Ist das, was wir tun, immer noch vernünftig? Das geben wir auch unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf den Weg, wodurch wir Anregungen aus unserem Team heraus erhalten. Nun könnte man behaupten, dass dadurch Arbeitsplätze verloren gehen. Wir haben jedoch im letzten Jahr unsere Mitarbeiterzahl von 100 auf 120 erhöht und werden weiter wachsen. Unsere Philosophie ist es, unser Geschäft zu betreiben, um Menschen in Lohn und Brot zu bringen und gleichzeitig den Gesellschafter zufrieden zu stellen. Wenn man diesen Spagat schafft, mit neuen Ideen, dann muss man keine Angst davor haben, dass man sich selbst wegrationalisiert.
UM: Bezüglich der Markenbekanntheit fahren wir im B2C-Geschäft recht gut. Wir haben einen guten Leumund bei Kreditkunden und -nehmern. Wir haben zudem Kooperationen etwa mit der Consorsbank sowie zahlreichen anderen Banken und Sparkassen, die ihr Geschäft an uns weitergeben. In diesem Vermittlungsgeschäft müssen wir gar nicht mit der Marke SWK Bank antreten, sondern es findet ein „Co-Branding powered by…“ statt. Damit sind wir sehr glücklich. Im B2B gibt es tatsächlich Wettbewerber, die etwas lauter rufen. Aber wenn wir in die Branche hineinhören, haben wir eine sehr gute Positionierung. Uns ist keine andere Bank bekannt, die diese individuellen Leistungen so abbilden kann wie wir.
Trotz des guten Leumunds liegen Sie von der Markenbekanntheit noch hinter den großen Wettbewerbern. Auf Ihrem Facebook- und Twitter-Profil ist es im Verhältnis zu anderen Banken ebenfalls recht ruhig. Planen Sie, Ihre Social-Media-Kommunikation auszuweiten, um Neukunden zu gewinnen, oder wollen Sie in dem Fahrwasser des erfolgreichen Understatements weiterarbeiten?
UM: Im Moment fühlen wir uns in dem erfolgreichen Understatement-Unternehmen ganz wohl. Wir sehen viele Ansätze, um über Online-Marketing und über die klassischen Kanäle Geschäft zu generieren. Wir müssen bedenken, dass wir ein Zwei-Produkt-Anbieter sind – mit Festgeld und Ratenkredit. Dadurch können wir auf den Social-Media-Kanälen nicht so viel erzählen wie andere Banken, die Girokonten und Kreditkarten haben. Mir ist noch kein positiver Business Case aus dem reinen Kreditgeschäft bekannt, welcher über Facebook generiert wurde. Wir testen es immer wieder an und schauen ganz genau, ob sich das Kommunikationsverhalten der Kunden ändert. Derzeit setzen wir noch ganz klassisch auf E-Mail- und Telefon-Kommunikation. Dieses Jahr testen wir verstärkt Social Media – weniger hinsichtlich Werbung als in der Kommunikation mit den Kunden. Unser durchschnittlicher Kunde ist zwischen 28 und 35 und kommuniziert am liebsten per E-Mail mit uns. Sieht man sich die jüngere Generation an, die bei Whatsapp schneller tippen kann als ich auf meiner Desktop-Tastatur, dann wird klar, dass sich ein Wandel ergeben wird. Wir haben vor zwölf Jahren eine Chat-Funktion implementiert, die fast niemand genutzt hat. Da die mobile Kommunikation immer wichtiger wird, testen wir aktuell eine neue Chat-Funktionalität. TV- oder Radiowerbung sehen wir im Moment für uns noch nicht.
Sprachsteuerung wird mehr Raum einnehmen
MM: Darüber hinaus suchen wir immer neue Spielfelder. Die Themen Zahlungsverkehr und Kredit werden in Zukunft sicherlich viel stärker miteinander zu tun haben. Wir lassen uns inspirieren von Fintechs mit Zahlungsverkehr-Apps, die jedoch häufig nicht profitabel sind, und entwickeln eigene gute Ideen. Wenn man Kredit auf der einen und Zahlungsverkehr auf der anderen Seite kann, ergeben sich sehr viele spannende Dinge.
UM: Mein neues Hobby ist Amazon Echo. Ich nutze es seit einer Woche und habe bereits tausend Ideen, was man damit alles machen kann – auch unabhängig vom Banking. Ich glaube, Sprachsteuerung wird immer mehr Raum einnehmen und Möglichkeiten bieten.
Da gebe ich Ihnen Recht. Sprachsteuerung bietet viel mehr, als bisher genutzt wird. Aber finden Sie es nicht ein wenig „spooky“, wenn Amazon theoretisch die ganze Zeit zuhören kann?
MM: Das Problem kann bei Ihrem Smart-TV heute schon bestehen. Dieser verfügt über Mikrofone und ist permanent online.
UM: Besonders wenn man bedenkt, wo die Daten liegen, ist das ein Bereich, der gewürdigt werden muss. Unabhängig davon werden sich ganz neue Geschäftsmodelle entwickeln können.
Die einfachsten und schnellsten Prozesse werden gewinnen
Diese neuen Geschäftsfelder sind in Anbetracht sinkender Zinsen und Provisionen auch notwendig. Beim Thema Sicherheit trauen die Menschen den Banken immer noch sehr viel zu. Könnte es nicht ein neues Feld sein, dass Kundendaten auf einem Bankserver liegen und dies als Dienstleistung verkauft wird?
UM: Durchaus. Wir müssen uns mit der Frage beschäftigen, wo sich das Produkt nicht nur morgen, sondern in ein paar Jahren verkaufen wird. Das sind die strategischen Fragestellungen. Derjenige wird gewinnen, der mit dem einfachsten Prozess am schnellsten beim Kunden ist. Es muss nicht einmal das günstigste Produkt sein.
MM: Wir haben einen vollen Warenkorb: von der Identifikation, über die Betrugsabfrage und Geldwäschebekämpfung bis hin zur Finanzierung des Produkts am POS. Das heißt, wir können beispielsweise einem Telekommunikationsanbieter, der diese Dinge benötigt, alles bieten. Wir sind uns auch nicht zu schade, jede Leistung einzeln anzubieten.
Aber wenn Identifikation etwas ist, das Banken seit vielen Jahren können, stellt es dann nicht ein Armutszeugnis dar, dass es keine Bank selbst geschafft hat, so etwas wie Videolegitimation zu entwickeln und an andere Banken zu verkaufen?
MM: Ja. Punkt.
UM: Wir haben schon vor Jahren darüber nachgedacht, aber nicht die richtigen Ansätze gefunden. Videolegitimation und dergleichen wird zur Commodity. Wir haben mit dem Couchkredit eine Lösung geschaffen, bei der wir einen Dienstleister nutzen, der uns die Technologie zur Verfügung stellt, damit wir über unser eigenes Callcenter die Videolegitimation durchführen können.
MM: Wir arbeiteten einige Jahre mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Kaiserslautern zusammen. Dort wurde etwa ein Stift entwickelt, der aufgrund der Schreibgeschwindigkeit und des Drucks den Unterschreibenden eineindeutig identifizieren kann. Jedoch hatten sie dafür keinerlei Vertriebsansätze, woraufhin wir eigene Ideen entwickelt haben. Wir haben uns schon immer Gedanken dazu gemacht, wie ein bestimmter Prozess vereinfacht und die Regulierungspflicht zur Kür gemacht werden kann. Und da wir alle lange noch nicht am Ziel angelangt sind, tun wir das jeden Tag aufs Neue.
UM: Die Videolegitimation haben wir dahingehend weiter konzeptioniert, dass wir vorbehaltlich der Genehmigung durch die BaFin komplett auf die Schnittstellentechnologie setzen können. Wir können auf Banksysteme zugreifen und dort die Legitimationsdaten abfragen. Dies wird über eine TAN auf dem mobilen Endgerät abgewickelt, wodurch es vielleicht gar keinen Video-Agent mehr braucht.
Die Quote von Video-Ident steigt kontinuierlich
Bei allen Onlineprozessen war es bisher so, dass es bei der Legitimation einen Medienbruch gab. Beim Couchkredit wollen Sie diesen durch die digitale Signatur vermeiden. Hat das reibungslos funktioniert und wie haben die Kunden das angenommen?
UM: Sie kommen bei dem Produkt komplett ohne zusätzliche Hardware aus. Die qualifizierte elektronische Signatur erfolgt per Mausklick innerhalb der gleichen Session wie die Videolegitimation. Dadurch ist sichergestellt, dass nur Sie es sind, der den Vertrag unterzeichnet. Dies wird über eine mobile TAN abgesichert. Der ganze Prozess erfolgt komplett papierlos.
Gibt es Limits oder gilt das für jeden Kreditvertrag?
MM: Grundsätzlich ist das für jeden Kredit machbar. Wie viele andere Häuser haben wir uns in der Testphase zunächst auf das Limit bis 5000 Euro festgelegt. Irgendwann wird es dann keine Limits mehr geben.
UM: Die ersten Erfahrungen waren sehr positiv. Wir haben alle ersten Kunden angerufen und nach ihren Erfahrungen befragt, wodurch wir sehr schnell auf kleine Kinderkrankheiten reagieren konnten.
Wie ist die Quote bei Ihren Kunden hinsichtlich Videolegitimation und Postident?
UM: Der Löwenanteil ist noch Postident. Ich glaube, das kommt daher, weil es ein gelernter Prozess ist. Je jünger der Kunde ist, desto höher ist die Quote der Videolegitimation. Der durchschnittliche Kunde ist von Direktbanken noch das Postident-Verfahren gewohnt. Wobei auch dieses Verfahren bei der Einführung eine gewisse Zeit und viel Erklärungsbedarf brauchte. Das ist bei der Videolegitimation ähnlich; die Quote wird aber kontinuierlich steigen. Bei Video-Ident sind die Abbruchraten außerdem deutlich geringer als bei Postident.
Wir können das Zinsumfeld länger durchhalten als andere
Wir haben historisch niedrige Zinsen, die zumindest in der Theorie Auswirkungen auf das Geschäftsmodell Ihrer Bank haben. Leiden Sie zunehmend darunter oder stecken Sie es locker weg, da mit dem Ratenkredit weiterhin noch lukrative Erträge erzielt werden können?
MM: Bei einem anderen Zinsniveau ist der Spielraum wesentlich größer. Wenn es gen Null geht, gibt es diesen Spielraum nicht mehr. Also verbessert man die Prozesse. Ich sage ganz selbstbewusst, dass wir das Zinsumfeld länger durchhalten können als manch anderer. Mit aggressiven Zinsen Umsatz zu „kaufen“, ist nicht der richtige Weg. Wir sind so aufgestellt, dass wir mit dem Zinsniveau leben können – erfreut sind wir darüber lange nicht. Wir haben nicht diese Altlasten anderer Banken und stellen nur dann Leute ein, wenn wir unser Geschäftsmodell nachhaltig ausbauen.
Beim Thema Kreditvergabe machen die Begriffe Automatisierung und Machine Learning verstärkt die Runde. Nutzen Sie diese Technologien bei Kreditentscheidungen?
MM: Bereits vor 20 Jahren, als es das Internet in der Form noch gar nicht gab, haben wir Kreditentscheidungen mit neuronalen Netzen getroffen. Als Partner hat uns damals Dr. Karsten Füser unterstützt, der dieses Feld in Deutschland mit erfunden hat. Wir haben uns davon verabschiedet, als wir in die IRBA-Zertifizierung gegangen sind. Aber mittlerweile sind unsere Scorekarten dergestalt, dass wir in der gleichen Trennschärfe liegen. Es war für uns von Anfang an klar, dass eine Maschine entscheidet und das Erstvotum (= Markt) abgibt. Und wir machen bei uns das Zweitvotum (= Marktfolge).
Dies führt zu der Kritik, dass Auskunfteien etc. Daten über die Kunden erstellen, aufgrund derer dann Entscheidungen vorschnell zu Ungunsten des Antragsstellers ausfallen können.
MM: Wir haben uns nie ausschließlich darauf gestützt, sondern es für die Vorprüfung genutzt. Die Schufa ist für uns nur eine von vielen und wird nicht immer im Frontend eingesetzt. Wir verzichten dabei auch auf das Schufa-Rating. Ganz am Schluss zählt die Entscheidung unserer Kollegen im Haus. Damit sind wir in der Vergangenheit gut gefahren und das soll auch in Zukunft so bleiben.